Was sind Thüringens Unis wert?
Wie Universitäten und Fachhochschulen im Freistaat ihre Forschungsprojekte mit Drittmitteln finanzieren
Erfurt. Die Universität Jena, die gerade mit Plänen für eine Stiftungs-Universität von sich reden macht, hat es vorgerechnet. In einer Studie ließ sie die den Wert der Alma mater Jenensis für Thüringen ermitteln. Für jeden Euro, den das Land investiert, erziele man als Arbeitgeber, Ausbilder oder Investor eine Wirtschaftsleistung von 2,50 Euro. Im Jahr 2013 hätten sich die Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte der Uni Jena (ohne Klinikum) im Land auf 274 Mio. Euro und 5 262 Erwerbstätige summiert. Den Beitrag des „Wissenskapitals“zum Bruttoinlandsprodukt beziffert die Studie mit 528 Mio. Euro. Davon wurden 209 Mio. Euro in der Region wirksam.
Vergleichbare Erhebungen für andere Thüringer Hochschulen gibt es nicht. Angeregt von der Jenaer Studie wollten wir von den Einrichtungen wissen, mit welchen Ansprüchen und Effekten sie forschen. Als Vergleichsgröße legen wir die Drittmittel zugrunde, Gelder also, die die Hochschulen eigenständig einwerben und investieren.
Universität Erfurt An der Alma mater Erfordensis bewegen sich die Drittmittel jährlich zwischen 5,3 Mio.Euro (2010) und über 7 Mio. Euro (2015/2016). Geldgeber sind neben Bund, Land, EU und DFG die Mercator-Stiftung und die Fritz Thyssen-Stiftung. Letztere fördert seit 2004 mit den Herzog-Ernst-Stipendien Forschungen mit den Beständen der Forschungsbibliothek Gotha. Drittmittel für Auftragsforschung der freien Wirtschaft seien an der Uni Erfurt zu vernachlässigen, was Sprecherin Carmen Voigt mit dem vor allem geisteswissenschaftlichen Profil der Uni erklärt.
Aus dem gleichen Grund könnten auch keine Aussagen über die Effekte aus Drittmitteln gemacht werden. „Sagen kann man aber, dass Drittmittel für viele Forschungen bzw. Finanzierungsvorhaben von großer Bedeutung sind, die sich mit ,Bordmitteln‘ nicht realisieren ließen“sagt Voigt.
Duale Hochschule
Gera Eisenach
Die DHGE besteht seit gut einem Jahr. Die Studierenden sollen laut Sprecher Roland Hahn ein Studium absolvieren und gleichzeitig intensive Praxiserfahrungen sammeln. Nennenswerte Drittmittel habe man nicht. „Unsere Wertschöpfung besteht im Beitrag zur Fachkräftesicherung“, so der Sprecher.
Ernst-Abbe-Hochschule Jena
Die EAH bekommt Geld von der Industrie (Auftragsforschung), von den Bundesministerien für Forschung und Wirtschaft sowie vom Land, EU und Stiftungen, zusammen etwa 5 bis 6 Euro Millionen pro Jahr, was ein Fünftel des Haushaltes ausmacht. Jeden fünften Drittmittel-Euro finanziert die Wirtschaft. 116 Mitarbeiter arbeiten in Drittmittel-Projekten. Konkrete Zahlen für die wirtschaftlichen Effekte lägen nicht vor, sagt Michael Möhwald, Leiter des Service-Zentrums Forschung und Transfer. Die EAH sei hauptsächlich in der Verbundforschung mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sehr erfolgreich. Diese hätten kaum Entwicklungskapazitäten, um permanent neue Innovationen zu generieren. Die öffentlich geförderte Forschung könne das zum Teil ausgleichen „Wir selbst sind dadurch in der Lage, gemeinsam mit den Unternehmen Know-how zu generieren und auch in die Ausbildung zu integrieren. Über die Absolventen und den wissenschaftlichen Nachwuchs fließt diese Expertise auch den Unternehmen wieder zu“, sagt Möhwald.
Hochschule
Schmalkalden
Die Hochschule unterrichtet Fächer wie Elektrotechnik, Wirtschaftsrecht und Maschinenbau. 2015 verfügte sie über Gesamterträge von 22 Millionen Euro, davon 300 000 Euro Drittmittel aus der Wirtschaft sowie aus Entgelten für wissenschaftliche Veranstaltungen. Eine weitere Einnahmequelle stellt das Zentrum für Weiterbildung dar, dass rund 2 Millionen Euro einbrachte. „Eine Studie zu finanziellen, wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Effekten aus Drittmitteln hat die Hochschule Schmalkalden bisher nicht in Auftrag gegeben“, sagt Sprecherin Ina Horn. Mit Hinweis auf die demografischen Veränderungen und den Bildungsmarkt benannte sich die Fachhochschule 2015 in Hochschule um.
Technische Universität Ilmenau Prorektor für Wissenschaft und Forschung ist seit 15 Jahren Klaus Augsburg. In den letzten Jahren standen der TU zwischen 40 und knapp 50 Millionen Euro an Drittmitteln zur Verfügung. Der Wirtschaftsanteil liegt unter 20 Prozent. Daraus werden 400 bis 450 Mitarbeiter finanziert, 300 sind es aus dem regulären Haushalt. Ein Gutteil der Lehrtätigkeit und damit Leistungsfähigkeit der Uni sei somit nur noch aus Drittmitteln aufrechtzuerhalten, was bei Technischen Universitäten nicht ungewöhnlich sei. Bei der Verwendung setzte die Uni komplett auf Kooperationen, Einzelprojekte hätten keine Chance. Sekundäreffekte seien über die Jahre ein starker Ausgründungsboom von etwa 150 Unternehmen mit gut 1000 Beschäftigten. Die Netzwerke zwischen diesen Köpfen bezeichnet Augsburg als geradezu genial. Mit jährlich gut 20 Patenten nimmt die TU in Thüringen einen Spitzenplatz ein. Nicht zuletzt bleibe die Kaufkraft von über 8000 Uni-Angehörigen überwiegend in Stadt und Region. Sowieso ist die Uni im Südthüringer Raum der größte Arbeitgeber.
Universität
Jena
Für die Universität Jena (ohne Klinikum) verweist Sprecher Axel Burchardt auf Drittmittel von 80 bis 85 Millionen Euro pro Jahr, die im harten Wettbewerb bei EU, Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG), Bund, Land und Stiftungen eingeworben werden. Das ist mehr als die Hälfte im Vergleich zu den regulären Landesmitteln. Damit beteiligte man sich meist an Verbundprojekte mit europäischen Partnern. Während die DFG mit 23 Mio. Euro eher themenoffene Projektideen aus der Grundlagenforschung unterstützt, setze das Land mit projektbezogenen Drittmitteln von 11 Mio. Euro auf Zentren, die die Wirtschaftskraft der Region stärken sowie auf (Grundlagen-)Forschung mit großem Innovationspotenzial. Die Hälfte der Drittmittel kommt über Kooperationen mit Wirtschaftspartnern ins Haus, reine Auftragsforschung macht einen eher geringen Anteil aus. Insgesamt starten so an der Uni Jena jährlich etwa 500 neue Projekte.
Bauhaus-Universität Weimar
In Weimar freut sich Forschungsdezernentin Kristina Schönherr, dass ihre kleine Uni in der Forschung gut aufgestellt ist. Das gelinge auch mit rund 12 Millionen Euro an Drittmitteln, das ist ein Viertel des Gesamthaushaltes. Allerdings seien durch die Besonderheit als Kunsthochschule nur ein Teil der 90 Professoren forschend tätig. Die Drittmittel bezeichnet Schönherr als Fluch und Segen zugleich. Einerseits würden viele Wissenschaftlerstellen damit finanziert. Andererseits kosten diese Drittmittel auch, etwa in der Verwaltung, so dass man sich als Uni fragen müsse, wie viel man sich davon leisten kann. Besonders dankbar ist Schönherr der DFG für deren Unterstützung freier, ungebundener Forschung. Deren Effekte zu beziffern, fällt der Forschungsdezernentin schwer. Immerhin generiere die Uni jährlich ein halbes Dutzend Patente, die sich auch in der Praxisanwendung bewähren. Als Beispiel nennt Kristina Schönherr eine Beamertechnologie, die Unebenheiten der Projektionsfläche automatisch wegrechnet.
Uniklinikum
Jena
Für den Bereich des Universitätsklinikums (UKJ) sind Drittmittel laut Sprecherin Uta von der Gönna kein relevantes Maß, da bei klinischen Studien die Anzahl der Patienten weit unter dem liegen kann, wofür es eine Förderzusage gibt. 2016 konnten Drittmittel in Höhe von knapp 27 Millionen Euro ausgegeben werden. 325 Mitarbeiter werden damit finanziert. Der Anteil der Wirtschaft liegt bei einem Fünftel. Zum Vergleich: Die vom Land zugeführten Haushaltsmittel belaufen sich auf 76 Millionen Euro, hinzu kommen die Erlöse aus der Krankenversorgung.
2016 starteten am UKJ 87 neue Projekte, die von öffentlichen Förderern unterstützt werden. Darunter befinden sich neben onkologischer Grundlagenforschung eine Studie zur Vorbeugung einer Mangelversorgung der Babys von Risikoschwangeren sowie ein Forschungsund Behandlungszentrum für Sepsis und Sepsisfolgen. Mit sizilianischen Kollegen untersuchen UKJ-Psychologen, wie Gruppentherapien für Suchtpatienten wirken. Eine Erhebung zum Rendite-Effekt der Forschungen gibt es laut von der Gönna nicht. Allerdings würden viele Innovationen zum Patent angemeldet oder führten zu Firmen-Ausgründungen.
Von der Fachhochschule Erfurt, der Hochschule Nordhausen und der Musikhochschule Weimar lagen die Angaben bis zum Redaktionsschluss noch nicht vor. Sie werden auf der Internetseite der TA nachgereicht.