Die Jahreszeiten der Blockflöte
Bataillone von Blockflötenschülern gingen aus hiesigen Bildungssystemen hervor – und nicht nur den Eltern auf die Nerven. Das löchrige Stück Holz taugt nun mal dazu, auch weil‘s billig ist, in die Welt der Musik aktiv einzusteigen. Nicht wenige jedoch ließen sie bald schon wieder hinter sich.
Dabei vermag dieses Instrument uns durchaus in Welten versetzen, die wir ohnehin nur vom Hörensagen her kennen: zum Beispiel an den Hof des großen Preußen- und Flötenkönigs Friedrich II.
Genau das tat eine Meisterin ihres Fachs: Flötistin Dorothee Oberlinger, bereits vielfach auf Thüringer Konzertpodien zu Gast, spielte mit ihrem Ensemble 1700 vergangenen September das Album „Rococo – Musique à Sanssouci“ein. Es wirkt im Nachhinein wie eine auf Polycarbonat gebrannte Visitenkarte.
Denn inzwischen ist bekannt, dass Frau Oberlinger, die das Institut für Alte Musik in Salzburg leitet, 2018 auch die künstlerische Leitung der Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci übernimmt.
Dorothee Oberlinger verhalf der Blockflöte zu überfälliger Renaissance und Rehabilitation, ebenso wie ihre Weimarer Kollegin Myriam Eichberger; beide spielten letzten Sommer im Stadtschloss in einer Bachschen Trio-Sonate.
Diese Renaissance des 21. Jahrhunderts begegnet auf jenem Album dem „Herbst der Blockflöte“, den Oberlinger fürs 18. Jahrhundert beschreibt: Man befand sich längst an der Schwelle zur Traversflöte, wie sie auch Friedrich der Große gerne spielte. Zu dessen sehr privaten Kammermusikabenden laden uns Oberlinger und Kollegen auf der Scheibe gleichsam heimlich ein; mit von der Partie ist etwa Bratschist Nils Mönkemeyer.
Zu hören sind Werke von Johann Gottlieb Graun, der Friedrichs Konzertmeister, Ernst Gottlieb Baron, der dessen Lautenist, oder Carl Philipp Emanuel Bach, der dessen Kammermusikus war. Auch des Königs Flötenlehrer, Johann Joachim Quantz, ist dabei, sowie unter Umständen Händel: Ob das Doppelkonzert für Flöte, Fagott und Streicher von ihm stammt, gilt nicht als gesichert.
Während der gemeine Blockflötist über ein einziges Holzblasinstrument selten hinaus gelangt, verfügt Dorothee Oberlinger über eine Hundertschaft: von kleiner Sopran- bis Bassblockflöte. Neun ihrer Instrumente spielt sie auf der CD.
Barockes von Händel, Corelli, Bach, Dall’Abaco spielt Oberlinger am Karsamstag in Gotha. Dort feiert sie also im Frühling einen Sommer der Blockflöte.
▶ Dorothee Oberlinger und das Orchester L´Arte del Mondo bei den Thüringer Bachwochen: . April, Uhr, Margarethenkirche in Gotha.