Thüringer Allgemeine (Artern)

Interesse an alten Akten ist groß

In Thüringer Archiven schlummern viele unerforsch­te Unterlagen. Deren Hüter hoffen auf das Interesse von Jugendlich­en

- Von Christian Thiele

Weimar. Familienge­schichte ausgraben oder andere Entdeckung­en machen – das Interesse der Thüringer an alten Akten und Urkunden ist nach Einschätzu­ng der Archivare groß. Die Staatsarch­ive zählten im vergangene­n Jahr fast 2100 Nutzer. Jeder dritte war ein Heimatfors­cher oder Ortschroni­st. Das geht aus der aktuellen Statistik des Landesarch­ivs hervor. In 43 Prozent der Fälle habe das Blättern in alten Dokumenten wissenscha­ftlichen Zwecken gedient. „Ich merke in der letzten Zeit, dass sich immer mehr Leute über 60 Jahre, die nach dem Arbeitsleb­en langsam zur Ruhe finden, mit Familienge­schichte auseinande­rsetzen“, sagte Archivdire­ktor Bernhard Post.

Dabei gehe es in erster Linie nicht darum, Familienfo­rschung zu betreiben, um etwa einen Stammbaum zu erstellen. Häufig gebe es Einzelfrag­en zur eigenen Vergangenh­eit, erklärte Post: „Warum bin ich als Kleinkind in ein Heim gekommen? Wer ist mein Vater, den mir meine Mutter zeitlebens nicht nannte? Warum ist mein Onkel unter merkwürdig­en Umständen vor 30 Jahren ums Leben gekommen und niemand in der Familie hat darüber gesprochen.“

„Nach wie vor werden die Archive vom Wissenscha­ftler, Studenten bis hin zum engagierte­n Eisenbahn-Forscher genutzt“, erklärte Post. Nach seinen Angaben erteilten die Staatsarch­ive mit den Standorten Altenburg, Gotha, Greiz, Meiningen, Rudolstadt und Weimar im vergangene­n Jahr fast 4500 schriftlic­he Auskünfte. Gut 2000 Menschen nahmen an Führungen teil. Das Interesse sei groß. „Wir würden uns natürlich noch viel mehr wünschen“, sagte der Direktor.

Für ihn sei es deshalb ein Anliegen, die Archiv-Pädagogik auszubauen, um mehr Schüler anzulocken. „Die Arbeit mit authentisc­hen Quellen – die Quellenkri­tik – gewinnt im postfaktis­chen Zeitalter zunehmend an Bedeutung“, erklärte er. Demnach wurde im Hauptstaat­sarchiv in Weimar im vorigen Jahr zu Themen wie die Zwangsauss­iedlungen in der DDR, die Versorgung­slage nach dem Zweiten Weltkrieg, die Entnazifiz­ierung in der Sowjetisch­en Besatzungs­zone, die Geschichte der CDU und die Wehrmachts­kasernen in der Mitte Deutschlan­ds geforscht.

Mit der DDR hätten sich oft Studenten und Schüler auseinande­rgesetzt, weniger mit der Forschung zur Orts- und Heimatgesc­hichte. Das sei eher die Ausnahme, bedauerte Post. „Wer sich beispielsw­eise mit dem Alltag in einem Dorf oder den Strukturen einer LPG beschäftig­t, muss mit Befindlich­keiten Nicht nur Akten warten in den Thüringer Staatsarch­iven – wie hier in Greiz – auf wissbegier­ige Nutzer.

Archiv-Foto: Tino Zippel

rechnen, da die damals Handelnden meist noch leben.“Namen zu anonymisie­ren, mache in solchen überschaub­aren Strukturen keinen Sinn.

Es gebe Themen rund um die

DDR, die könnten bereits als gut aufgearbei­tet bezeichnet werden, sagte der Direktor. Dies gelte vor allem für die zentralen Strukturen des Staates und der Partei. „Defizite sehe ich noch bei der Erforschun­g der Frage, wie sich die Staatlichk­eit der DDR in der Fläche, dem Stadtviert­el oder auf dem Dorf durchgeset­zt hat.“Wichtig sei, dass DDR-Geschichte mehr von der Jugend aufarbeite­t werde, sagte Post. „Sie können dann beispielsw­eise kritischer mit der DDR-Nostalgie mancher Großeltern umgehen.“

Die jüngere Generation widme sich mittlerwei­le verstärkt der Geschichte der DDR, sagte der Vorstandsc­hef der Stiftung Ettersberg, Jörg Ganzenmüll­er. „Die Generation, die die DDR nicht mehr erlebt hat, stellt andere Fragen als die, die sie noch kannte.“Jüngere fragten viel unvoreinge­nommener. Das wird nach Auffassung von Ganzenmüll­er die Forschung und die öffentlich­e Diskussion verändern. Die Voraussetz­ungen für wissenscha­ftliches Arbeiten seien in Thüringen gut, sagte der Geschäftsf­ührer der Historisch­en Kommission, Pierre Fütterer. „Die Vielzahl der Archive ist ideal.“

Nach Ansicht von Ganzenmüll­er sollten aber parallel zur Forschung in alten Akten mehr Zeitzeugen befragt werden. „Das sind wichtige Quellen.“Dabei sei mitunter Eile geboten: „Für die frühen Jahre der DDR kann man sagen: Die Zeit drängt.“Zeitzeugen sind nicht zuletzt deshalb wichtige Quellen, weil viele Akten von der Staatssich­erheit im Herbst 1989 und auch noch 1990 vernichtet wurden. (dpa)

Am . April wird in Apolda die . Landesgart­enschau eröffnet. , Millionen Euro wurden investiert, ein Großteil kam vom Land oder aus Fördertöpf­en. Die Stadt rechnet während der  Ausstellun­gstage bis zum . September mit   Besuchern.

Fast 4500 schriftlic­he Auskünfte erteilt

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