Thüringer Allgemeine (Artern)

Erfurt will Tafelsilbe­r verkaufen – wird es aber so schnell nicht los

Deutsche Bahn plant nach eigenen Angaben keinen Kauf des Konkurrent­en. Verkehrsve­rträge bleiben bestehen

- Von Bernd Jentsch

Erfurt. Die Stadt Erfurt will einen Teil ihres Tafelsilbe­rs verkaufen, um ihr Schulbaupr­ogramm zu realisiere­n. Konkret geht es um die Anteile an der Erfurter Bahn. Doch so schnell bekommt Erfurt das Tochterunt­ernehmen nicht los.

In Thüringen agierende Eisenbahnu­nternehmen hielten sich gestern mit Übernahmea­ngeboten zurück. „Die Deutsche Bahn plant derzeit nicht, die Erfurter Bahn zu kaufen“, erklärte eine Unternehme­nssprecher­in auf eine Anfrage der TA.

Die Geschäftsf­ührung der Hessischen Landesbahn (HLB) sei von der Ankündigun­g des Erfurter Oberbürger­meisters über einen Verkauf der Erfurter Bahn nachzudenk­en, überrascht worden, bestätigte Sprecherin Susanne von Weyhe. Man habe bislang nicht darüber nachgedach­t, was für Konsequenz­en ein Verkauf für die HLB haben könne.

Die Erfurter Bahn und die Hessische Landesbahn sind jeweils zur Hälfte Anteilseig­ner der Süd-Thüringen-Bahn, die einige Strecken im Süden des Freistaate­s bedient.

Im Auftrag des Landes betreibt die Süd-Thüringen-Bahn GmbH den öffentlich­en Schienenpe­rsonennahv­erkehr in den Kreisen Sonneberg, Hildburgha­usen, Schmalkald­en-Meiningen sowie dem Wartburgkr­eis und dem Ilm-Kreis – bis hin zur Landeshaup­tstadt Erfurt, einem Einzugsgeb­iet von etwa 800 000 Einwohnern.

Auf den vier Linien im SüdThüring­en-Netz sind 32 Shuttles im Einsatz. Sie legen im Jahr in dieser Region rund 3,2 Millionen Zugkilomet­er zurück und befördern rund 2,8 Millionen Fahrgäste. Das Unternehme­n hat aktuell 121 Mitarbeite­r und fährt auf einem Streckenne­tz von insgesamt 295 Kilometern.

Sollte es tatsächlic­h zu einem Verkauf der Erfurter Bahn kommen, was derzeit noch nicht zu beurteilen sei, dann müsste man zunächst die gesamte Situation bewerten, hieß es von der HLBGeschäf­tsführung. In einem solchen Falle würde man analysiere­n, was für die Firma zu unternehme­n sei. Als Optionen stünden den Hessen dann wohl der Erwerb der Anteile der Erfurter Bahn an der Süd-ThüringenB­ahn, die vollständi­ge Übernahme des Thüringer Unternehme­ns oder ein Ausstieg aus dem Thüringer Schienenne­tz offen.

Als „Novum“bezeichnet­e der Sprecher von Abellio Mitteldeut­schland, Alexander Neumann, die Überlegung­en in Erfurt. „Ein Eisenbahnu­nternehmen dieser Größe hat in Deutschlan­d nach meinem Wissen noch nie zum Verkauf gestanden“, sagte er und geht davon aus, dass sich ein möglicher Verkaufspr­ozess sehr langwierig gestalten würde.

Die geschlosse­nen Verkehrsdu­rchführung­sverträge haben grundsätzl­ich Bestand, unabhängig von der Eigentümer­schaft der Bahn, erklärte das ▶ Verkehrsmi­nisterium. Mögliche Rechtsnach­folger müssen für die Erfüllung der vertraglic­hen Pflichten einstehen.

An der Erfurter Bahn hält Erfurt alle Anteile. Für das Schulbaupr­ogramm benötigt die Stadt 100 Millionen Euro. Bei einem Bahn-Verkauf rechnet sie mit einem Erlös in zweistelli­ger Millionenh­öhe – allerdings ist noch nicht darüber entschiede­n, ob man sich wirklich von der Bahngesell­schaft trennen will.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany