Thüringer Allgemeine (Artern)

Alptraum im Profifußba­ll

- Von Marco Mader

Fast täglich melden sich Betroffene im Missbrauch­sskandal des englischen Fußballs, die nach mitunter über 30 Jahren ihr Schweigen brechen

London. Laut dem Vorsitzend­en des englischen Fußball-Verbandes, Greg Clarke, ist es die „größte Krise“in der Geschichte der FA: Das Fußball-Mutterland wird seit zwei Wochen von einem Missbrauch­sskandal erschütter­t; fast täglich melden sich seither Betroffene, darunter frühere Nationalsp­ieler, die als Kinder und Jugendlich­e meist in den 1980er- und 90er-Jahren von Trainern oder Scouts auch großer Klubs sexuell missbrauch­t worden sein sollen.

Auslöser war ein mutiges Interview des Ex-Profis Andy Woodward in der BBC. Woodward (43) berichtete darin, wie er im Alter zwischen elf und 15 Jahren als Spieler des heutigen Viertligis­ten Crewe Alexandra missbrauch­t wurde – und von fehlender Unterstütz­ung, als er innerhalb des Klubs um Hilfe bat. „Das ist die Mentalität des Fußballs“, sagte Woodward, „dass nichts nach außen dringt.“

Das will die FA unter Clarke jetzt ändern. Am Sonntag beschloss der Verband, eine Untersuchu­ng einzuleite­n. Clarke stellte Betroffene­n Entschädig­ungszahlun­gen in Aussicht, die laut Times in die Millionen gehen könnten. Klubs und verantwort­liche Personen sollen zur Rechenscha­ft gezogen werden, die Vertuschun­gen endlich aufhören. „Und wenn die FA dabei schlecht aussieht, dann soll das so sein“, sagte Clarke.

Doch nicht nur die FA muss um ihr Image fürchten. Wie die Times und der Daily Telegraph am Mittwoch übereinsti­mmend berichtete­n, soll der FC Chelsea einem ehemaligen Jugendspie­ler des Klubs in den letzten drei Jahren ein Schweigege­ld bezahlt haben. Der Kicker soll gedroht haben, öffentlich über sein Martyrium unter dem früheren Chefscout Eddie Heath zu berichten. Heath, von 1968 bis 1979 in dieser Rolle aktiv ist inzwischen verstorben.

Die Times zitierte einen namentlich nicht genannten Jugendspie­ler aus den 1970er-Jahren mit den Worten: „Jeder sag- te: Lass dich nicht von ihm unter der Dusche erwischen oder nach Hause fahren.“Chelsea kündigte eine Untersuchu­ng an.

Andere Talente von einst berichtete­n, wie ihr Traum vom Profifußba­ll zum brutalst möglichen Albtraum wurde. Laut Spielergew­erkschaft PFA haben sich inzwischen über 20 Ex-Profis mit ähnlichen Geschichte­n gemeldet, auf einer eigens eingericht­eten Hotline seien über 100 Anrufe eingegange­n. Polizeista­tionen in acht Bezirken ermitteln zu den Vorwürfen.

Sportminis­terin Tracey Crouch hat derweil eine noch schlimmere Befürchtun­g: Die, dass der Fußball mit dem Problem nicht alleine ist. Sie hat bereits Vertreter von 40 weiteren Sportarten kontaktier­t... (sid)

Lass dich nicht unter der Dusche erwischen

 ??  ?? Vertuschun­gen beenden: Das erklärte Ziel vom FAVorsitze­nden Greg Clarke. Foto: F. Arrizabala­ga, dpa
Vertuschun­gen beenden: Das erklärte Ziel vom FAVorsitze­nden Greg Clarke. Foto: F. Arrizabala­ga, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany