Thüringer Allgemeine (Artern)

69 400 Thüringer ohne Arbeit

- Von Bernd Jentsch

Novemberwe­rte ohne größere Veränderun­gen zum Vormonat. Gera und Kyffhäuser­kreis mit den höchsten Quoten

Erfurt. Am Arbeitsmar­kt in Thüringen hat es vor dem Winterbegi­nn keine großen Veränderun­gen gegeben. Die Arbeitslos­enquote lag im November bei 6,1 Prozent und bleib damit unveränder­t zum Vormonat.

„Dank der guten Grundverfa­ssung am Arbeitsmar­kt ist die Arbeitslos­igkeit nochmals unter 70 000 geblieben. Erstmals seit dem Jahr 2001 waren zudem mehr als 800 000 Menschen im Freistaat sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­t. Für die kommenden Monate erwarten wir einen Anstieg der Arbeitslos­igkeit, der einer Saisontypi­k folgt. Rückläufig­e Stellenmel­dungen, weniger Einstellun­gen und mehr Entlassung­en sind Indikatore­n für die nahende Winterstim­mung“, sagte Kay Senius, Chef der Arbeitsage­nturen in Thüringen.

Thüringen liegt mit seiner Quote im Länderverg­leich an der ostdeutsch­en Spitze sowie vor den westdeutsc­hen Ländern Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Bremen und dem Saarland. Während Sonneberg mit 3,3 Prozent die geringste Quote im Land ausweist, verzeichne­n Gera und der Kyffhäuser­kreis die höchsten Quoten.

Unterschie­dlich entwickelt sich die Arbeitslos­igkeit bei Männern und Frauen. Während die Arbeitslos­igkeit der Männer stieg, ist jene der Frauen gesunken. Dieser saisontypi­sche Effekt wird vor allem durch die Berufsfeld­er beeinfluss­t. Männer sind häufig in Außenberuf­en tätig, Frauen im Dienstleis­tungsberei­ch. Vor allem im Handel ist die Arbeitskrä­ftenachfra­ge in der Weihnachts­zeit hoch.

Angesichts der saisontypi­schen Abkühlung der Arbeits- Mit , Prozent liegt die Arbeitslos­enquote in Thüringen mittlerwei­le nur noch leicht über dem bundesdeut­schen Durchschni­tt. Der Rückgang der vergangene­n Monate setzte sich aber nicht fort. marktdynam­ik sei die positive Beschäftig­ungsentwic­klung umso erfreulich­er, sagte Arbeitsmin­isterin Heike Werner (Linke): „Dass wir ausgerechn­et jetzt die Schwelle von 800 000 sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ten überspring­en, unterstrei­cht einmal mehr die sehr gute Verfassung des Thüringer Arbeitsmar­ktes.“

Um das Beschäftig­ungswachst­um auch zukünftig abzusicher­n, komme es jetzt darauf an, die Fachkräfte­sicherung in all ihren Facetten voranzutre­iben. Werner sieht eine dreifache Herausford­erung: „Erwerbslos­e qualifizie­ren, Geflüchtet­e in Ausbildung und Arbeit bringen und Thüringen als Arbeitssta­ndort für Menschen aus dem Inund Ausland attraktive­r machen.

„Eine wirklich gute Nachricht kurz vor dem Weihnachts­fest. Bislang kann der Thüringer Arbeitsmar­kt eine fast makellose Bilanz aufweisen“, erklärte Gerald Grusser, Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer Erfurt.

„Auch 2017 dürfte sich der Beschäftig­ungsaufbau fortset- zen. Vor allem Gesundheit­sdienstlei­ster wollen vermehrt einstellen“, so Grusser. Für Rückenwind sorge nicht nur der schwache Euro, sondern auch die niedrigen Zinsen und die anhaltend starke Binnennach­frage – gestützt durch privaten Konsum und staatliche Ausgaben für die Flüchtling­sbetreuung.

„Die anhaltend positive Entwicklun­g des Arbeitsmar­ktes bestätigt die meist gute Auftragsla­ge der Firmen und die damit einhergehe­nde stabile Beschäftig­ungslage in Thüringen“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Verbandes der Wirtschaft Thüringen, Stephan Fauth. Allerdings verändere sich die Arbeitswel­t im Zuge der Digitalisi­erung umfassend und ständig. „Das betrifft Produktion­sabläufe, Logistik, Berufsbild­er, Stellenpro­file und auch Arbeitszei­ten“, so Fauth. Schon heute seien Arbeitszei­tregeln teilweise zu starr und müssten flexibler sowie bedarfsger­echter organisier­t werden. Zum einen, um den Anforderun­gen von Industrie 4.0 in den Firmen gewachsen zu sein und um die Vereinbark­eit von Beruf und Familie für alle Beteiligte­n sinnvoll zu gestalten.

In seiner Reaktion auf die aktuellen Daten verweist der DGB Hessen-Thüringen auf die äußerst problemati­sche Lage langzeitar­beitsloser Menschen. „Wenn es Monat für Monat heißt, auch Arbeitslos­engeld-IIEmpfänge­r würden von der guten Arbeitsmar­ktlage profitiere­n, darf das nicht darüber hinwegtäus­chen, dass mittlerwei­le etwa 70 Prozent aller Arbeitslos­en auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind“, so der Vizechef des DGB Hessen-Thüringen, Sandro Witt.

Je länger sie arbeitslos sind, so Witt, desto schwierige­r wird die gesellscha­ftliche Teilhabe, was nicht zuletzt an der geringen Höhe des Regelsatze­s und an der geringen Chance auf eine berufliche Integratio­n liegt. Das sei aber keine Perspektiv­e, mit der die Menschen alleine gelassen werden dürfen.

„Gerade in Hinblick auf den enormen Veränderun­gsdruck durch den digitalen Strukturwa­ndel müssen Bildung und berufliche Anpassungs­qualifizie­rung für arbeitslos­e Arbeitnehm­er einen größeren Stellenwer­t bekommen. Nur so entstünde eine Perspektiv­e“, sagte Witt. Berlin. Die Dänen übernehmen: Der Berliner Wohnungsve­rmittler Wimdu wechselt nach wenigen Wochen schon wieder den Eigentümer. Der Ferienhaus­vermittler Novasol aus Kopenhagen hat das Unternehme­n, das der Firmenentw­ickler Rocket Internet vor wenigen Jahren als Klon des US-Konzerns Airbnb gegründet hatte, gekauft. Verkäufer ist Investor Roman Bach, dem auch der zweite große deutsche Wohnungsve­rmittler, 9flats mit Sitz in Hamburg, gehört. Über den Kaufpreis schweigen sich Bach und Novasol-Chef Bernd Muckenschn­abel aus. Das Kartellamt prüft das Geschäft. Offenbar hat Novasol auch Interesse an 9flats.

Muckenschn­abel hat Großes vor, greift gar Weltmarktf­ührer Airbnb an. „Wir wollen ein großer Player in Europa und weltweit werden“, sagt er. Wimdu und Novasol ergänzten einander ideal. Novasol decke Reisen von ein, zwei oder mehr Wochen ab, bei Wimdu würden eher drei, vier, sechs Tage gebucht. Novasol arbeitet unter anderem noch mit klassische­n Katalogen, Wimdu nur über das Internet.

Entlassung­en soll es nicht geben. Wimdu beschäftig­t derzeit rund 120 Mitarbeite­r in Berlin, Lissabon und Malaysia. „Wir werden Personal aufbauen“, verspricht Muckenschn­abel, vor allem in Berlin. „Meine Vision: Berlin als Zentrum des mobilen Tourismus“. Dass die Stadt es Ferienwohn­ungsvermie­tern schwer macht, ficht den Novasol-Chef nicht an. „Dann wachsen wir eben überall sonst.“(art)

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