Erfurt will Tafelsilber verkaufen – wird es aber so schnell nicht los
Deutsche Bahn plant nach eigenen Angaben keinen Kauf des Konkurrenten. Verkehrsverträge bleiben bestehen
Erfurt. Die Stadt Erfurt will einen Teil ihres Tafelsilbers verkaufen, um ihr Schulbauprogramm zu realisieren. Konkret geht es um die Anteile an der Erfurter Bahn. Doch so schnell bekommt Erfurt das Tochterunternehmen nicht los.
In Thüringen agierende Eisenbahnunternehmen hielten sich gestern mit Übernahmeangeboten zurück. „Die Deutsche Bahn plant derzeit nicht, die Erfurter Bahn zu kaufen“, erklärte eine Unternehmenssprecherin auf eine Anfrage der TA.
Die Geschäftsführung der Hessischen Landesbahn (HLB) sei von der Ankündigung des Erfurter Oberbürgermeisters über einen Verkauf der Erfurter Bahn nachzudenken, überrascht worden, bestätigte Sprecherin Susanne von Weyhe. Man habe bislang nicht darüber nachgedacht, was für Konsequenzen ein Verkauf für die HLB haben könne.
Die Erfurter Bahn und die Hessische Landesbahn sind jeweils zur Hälfte Anteilseigner der Süd-Thüringen-Bahn, die einige Strecken im Süden des Freistaates bedient.
Im Auftrag des Landes betreibt die Süd-Thüringen-Bahn GmbH den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr in den Kreisen Sonneberg, Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen sowie dem Wartburgkreis und dem Ilm-Kreis – bis hin zur Landeshauptstadt Erfurt, einem Einzugsgebiet von etwa 800 000 Einwohnern.
Auf den vier Linien im SüdThüringen-Netz sind 32 Shuttles im Einsatz. Sie legen im Jahr in dieser Region rund 3,2 Millionen Zugkilometer zurück und befördern rund 2,8 Millionen Fahrgäste. Das Unternehmen hat aktuell 121 Mitarbeiter und fährt auf einem Streckennetz von insgesamt 295 Kilometern.
Sollte es tatsächlich zu einem Verkauf der Erfurter Bahn kommen, was derzeit noch nicht zu beurteilen sei, dann müsste man zunächst die gesamte Situation bewerten, hieß es von der HLBGeschäftsführung. In einem solchen Falle würde man analysieren, was für die Firma zu unternehmen sei. Als Optionen stünden den Hessen dann wohl der Erwerb der Anteile der Erfurter Bahn an der Süd-ThüringenBahn, die vollständige Übernahme des Thüringer Unternehmens oder ein Ausstieg aus dem Thüringer Schienennetz offen.
Als „Novum“bezeichnete der Sprecher von Abellio Mitteldeutschland, Alexander Neumann, die Überlegungen in Erfurt. „Ein Eisenbahnunternehmen dieser Größe hat in Deutschland nach meinem Wissen noch nie zum Verkauf gestanden“, sagte er und geht davon aus, dass sich ein möglicher Verkaufsprozess sehr langwierig gestalten würde.
Die geschlossenen Verkehrsdurchführungsverträge haben grundsätzlich Bestand, unabhängig von der Eigentümerschaft der Bahn, erklärte das ▶ Verkehrsministerium. Mögliche Rechtsnachfolger müssen für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten einstehen.
An der Erfurter Bahn hält Erfurt alle Anteile. Für das Schulbauprogramm benötigt die Stadt 100 Millionen Euro. Bei einem Bahn-Verkauf rechnet sie mit einem Erlös in zweistelliger Millionenhöhe – allerdings ist noch nicht darüber entschieden, ob man sich wirklich von der Bahngesellschaft trennen will.