Hausgemachte Image-Probleme
Eine Empörungswelle schwappt über die US-Fluggesellschaft United – Anfängerfehler beim Krisenmanagement sind teuer
Berlin. Schlechter hätte es für United Airlines kaum laufen können: Ein Passagier wird mit Gewalt aus einem voll besetzten Flugzeug gezerrt, um eigenen Mitarbeitern Platz zu machen – während die übrigen Passagiere die verstörende Szene filmen und später in die sozialen Netzwerke hochladen.
Ein paar Zehntausend negative Erwähnungen bei Facebook können einem großen Unternehmen nur selten nachhaltig schaden. Uniteds Debakel hat jedoch ganz andere Dimensionen erreicht. In China zum Beispiel wurde der Vorfall im sozialen Netzwerk Weibo über 500 Millionen Mal gelesen – ausgerechnet in einem Wachstumsmarkt für United werden nun Boykottaufrufe laut. Denn anfangs hieß es – offenbar fälschlich – der Passagier sei Chinese. Der Aktienkurs von United sank. Die Airline verlor zwischenzeitlich mehrere Hundert Millionen Dollar Börsenwert.
„Katastrophale Kommunikation“
Vom Unternehmen selbst losgetretene Entrüstungswellen kommen häufig vor. Anfang April empörte zum Beispiel Nivea mit einem Online-Werbebild, das mit dem Slogan „White is purity“(„Weiß ist Reinheit“) überschrieben war. Ebenfalls Rassismus wurde vor einigen Jahren Adidas vorgeworfen, das Schuhe mit Fußketten bewarb, die an Sklaverei erinnerten.
Besonders schlimm wird es aber, wenn eine haarsträubende Reaktion des Unternehmens einen gravierenden Vorfall zusätzlich eskaliert – wie im Fall United. Vorstandschef Oscar Munoz meldete sich nach dem Vorfall zu Wort, und entschuldigte sich lediglich dafür, dass vier Passagiere „umquartiert“worden seien. Neben den Bildern des blutverschmierten Passagiers wirkt das Statement grotesk unsensibel. Kurze Zeit später macht Munoz alles noch schlimmer mit einer Nachricht an alle Mitarbeiter, in der er den Verletzten als „störend und streitlustig“bezeichnete. Noch vor Kurzem erhielt der United-Airlines-Chef, Oscar Munoz, einen Preis für gute Kommunikation.
Ähnlich ging es dem Ölkonzern BP 2010. Übel genug, dass eine Ölbohrinsel des Konzerns im Golf von Mexiko explodierte und eine gewaltige Ölpest auslöste. Doch Vorstandschef Tony Hayward machte alles nur noch schlimmer mit unsensiblen Äußerungen. „Ich möchte mein Leben zurück“, sagte er – und ließ es so scheinen, als ob sein eigenes Wohlbefinden eine wichtige Rolle spiele.
Viele große Unternehmen, konstatieren PR-Profis, sind immer noch erstaunlich schlecht vorbereitet auf den Krisenfall. Bernhard Jodeleit, dessen Agentur Lots of Ways Unternehmen in solchen Fragen berät, sagt, dass das Monitoring von sozialen Medien inzwischen Standard sei, um eine Empörungswelle frühzeitig zu erkennen. Doch die Reaktion auf eine Krise lasse oft zu wünschen übrig – vor allem, weil nicht interdisziplinär
gearbeitet werde. Das klingt kompliziert. Doch am Beispiel United lässt es sich gut erklären: Die erste Mitteilung von Munez klang so, als ob die Hausjuristen allein am Werk gewesen wären: ohne Mitgefühl und darauf bedacht, keine Schuld einzuräumen.
Francis Ingham, Direktor des britischen PR-Verbandes PRCA, schrieb nach dem Vorfall, er würde eine Menge Geld darauf verwetten, dass kein PR-Personal die Nachricht geprüft habe. „Sie hätten entsetzt aufgeschrien angesichts des katastrophalen Fehlers, den United gerade machte.“
Die zweite Nachricht mag als Motivation für die Mitarbeiter gedacht gewesen sein, auf die Öffentlichkeit wirkte sie allerdings ebenfalls empörend. In einer solchen Situation verschwimmt oder verschwindet die Grenze zwischen interner
und externer Kommunikation. Zu glauben, dass die Nachricht nicht nach außen dringe, sei ein Anfängerfehler, so Jodeleit.
Letztlich ist es aber nicht die Kommunikation darüber, sondern der Vorfall an sich, der den Shitstorm auslöst. Manche Krisen lassen sich kaum vorhersehen und verhindern. Aber viele könnten vermieden werden. Dass in den festgeschriebenen betrieblichen Abläufen überhaupt das Entfernen von bereits an Bord befindlichen Passagieren vorgesehen sei, bezeichnen PR-Profis als „Sollbruchstelle“. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich eine Eskalation auszumalen.
Ein Beispiel: Jahrelang bestand die Deutsche Bahn darauf, dass ein bestimmtes Dokument, zum Beispiel eine vorher benannte Kreditkarte, zusammen mit dem Online-Ticket vorgelegt werden mussten. Stimmte da etwas Foto: pr week
nicht, drohte ein sehr teures Nachlösen oder gar der Rauswurf aus dem Zug. Das schuf immer wieder explosive Situationen bei der Fahrkartenkontrolle. Denn Fahrgäste, die bereits gezahlt hatten, empfanden die Prozedur oft als reine Schikane und verhielten sich dementsprechend renitent.
Fast ein Wunder, dass diese Vorgehensweise nie zu einer großen Empörungswelle geführt hat. Diese „Sollbruchstelle“hat die Bahn inzwischen entfernt und vergangenes Jahr die Kontrollen entschärft: Ein normaler Ausweis reicht nun aus. Gut möglich, dass bei dieser Entscheidung auch ein mögliches PR-Debakel in den sozialen Medien eine Rolle spielte. Letztlich haben die Empörungswellen, auch wenn sie häufig übertrieben scheinen, eine disziplinierende Wirkung auf Unternehmen.