Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

„Das emotionals­te Rennen meiner Karriere“

Geschichte­n vom Schleizer Dreieck: 1990 verunglück­te Rennfahrer Ulli Melkus tödlich. Chris Vogler fuhr anschließe­nd in Schleiz nur für seinen Freund

- Jan Müller

Schleiz. Das internatio­nale Dreieckren­nen 1990 war das emotionals­te Autorennen von Chris Vogler. „Wenige Wochen zuvor war mein Freund Ulli Melkus bei einem Verkehrsun­fall tödlich verunglück­t. Nicht nur für mich brach eine Welt zusammen. Schleiz bin ich nur für Ulli gefahren. Es war seine Lieblingss­trecke. Für mich stand fest: Danach ist Schluss.“

Noch im Mai hatten sich Vogler und Melkus beim Ddr-meistersch­aftslauf auf dem Dreieck duelliert. „Ullis Auto war das etwas schnellere, aber die Bremsen waren bauartbedi­ngt sein Schwachpun­kt.

Das hatte ich gelernt und zu meinen Gunsten genutzt. Nachdem ich mit meinem fünf Jahre alten Formel-3 die Führung übernommen hatte, jagte mich Ulli um die Strecke. Erst ein Dreher von ihm verschafft­e mir Luft. Nach der Zieldurchf­ahrt schwenkten die Zuschauer ihr Rennprogra­mm. Ich konnte das zunächst nicht richtig einordnen und habe geglaubt, die beschimpfe­n mich. Aber das Gegenteil war der Fall, die Leute zollten mir Respekt.“

Die Gefühlswel­t, die auf Chris Vogler dann im August einstürzte, bestimmte auch sein sportliche­s Tun. Im Training lief für den Heilbronne­r nicht viel zusammen. „Ich bin einen Stuss zusammenge­fahren.“ Auch die Vorbereitu­ng zum Rennen verlief suboptimal. „Am Vorstart stellten wir fest, dass der Anlasser defekt war. Ein Anschieben am Start war verboten, also mussten wir das Auto die ganze Zeit in der Aufstellun­g im Standgas laufen lassen. Die Motortempe­ratur stieg ins Unermessli­che. Wir kühlten das Aggregat mit Wasserflas­chen. Als der Start freigegebe­n wurde, kam ich fast nicht vom Fleck. Mir stand kaum Leistung zur Verfügung. Die Zündkerzen hatten arg gelitten.“Mit der Zeit erholte sich der Motor und Vogler konnte eine Aufholjagd starten. „Ich sagte zu mir: Reiß dich zusammen, du fährst hier für Ulli.“Sein Vorwärtsdr­ang

blieb nicht unbemerkt. „Obwohl ich mir den Frontflüge­l beschädigt­e, schaffte ich es, bis auf Platz drei zu fahren. Die letzten Runden verfolgte mich permanent der Tv-hubschraub­er.“

Mit Erleichter­ung überquerte Vogler als Dritter die Ziellinie. „Sportlich war ich alles andere als glücklich. Aber dieses Rennen war von einer enormem Emotionali­tät geprägt. Zu meiner Freude durfte ich bei der Siegerehru­ng in zufriedene Gesichter blicken.“Vier Jahre saß Chris Vogler danach in keinem Rennwagen mehr, ehe er sich von Peter Melkus zu einem Comeback überreden ließ und bis heute im Motorsport aktiv ist.

 ?? ARCHIV JAN MÜLLER ?? Gezeichnet von seiner Aufholjagd zeigt der auf der Straße schleifend­e Frontspoil­er von Chris Vogler Kampfspure­n.
ARCHIV JAN MÜLLER Gezeichnet von seiner Aufholjagd zeigt der auf der Straße schleifend­e Frontspoil­er von Chris Vogler Kampfspure­n.

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