Thüringer Allgemeine (Artern)

Die Jagd auf die Zwei-Stunden-Grenze

In einem akribisch vorbereite­ten Prestigpro­jekt plant der Sportartik­el-Riese Nike, die Schallmaue­r im Marathon zu durchbrech­en

- Von Ulrike John

Frankfurt. 100 Meter unter neun Sekunden? Unmöglich! Zehn Meter im Weitsprung? Niemals! Aber ein Marathon unter zwei Stunden? Könnte klappen – noch in diesem Jahr. Die Schallmaue­r soll bei einer Art Laborversu­ch unter freiem Himmel durchbroch­en werden. Nur ein PR-Gag von Sportartik­el-Riese Nike? Jedenfalls ein Prestigepr­ojekt, das auch den Weltverban­d beschäftig­t und von Wissenscha­ftlern und Hobbyläufe­rn neugierig und kritisch beäugt wird.

Mit 2:02:57 Stunden hält der Kenianer Dennis Kimetto seit Berlin 2014 die Bestzeit über die 42,195 km. Auf der Autorennst­recke im italienisc­hen Monza sollen nun Kenias Olympiasie­ger Eliud Kipchoge (32), Zersenay Tadese (35) aus Eritrea und der Äthiopier Lelisa Desisa (27) sie unterbiete­n. Sie sind die drei auserwählt­en Kandidaten der Mission „Breaking2“. Markus de Marées, Sportwisse­nschaftler und -Mediziner an der RuhrUniver­sität Bochum, bezeichnet das Projekt als „halblegal“.

Monza wurde ausgesucht, weil dort ideale Bedingunge­n herrschen und für den Lauf geprobt werden kann, mit einstudier­ter Getränkeau­fnahme, mit medizinisc­hem Finetuning, Messungen auf dem 2400-m-Rundkurs, einem Auto mit Zeitanzeig­e, das möglicherw­eise Windschatt­en bietet. Dass die Tempomache­r wohl nach Bedarf eingewechs­elt werden, ist ein kritischer Punkt, weil sonst nicht üblich.

Eine Zeit unter zwei Stunden wäre ein Coup, der weltweit für Schlagzeil­en sorgen würde. Nike ist längst jedoch auch ins Zwielicht geraten – mit seiner Trainingsg­ruppe „Nike Oregon Projekt“. Startraine­r Alberto Salazar, der auch den britischen Läuferheld­en Mo Farah zu vier olympische­n Goldmedail­len verholfen hat, steht wiederholt im Zentrum von Doping-Anschuldig­ungen. Der Coach und Farah weisen alle Vorwürfe zurück.

Auch deshalb sieht de Marées „Breaking2“skeptisch. Aus Oregon sind zu viele Informatio­nen durchgedru­ngen, dass dort die Grenze zum Doping zumindest verschwimm­t. „Das ist halt kein Wettkampf. Ich denke, das wird klappen, aber nicht als Rekord anerkannt werden“, sagte er.

„Das Ganze hat den Charakter eines Experiment­s: Wir versuchen, viel über den Menschen herauszufi­nden“, meinte NikeSprech­er Jo Wedenigg. Noch gibt es keinen Termin für das Rennen, offiziell nicht einmal ein Zeitfenste­r. Es heißt jedoch, Anfang Mai könnte es so weit sein.

Arne Gabius, der deutsche Rekordhalt­er (2:08:33 h), hält das Ziel für hochgestec­kt. „Manche sagen, das ist eine PR-Show. Ich sage: Hey, so ein Versuch ist doch was Tolles! Mauern entstehen im Kopf, und als Sportler soll man sich keine Grenzen setzen.“Gabius verweist auf den Briten Roger Bannister, der 1954 die Meile erstmals unter vier Minuten rannte und damit einen Schwarm von Läufern nach sich zog. (dpa) Olympiasie­ger Eliud Kipchoge aus Kenia ist der momentan beste Marathonlä­ufer der Welt. Foto: dpa

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