Die bittere Seite der Schokolade
Der Kakaopreis sinkt, doch keiner profitiert. Am stärksten leiden die Bauern, deren karge Löhne gekürzt werden
Berlin. Die Regale in den Supermärkten sind derzeit voll von Schokohasen, Schokoeiern und Pralinen, die zum Osterfest verschenkt werden. Für wenige Euro sind die Süßigkeiten zu haben, die schon bald in den Osternestern etlicher Kinder liegen werden. Bis die bunt verpackten süßen Hasen, Eier und Küken bei uns in den Läden ausliegen, hat der Rohstoff der Schokolade, der Kakao, bereits eine weite Reise hinter sich gebracht.
Rund 60 Prozent der Kakaobohnen, die in der Schokolade stecken und die in Deutschland verkauft wird, kommen von der Elfenbeinküste. Tausende Bauern leben von der Ernte der Pflanzen in dem rund 5000 Kilometer entfernten westafrikanischen Land. Die ivorische Regierung zahlt ihnen einen Mindestpreis, den der Conseil Café Cacao – eine Art staatlicher Vermarktungsplattform – benennt. Dank garantiertem Preis können die Bauern dadurch mit einem konkreten Einkommen rechnen. Doch dieser Verdienst wird für die Bauern ab sofort deutlich karger ausfallen. Der Kakaopreis ist an den internationalen Rohstoffbörsen in den vergangenen Monaten um gut ein Drittel gesunken. Der ivorische Finanzminister zog daraufhin die Notbremse: Seit 1. April bekommen die Bauern in der Elfenbeinküste 30 Prozent weniger für ein Kilo Kakaobohnen. Sie sind die großen Leidtragenden des Preisverfalls.
Die Verbraucher in Deutschland bekommen die Kursschwankungen dagegen kaum zu spüren. Hasen und Eier aus Schokolade werden dadurch nicht günstiger. Vielmehr bestimmen Angebot und Nachfrage die Preise für Schokolade im Supermarkt. Welche Süßigkeiten mag der Verbraucher am liebsten?
Die Industrie kalkuliert lange vor der Produktion die Kosten für die Rohstoffe. „Wenn Sie heute Ihr Osterei essen wollen, dann hat die Schokoladenindustrie bereits im vergangenen Jahr die Preissicherung für das Osterei zu diesem Jahr gemacht“, erläutert Andreas Christiansen, Vorsitzender des Verbands der am Rohkakaohandel beteiligten Firmen.
Vor gut einem Jahr war die Ernteerwartung schlecht, die Spekulanten nutzten damals die Gelegenheit und trieben den Preis hoch. Dass sich die Kursschwankungen nicht massiv auf die Verkaufspreise von Schokolade auswirken, liegt auch darin begründet, dass der reine Kakaoeinsatz nur ein Bruchteil ausmacht. Der größte Teil der Kosten entfällt auf die Verarbeitung, Vertrieb und Marketing.
Die Kakaopreise sind aufgrund des spekulativen Handels seit 2013 zunächst stark gestiegen, berichtet Christiansen. Hedgefonds und Finanzinstitute setzten damals auf steigende Preise aufgrund der hohen Ernteverluste durch das Klimaphänomen El Niño.
Bis heute leiden viele Regionen Afrikas an dessen Folgen. Auch die derzeitige Dürre und die Hungersnot am Horn von Afrika zählen dazu. Doch nun sei wieder mehr Ware auf dem Markt und der Preis fällt – als Folge der Auflösung spekulativer langfristiger Warentermingeschäfte.
Evelyn Bahn von der Kampagne „Make Chocolate fair“überrascht der enorme Preissturz beim Kakao aus der Elfenbeinküste nicht. „Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren sehr stark darauf gesetzt, dass die Kakaobauern höhere Ernteerträge erzielen“, sagt die Entwicklungsexpertin. Was gut für die Schokoladenindustrie sei, hätte die Bauern allerdings nicht aus ihren ärmlichen Lebensverschen hältnissen befreit. Die Bauern haben zwar mehr produziert, doch sie verdienen letztlich weniger.
Laut Bahn stehen Kakaobauernfamilien pro Tag zwi- 50 und 80 Cent zur Verfügung – das ist deutlich weniger als ein Schokohase bei uns kostet. „Um aus der absoluten Armut herauszukommen, müssten sie mindestens viermal so viel verdienen“, meint Bahn. Teurer müssten Schokohasen und Pralinen deshalb hierzulande aber nicht werden. Nur ein geringer Anteil des Verkaufspreises von geschätzt 6,6 Prozent landet bei den Bauern. Das meiste Geld verdienten Industrie und Handel. Für Bahn ist klar: Der Wert, der in einer Tafel Schokolade steckt, muss gerechter verteilt werden.
Die Elfenbeinküste ist der weltgrößte Kakaoproduzent. Auch in Ghana, Kamerun oder Nigeria wird die Pflanze angebaut. Nur ein kleiner Teil kommt heute aus Lateinamerika, etwa aus Brasilien, Nicaragua oder Ecuador. Es ist schlichtweg billiger, den Kakao in Afrika einzukaufen. Rund 5,5 Millionen Kakaobauern weltweit leben von der Ernte. Der Anbau ist harte Arbeit, der Verdienst gering. Kinder müssen auf den Feldern mithelfen, der Arbeitsschutz ist oft dürftig. Um die Nachfrage zu stillen, werden Boden und Felder ausgebeutet. Viele junge Erwachsene in den afrikanischen Staaten zieht es heute eher in die Städte, als auf die Plantagen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Mit Sorge blickt die Industrie auf diese Entwicklung. In den nächsten Jahren wollen die Unternehmen rund fünf Millionen Euro in Farmprojekte in der Elfenbeinküste investieren. „Nichts ist schlimmer für einen Markenartikler, wenn er ohne Rohware dasteht“, sagt Christiansen. Es
Kakaobauern erhalten 50 bis 80 Cent am Tag
Bunte Hasen aus Schokolade kommen in viele Osternester. Foto: Imago