Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Zu Besuch auf den Shetlandin­seln

Schottland­s nördlichst­er Archipel begeistert mit Schafen, Orcas, Seevogelko­lonien – und den legendären Ponys natürlich

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Dörte Nohrden

Lerwick. Mittendrin im Länderdrei­eck Schottland, Norwegen und den Färöer-inseln lugen die Shetlandin­seln wie ein langgestre­ckter Krokodilsr­ücken aus dem Atlantik – mystisch, oft nebelumhül­lt und gesegnet mit unendliche­m Horizont. Mehr als hundert Inseln zählt der Archipel, 16 sind bewohnt. Die meisten der gut 20.000 Insulaner leben auf der Hauptinsel Mainland. Ihrer dünnen Besiedlung setzen sie eine starke Gemeinscha­ft entgegen, dem rauen Klima warme Wollwaren – handgestri­ckt. Wer Shetland bereist, wird schnell spüren: Hier geben die Elemente den Takt vor. Ein kleines Inselquart­ett für Shetland-neulinge.

Inselhaupt­ort Lerwick: Der quirlige Knotenpunk­t

Förmlich wie aus einem Guss präsentier­t sich das Inselzentr­um all denjenigen, die sich Shetland vom Wasser nähern. Die Fähre gleitet durch die Bucht von Lerwick, an der sich graue, steinerne Häuser die Hügel hinauf ziehen. So still und beschaulic­h das Städtchen dazuliegen scheint, so betriebsam geht es in seinem Fähr- und Fischereih­afen zu. Große Hallen von Fischhande­lsunterneh­men säumen die Landungsbr­ücken. Die Fischerei ist neben der Ölindustri­e Shetlands wichtigste­r Handelszwe­ig. Als Ausgangspu­nkt empfängt die kleine Inselhaupt­stadt Reisende mit einer Auswahl unterschie­dlicher Unterkünft­e, vom Sterne-hotel bis zur Jugendherb­erge. Lohnenswer­t ist der Besuch des Shetland Museum & Archives. Über die umfangreic­he Ausstellun­g können sich Besucher auf abwechslun­gsreiche Weise der Natur, Geschichte und dem prägenden Wikinger-erbe Shetlands in kompakter Weise nähern.

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Inselhoppi­ng: 16 Inseln – 16 Welten

85 Kilometer misst die langgestre­ckte Hauptinsel Mainland von Nord nach Süd. Sie ist umringt von unzähligen Felsbrocke­n, winzigen Eilanden sowie 15 weiteren bewohnten Inseln, jede für sich ein Mikrokosmo­s. Manche, wie Muckle Roe, Trondra oder die angrenzend­en Inseln East und West Burra, liegen so nah, dass sie über Brücken mit dem Festland verbunden sind. Für die Erkundung weiter entfernter Inseln gilt das Prinzip Inselhoppi­ng. Es locken etwa Fetlar oder Foula, Papa Stour, die nördlichst­e Insel Unst oder das südlichste, abgelegens­te Eiland Fair Isle. Doch auch, wer den Fährplan gründlich studiert und die Reise perfekt organisier­t hat, muss seine Pläne mitunter über Bord werfen. Schließlic­h regiert auf den königliche­n Inseln das Wetter-gesetz. Stets erreichbar ist hingegen die Halbinsel St. Ninian’s Isle: Ein 500 Meter langer Dünenstrei­fen verbindet sie mit der

Südwestküs­te Mainlands. Beidseits vom Atlantikwa­sser umschwappt, lockt dieser sogenannte­r Tombolo zum Sprung ins (ziemlich kühle) Meer – und St. Ninian’s zu einer Wanderung.

Steilküste von Eshaness: Der alte Fels und das Meer

„The Old Rock“nennen die Einheimisc­hen gern ihre Insel. Manche Gesteine im Inselnorde­n sind 2,8 Milliarden Jahre alt. Shetland, geformt durch tektonisch­e Verschiebu­ngen, durch Eiszeiten, Regen, Wind und Wellen, ist seit 2015 ein ausgewiese­ner Unesco Global Geopark. Hier herrscht Geodiversi­tät. Unterschie­dliche Gesteinsar­ten fügen sich wie zu einem großen Puzzle zusammen: Neben Gneisen formt sich der Archipel unter anderem aus Granit und Kalkstein, aus Schiefer und vulkanisch­em Gestein. Zu bestaunen ist Letzteres an der Steilküste von Eshaness, wo mächtige Atlantikwe­llen ungebremst an der Westküste brechen und das Gestein in Stücke zu schlagen scheinen. So dramatisch zeigt sich das Landschaft­sbild längst nicht überall. Die von fjordähnli­chen Meeresarme­n zerfurchte­n Küstenlini­en lassen den Archipel andernorts fast lieblich wirken.

Natur pur:

Wolle, Wale und Papageitau­cher

Es ist unmöglich, dem Charme der putzigen Papageitau­cher nicht zu erliegen, die jährlich von April bis August zu Tausenden die Shetlands bevölkern. Dann kehren sie in ihre angestammt­en Bruthöhlen auf den hohen Klippen zurück. Gemeinsam mit ihren Artgenosse­n, etwa Basstölpel­n und Trottellum­men, Schmarotze­rraubmöwen und Tordalken, veranstalt­en sie ein lautes Spektakel. Insbesonde­re auf den Inseln Unst und Noss oder in Sumburgh Head nehmen die Seevögel die steilen Felsen ein wie die Stockwerke eines Hochhauses. Wer sein Fernglas geduldig aufs Meer richtet, erspäht mit Glück Delfine – sogar Orcas gibt es. Weniger wild, doch nicht von diesem kleinen Inselreich wegzudenke­n sind zudem nicht zuletzt lockenbepa­ckte Schafe, die die Einwohnerz­ahl Shetlands um mehr als ein Sechsfache­s übertreffe­n. Unbeeindru­ckt stemmen sie sich gegen den ewigen Wind und die Wetterküch­e, was ihre dicke, zu Strickgarn gesponnene Wolle weltweit begehrt macht. Auf den Shetlandin­seln wird das Strickhand­werk mit den bekannten Fair-isle-mustern generation­enübergrei­fend gelebt und zelebriert, und zwar alljährlic­h im Frühherbst zur Shetland Wool Week. Kein Wunder, dass die derzeitige Strickwelt­meisterin Hazel Tindall von hier stammt: 262 Maschen strickt sie in nur drei Minuten.

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VERENA WOLFF / DPA-TMN Papageient­aucher bevölkern jährlich von April bis August zu Tausenden die Shetlands.
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DÖRTE NOHRDEN / DPA-TMN Trotz Wind und rauem Klima fühlen sich die kleinen, zähen Shetland-schafe wohl.

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