Thüringer Allgemeine (Artern)

Die Jahreszeit­en der Blockflöte

- Michael Helbing über eine Rokoko-CD und ein barockes Bachwochen-Konzert

Bataillone von Blockflöte­nschülern gingen aus hiesigen Bildungssy­stemen hervor – und nicht nur den Eltern auf die Nerven. Das löchrige Stück Holz taugt nun mal dazu, auch weil‘s billig ist, in die Welt der Musik aktiv einzusteig­en. Nicht wenige jedoch ließen sie bald schon wieder hinter sich.

Dabei vermag dieses Instrument uns durchaus in Welten versetzen, die wir ohnehin nur vom Hörensagen her kennen: zum Beispiel an den Hof des großen Preußen- und Flötenköni­gs Friedrich II.

Genau das tat eine Meisterin ihres Fachs: Flötistin Dorothee Oberlinger, bereits vielfach auf Thüringer Konzertpod­ien zu Gast, spielte mit ihrem Ensemble 1700 vergangene­n September das Album „Rococo – Musique à Sanssouci“ein. Es wirkt im Nachhinein wie eine auf Polycarbon­at gebrannte Visitenkar­te.

Denn inzwischen ist bekannt, dass Frau Oberlinger, die das Institut für Alte Musik in Salzburg leitet, 2018 auch die künstleris­che Leitung der Musikfests­piele Potsdam-Sanssouci übernimmt.

Dorothee Oberlinger verhalf der Blockflöte zu überfällig­er Renaissanc­e und Rehabilita­tion, ebenso wie ihre Weimarer Kollegin Myriam Eichberger; beide spielten letzten Sommer im Stadtschlo­ss in einer Bachschen Trio-Sonate.

Diese Renaissanc­e des 21. Jahrhunder­ts begegnet auf jenem Album dem „Herbst der Blockflöte“, den Oberlinger fürs 18. Jahrhunder­t beschreibt: Man befand sich längst an der Schwelle zur Traversflö­te, wie sie auch Friedrich der Große gerne spielte. Zu dessen sehr privaten Kammermusi­kabenden laden uns Oberlinger und Kollegen auf der Scheibe gleichsam heimlich ein; mit von der Partie ist etwa Bratschist Nils Mönkemeyer.

Zu hören sind Werke von Johann Gottlieb Graun, der Friedrichs Konzertmei­ster, Ernst Gottlieb Baron, der dessen Lautenist, oder Carl Philipp Emanuel Bach, der dessen Kammermusi­kus war. Auch des Königs Flötenlehr­er, Johann Joachim Quantz, ist dabei, sowie unter Umständen Händel: Ob das Doppelkonz­ert für Flöte, Fagott und Streicher von ihm stammt, gilt nicht als gesichert.

Während der gemeine Blockflöti­st über ein einziges Holzblasin­strument selten hinaus gelangt, verfügt Dorothee Oberlinger über eine Hundertsch­aft: von kleiner Sopran- bis Bassblockf­löte. Neun ihrer Instrument­e spielt sie auf der CD.

Barockes von Händel, Corelli, Bach, Dall’Abaco spielt Oberlinger am Karsamstag in Gotha. Dort feiert sie also im Frühling einen Sommer der Blockflöte.

▶ Dorothee Oberlinger und das Orchester L´Arte del Mondo bei den Thüringer Bachwochen: . April,  Uhr, Margarethe­nkirche in Gotha.

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