Interesse an alten Akten ist groß
In Thüringer Archiven schlummern viele unerforschte Unterlagen. Deren Hüter hoffen auf das Interesse von Jugendlichen
Weimar. Familiengeschichte ausgraben oder andere Entdeckungen machen – das Interesse der Thüringer an alten Akten und Urkunden ist nach Einschätzung der Archivare groß. Die Staatsarchive zählten im vergangenen Jahr fast 2100 Nutzer. Jeder dritte war ein Heimatforscher oder Ortschronist. Das geht aus der aktuellen Statistik des Landesarchivs hervor. In 43 Prozent der Fälle habe das Blättern in alten Dokumenten wissenschaftlichen Zwecken gedient. „Ich merke in der letzten Zeit, dass sich immer mehr Leute über 60 Jahre, die nach dem Arbeitsleben langsam zur Ruhe finden, mit Familiengeschichte auseinandersetzen“, sagte Archivdirektor Bernhard Post.
Dabei gehe es in erster Linie nicht darum, Familienforschung zu betreiben, um etwa einen Stammbaum zu erstellen. Häufig gebe es Einzelfragen zur eigenen Vergangenheit, erklärte Post: „Warum bin ich als Kleinkind in ein Heim gekommen? Wer ist mein Vater, den mir meine Mutter zeitlebens nicht nannte? Warum ist mein Onkel unter merkwürdigen Umständen vor 30 Jahren ums Leben gekommen und niemand in der Familie hat darüber gesprochen.“
„Nach wie vor werden die Archive vom Wissenschaftler, Studenten bis hin zum engagierten Eisenbahn-Forscher genutzt“, erklärte Post. Nach seinen Angaben erteilten die Staatsarchive mit den Standorten Altenburg, Gotha, Greiz, Meiningen, Rudolstadt und Weimar im vergangenen Jahr fast 4500 schriftliche Auskünfte. Gut 2000 Menschen nahmen an Führungen teil. Das Interesse sei groß. „Wir würden uns natürlich noch viel mehr wünschen“, sagte der Direktor.
Für ihn sei es deshalb ein Anliegen, die Archiv-Pädagogik auszubauen, um mehr Schüler anzulocken. „Die Arbeit mit authentischen Quellen – die Quellenkritik – gewinnt im postfaktischen Zeitalter zunehmend an Bedeutung“, erklärte er. Demnach wurde im Hauptstaatsarchiv in Weimar im vorigen Jahr zu Themen wie die Zwangsaussiedlungen in der DDR, die Versorgungslage nach dem Zweiten Weltkrieg, die Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone, die Geschichte der CDU und die Wehrmachtskasernen in der Mitte Deutschlands geforscht.
Mit der DDR hätten sich oft Studenten und Schüler auseinandergesetzt, weniger mit der Forschung zur Orts- und Heimatgeschichte. Das sei eher die Ausnahme, bedauerte Post. „Wer sich beispielsweise mit dem Alltag in einem Dorf oder den Strukturen einer LPG beschäftigt, muss mit Befindlichkeiten Nicht nur Akten warten in den Thüringer Staatsarchiven – wie hier in Greiz – auf wissbegierige Nutzer.
Archiv-Foto: Tino Zippel
rechnen, da die damals Handelnden meist noch leben.“Namen zu anonymisieren, mache in solchen überschaubaren Strukturen keinen Sinn.
Es gebe Themen rund um die
DDR, die könnten bereits als gut aufgearbeitet bezeichnet werden, sagte der Direktor. Dies gelte vor allem für die zentralen Strukturen des Staates und der Partei. „Defizite sehe ich noch bei der Erforschung der Frage, wie sich die Staatlichkeit der DDR in der Fläche, dem Stadtviertel oder auf dem Dorf durchgesetzt hat.“Wichtig sei, dass DDR-Geschichte mehr von der Jugend aufarbeitet werde, sagte Post. „Sie können dann beispielsweise kritischer mit der DDR-Nostalgie mancher Großeltern umgehen.“
Die jüngere Generation widme sich mittlerweile verstärkt der Geschichte der DDR, sagte der Vorstandschef der Stiftung Ettersberg, Jörg Ganzenmüller. „Die Generation, die die DDR nicht mehr erlebt hat, stellt andere Fragen als die, die sie noch kannte.“Jüngere fragten viel unvoreingenommener. Das wird nach Auffassung von Ganzenmüller die Forschung und die öffentliche Diskussion verändern. Die Voraussetzungen für wissenschaftliches Arbeiten seien in Thüringen gut, sagte der Geschäftsführer der Historischen Kommission, Pierre Fütterer. „Die Vielzahl der Archive ist ideal.“
Nach Ansicht von Ganzenmüller sollten aber parallel zur Forschung in alten Akten mehr Zeitzeugen befragt werden. „Das sind wichtige Quellen.“Dabei sei mitunter Eile geboten: „Für die frühen Jahre der DDR kann man sagen: Die Zeit drängt.“Zeitzeugen sind nicht zuletzt deshalb wichtige Quellen, weil viele Akten von der Staatssicherheit im Herbst 1989 und auch noch 1990 vernichtet wurden. (dpa)
Am . April wird in Apolda die . Landesgartenschau eröffnet. , Millionen Euro wurden investiert, ein Großteil kam vom Land oder aus Fördertöpfen. Die Stadt rechnet während der Ausstellungstage bis zum . September mit Besuchern.
Fast 4500 schriftliche Auskünfte erteilt