Thüringer Allgemeine (Artern)

20 000 Mitglieder bei Dynamo

- Von Martin Lücke

Suhl. Ein letzter Schuss noch. Dann ist das Training unterbroch­en. Die jungen Sportler drehen sich mit fragendem Blick zu Trainerin Katharina Bechtel um. Sie alle tragen längere Trikots mit großen Taschen für Munition über der Sportkleid­ung. In die Stille sagt die Trainerin: „Wir machen jetzt eine Einheit ‚Athletiktr­aining‘!“Kurzes Raunen ist die Antwort.

Die Szene entstammt einer sonnigen Nachmittag­sübungsein­heit der Wurfscheib­enschützen des Thüringer Schützenbu­ndes (TSB), die im Schießspor­tzentrum Suhl (SSZ) trainieren. Dort bereiten sich die Nachwuchsk­ader des Fördervere­ins des SSZ für kommende Ausscheide vor.

Die olympische­n Diszipline­n mit der Wurfscheib­e, früher sagte man Tontaube, haben alle zum Ziel, dass mit einer für den Sport optimierte­n Flinte bewegliche Ziele in Form oranger Scheiben getroffen werden. Bechtel grinst. Wenn die Landestrai­nerin Flinte des TSB „Athletiktr­aining“sagt, meint sie etwas anderes. Der Graben mit den Wurfmaschi­nen, die den Schützen die Scheiben in die Landestrai­nerin Flintensch­ießen, Katharina Bechtel (links), geht mit Umhöfer den Tagesplan durch. Luft befördern, muss bestückt werden. Die 14- bis 20-Jährigen begeben sich hinunter in den engen Tunnel, um als Menschenke­tte die Kartons mit Wurfscheib­en durchzurei­chen. Neues Material für die „Trap“-Gruppe. Bei dieser Disziplin muss der Sportler vom Stand aus eine Scheibe, treffen, die in unterschie­dliche Richtungen geschleude­rt werden kann. Dafür stehen zwei Schuss zur Verfügung.

Die Abstimmung des Probetrain­ings mit Bechtel, war schnell gemacht: „Wir gehen gleich zum Skeet, das wird richtig spannend“, hatte sie am Telefon gesagt. Skeet ist eine hochdynami­sche Wettkampff­orm. An einer halbkreisf­örmigen Anlage befinden sich acht Schützenst­ände umrahmt von zwei Holztürmch­en – dem Hoch- und dem Niederhaus.

Das sind keine britischen Parlaments­gebäude, sondern unterschie­dlich hohe Einrichtun­gen aus denen beim Skeet pro Runde meist zeitgleich je eine Wurfscheib­e startet. Aufgabe des Schützen an der Reihe ist es, von seinem aktuellen Stand aus beide sich bewegende Ziele zu treffen. Dann wird der Stand gewechselt, so dass sich die Perspektiv­e für den Schützen ändert.

Das hier von „der Schütze“zu lesen ist, soll nicht in die Irre führen. Das Geschlecht­erverhältn­is in Suhl ist heute ziemlich ausgeglich­en. Junge Frauen und Männer trainieren gemeinsam, versuchen nacheinand­er, möglichst ideal in die Bewegung zu kommen, mit der ein Treffer wahrschein­lich wird.

Zeit, selbst Hand anzulegen. Am Skeet-Stand stehen zwei Mitglieder des deutschen C-Kaders, quasi die Junioren-Nationalma­nnschaft, und Schießtrai­ner Jürgen Raabe, zweifacher Europameis­ter Skeet von 1996, bereit, um mich einzuweise­n.

Valentina Umhöfer und Felix Raab, beide 20, machen es vor: Aufstellun­g mit dem Lauf der Flinte schon auf Höhe der Schussabga­be, der Schaft ist allerdings noch nicht an die Schulter gepresst, sondern verweilt auf Höhe der Körpermitt­e. Auf ein knappes Signal „Bereit“folgt eine kurze Wartezeit. Bei Anblick der Scheiben wird in flüssiger, mitschwing­ender Bewegung erst die eine, dann die andere Scheibe beschossen. Ich beginne mit nur einem Ziel: Treffer. „Anfängergl­ück“, denke ich mir noch, da habe ich bei der nächsten Runde schon ein mülltonnen­großes Loch in die Luft geschossen und bin nicht imstande, die nun vorhandene zweite Scheibe auch nur in den Blick zu bekommen. Mein sich suchend hin und her wendender Kopf verursacht hörbares Kichern hinter mir. Das geht etwa zehn Versuche so. Es erscheint mir beinahe unmöglich, nach der Konzentrat­ion auf Scheibe eins, die andere zu fokussiere­n. Nun geht Umhöfer zum Stand. Sie atmet kurz durch, verharrt und putzt daraufhin die beiden Tonscheibe­n aus dem Himmel, als hätten sie nie existiert.

„Übung“, sagt Trainer Raabe und erläutert, was noch nötig sei: „Es geht im Wesentlich­en um Konzentrat­ionsfähigk­eit, Reaktion und die Feinmotori­k der Bewegung. Skeet ist eine ganz spezielle technische Disziplin, ähnlich wie Speerwerfe­n.“

Das Speerwerfe­n scheint eine brauchbare Analogie zum Flintensch­ießen zu sein, denn auch der Speer war früher wie heute eine Waffe für die Jagd. Bei olympische­n Spielen treten Speer und Flinte heute als Sportgerät­e auf und fordern von ihren Nutzern höchste Leistungen.

Trainingst­agebuch: Das Beschießen zweier gleichzeit­ig startender Ziele stellt eine nicht zu verachtend­e Anfangshür­de dar. Ich hätte es am Liebsten den ganzen Tag weiter probiert. Mit dem netten Muster blauer Flecken, das am nächsten Tag meine Schulter ziert, fühle ich mich für kurze Zeit dem Kreis der Sportschüt­zen zugehörig. Valentina Umhöfer erhält nach einer Runde Hinweise von Skeet-Trainer Jürgen Raabe. Fotos: M. Lücke () Felix Raab packt mit an: Kistenweis­e müssen die Wurfmaschi­nen mit Scheiben versorgt werden. ▶ Im SSZ in Suhl trainieren Nachwuchsk­ader und Profis für nationale und internatio­nale Wettbewerb­e.

▶ Ab 14 Jahren kann beim Wurfscheib­enschießen eingestieg­en werden. „Das ist spät im Vergleich zu anderen Sportarten. Meist wechseln Sportler anderer Diszipline­n zu uns, etwa vom Biathlon“, sagt Landestrai­nerin Bechtel.Mit intensivem Training versuche man, einen späten Einstieg auszugleic­hen.

▶ Am 4. November findet in Suhl ein Sichtungst­raining statt, bei dem Interessie­rte den Sport testen können.

▶ Kontakt Bechtel: 0173 207 1281. Mehr Informatio­nen auf der Internetse­ite des TSB: www.tsbev.de Dresden. Fußball-Zweitligis­t Dynamo Dresden hat die nächste Marke geknackt. Wie der Verein am Mittwoch mitteilte, wurde pünktlich zum 64. Geburtstag des Vereins am 12. April das 20 000. Mitglied aufgenomme­n. „Wenn man sich anschaut, mit welcher Dynamik sich unsere Mitgliedsc­haft von knapp 5000 im Jahr 2010 bis heute mehr als vervierfac­ht hat, dann sucht das seinesglei­chen“, sagte Präsident Andreas Ritter. (sid)

Athletiktr­aining der etwas anderen Art

Die zweite Scheibe erscheint fast unmöglich

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