Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Jubiläumsrocknacht zum 40-Jährigen
Er wird seinen Amateurstatus als Rockband auch künftig nicht aufgeben: Der Wilbury Clan beschert dem Café Bohne ein volles Haus
Ilmenau. Vis-à-vis der Samstagnacht-party-location des Café Bohne im früheren Ddr-jugendclub Weimarer Straße 18 hatten sie im Oktober 1983 ihren allerersten Auftritt als Band. Damals noch unter dem Markenzeichen „Die geschmacklosen Vier“. Ein aus der früheren Fdj-singe-bewegung mit Unterstützung des VEB Henneberg-porzellan Ilmenau hervorgegangenes Quartett. Eines, das auch gern mal als Musikkabarett in die real existierenden gesellschaftlichen Verhältnisse reingrätschte.
Und eines, das noch heute größtenteils in seiner Erstbesetzung auf Bühnen und Tanzsälen von Thüringen, Brandenburg bis ins Hessische für Stimmung sorgt. Das galt es jetzt zu feiern.
Nicht ohne Schrammen und Brüche ausgekommen
Vom „Start My Up“der Stones bis zur Rennsteiglied-polonaise. On Stage standen schon damals Frank Härtel als Frontmann, den man nicht nur beim IKK als „Onkel Fussel“kennt. Dazu Andreas Wenzel und Roy Papst. Und bald auch Techniker Jürgen Elflein.
Wenn am vergangenen Samstag im „Café Bohne“dann noch Alex Keiner fast hinter seinem Schlagzeug abtaucht, muss er sich als jüngstes Bandmitglied schon mal den Titel „unser Nesthäkchen“unter Kollegen gefallen lassen. Schwerarbeit an seinen Drums, die dem speziellen Sound „Richtung“und Rhythmus verpassen.
Wichtig, wenn sich die drei anderen Musiker vom oftmals leicht augenzwinkernd vorgetragenen Gesang auf instrumentale Vielfalt einlassen, die neben den klassischen Gitarrenbesetzungen samt Keyboard bis hin zu Ukulele, Mandoline und Fiddle reichen. Dies vor allem ist Roys gern auch virtuoser Part, der schon mal Zwischenapplaus generiert.
„So ganz ohne Schrammen und Brüche gingen unsere 40 Jahre aber auch nicht über die Bühne“, schmunzelt Härtel in einer Pause. „Mit der politischen Wende und dem Ddr-schlussakkord hatten die Menschen erst mal ganz andere Probleme, als zum Wochenende tanzen zu gehen. Und uns brachen augenblicklich die Verbindungen weg, mit denen wir unsere Mucken planten. Wir standen vor der Auflösung.“Doch wie schon Udo Lindenberg
sang: „Hinterm Horizont geht’s weiter!“Und das tat es, man „suchte wieder Geselligkeit, bezahlbare Live-musik. Seit Anfang der 90er Jahre half auch ein Wilburyclan-freundeskreis, der vor allem zu Auftritten der Band in der Region eine wichtige Rolle spielte.
Dann der IKK Fasching 1995. Das Jahr, als der Clan wieder beim Fasching voll eingestiegen ist, der Wirkungs- und Freundeskreis sich stetig erweiterte. Man ging mehr eigene Veranstaltungen an, was dann 1999 zur Gründung des Musikverein’s Wilbury Clan führte.
„Es fühlt sich gut an, dass wir in Ilmenau und Umgebung aus dem gesellschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken sind“, sagt Bandleader Frank Härtel, der schmunzelnd nachschiebt: „Jaaaa, sogar bis nach Übersee, USA, Bundesstaat Ohio, Cincinnati …“Eingeladen im Rahmen der Us-städtepartnerschaft Ilmenaus mit Blue Ash gab es nämlich 2004 eine „Usatournee“. Vom Gastgeberhotel in Blue Ash als Basislager, so ging es auf Tour. Man erlebte sogar Tv-aufzeichnungen
von Country-rockevents, bei denen auf Schildern dem Publikum angezeigt wurde, wie toll und lange zu applaudieren war …
Wenn der Clan daheim mit Songs von „The Eagles“loslegte, war das
ebenso wenig nötig, wie wenn Tanzpaare zu ihrer Interpretation von Neil Youngs „Heart Of Gold“dichter zusammen kuschelten. Härtel sagt: „Es kam langsam wieder Leben in die Bude, zumal wir ja als Amateure mit unserer – pardon –
„Trivialkultur“, wie so viele andere ja auch, nicht von der Musik seitens Lebensunterhalt abhängig waren. Die zweite „Wende“mit Ambitionen zum endgültigen Aufgeben kam mit der Corona-pandemie. „Befreundete Kneiper und Beatschuppen mit geeigneten Spielstätten für uns gaben reihenweise auf, größere Zusammenkünfte und Partys mit Live-mucken waren verboten. Das war’s dann wirklich, Haken dran! So dachten alle. Aber eben auf Udo hören: Hinterm Horizont … immer weiter.“
Apropos Udo Lindenberg im Song: „Sie ist vierzig … und dann staubsaugt sie los“. Hier wird das Dahinwelken des unfreiwilligen West-gattin- und Hausmütterchentyps besungen, wie er in der alten BRD bis Mitte der 70er Jahre nicht ohne des Gatten Ok Arbeitsverträge abschließen durfte.
Jetzt, mit 40 Band-jahren, auch schon altersbedingte Welk-erscheinungen, Herr Härtel? „Kein Ding, aber im gesetzteren Alter, ich knapp ü 60, richten wir Urlaube und Familienleben eben nicht mehr nach Angeboten
zu lukrativen Mucken. Jetzt läuft es umgekehrt: Erst Urlaubsplanung, dann gucken, wo noch Events zeitlich gut dazwischenoder reinpassen.“
Gleich geht’s hier im „Café Bohne“weiter. Musik-kneiper und Kulturmanager Rü(diger) Wahner will am 27. Januar 2024 in die Rockerrente. „Keine Ente!“, sagt er. Aber Wachablösung sei in Sicht.
Lieber Gutes nachspielen, als Schlechteres selbst machen
Frage zum Schluss des Gesprächs: Warum hält sich die Zahl eurer eigenen Songs so sehr in Maßen? Antwort: „Es gibt so viele Profis in unserem Metier, so tolle Musik. Da sagen wir uns mal ganz bescheiden: Lieber Gutes nachspielen, als Schlechteres selbst machen.“
Und dann nimmt die Clan-nacht weiter Fahrt auf im Mix von The Eagles, Boss Hoss, den Ärzten, Santiano, AC/DC und Smokie. Manches mit dezent gefiddeltem irischem Einschlag und Ukulele-spaßfaktor. Auf die nächsten mindestens noch … 20 … Jahre!