20 000 Mitglieder bei Dynamo
Suhl. Ein letzter Schuss noch. Dann ist das Training unterbrochen. Die jungen Sportler drehen sich mit fragendem Blick zu Trainerin Katharina Bechtel um. Sie alle tragen längere Trikots mit großen Taschen für Munition über der Sportkleidung. In die Stille sagt die Trainerin: „Wir machen jetzt eine Einheit ‚Athletiktraining‘!“Kurzes Raunen ist die Antwort.
Die Szene entstammt einer sonnigen Nachmittagsübungseinheit der Wurfscheibenschützen des Thüringer Schützenbundes (TSB), die im Schießsportzentrum Suhl (SSZ) trainieren. Dort bereiten sich die Nachwuchskader des Fördervereins des SSZ für kommende Ausscheide vor.
Die olympischen Disziplinen mit der Wurfscheibe, früher sagte man Tontaube, haben alle zum Ziel, dass mit einer für den Sport optimierten Flinte bewegliche Ziele in Form oranger Scheiben getroffen werden. Bechtel grinst. Wenn die Landestrainerin Flinte des TSB „Athletiktraining“sagt, meint sie etwas anderes. Der Graben mit den Wurfmaschinen, die den Schützen die Scheiben in die Landestrainerin Flintenschießen, Katharina Bechtel (links), geht mit Umhöfer den Tagesplan durch. Luft befördern, muss bestückt werden. Die 14- bis 20-Jährigen begeben sich hinunter in den engen Tunnel, um als Menschenkette die Kartons mit Wurfscheiben durchzureichen. Neues Material für die „Trap“-Gruppe. Bei dieser Disziplin muss der Sportler vom Stand aus eine Scheibe, treffen, die in unterschiedliche Richtungen geschleudert werden kann. Dafür stehen zwei Schuss zur Verfügung.
Die Abstimmung des Probetrainings mit Bechtel, war schnell gemacht: „Wir gehen gleich zum Skeet, das wird richtig spannend“, hatte sie am Telefon gesagt. Skeet ist eine hochdynamische Wettkampfform. An einer halbkreisförmigen Anlage befinden sich acht Schützenstände umrahmt von zwei Holztürmchen – dem Hoch- und dem Niederhaus.
Das sind keine britischen Parlamentsgebäude, sondern unterschiedlich hohe Einrichtungen aus denen beim Skeet pro Runde meist zeitgleich je eine Wurfscheibe startet. Aufgabe des Schützen an der Reihe ist es, von seinem aktuellen Stand aus beide sich bewegende Ziele zu treffen. Dann wird der Stand gewechselt, so dass sich die Perspektive für den Schützen ändert.
Das hier von „der Schütze“zu lesen ist, soll nicht in die Irre führen. Das Geschlechterverhältnis in Suhl ist heute ziemlich ausgeglichen. Junge Frauen und Männer trainieren gemeinsam, versuchen nacheinander, möglichst ideal in die Bewegung zu kommen, mit der ein Treffer wahrscheinlich wird.
Zeit, selbst Hand anzulegen. Am Skeet-Stand stehen zwei Mitglieder des deutschen C-Kaders, quasi die Junioren-Nationalmannschaft, und Schießtrainer Jürgen Raabe, zweifacher Europameister Skeet von 1996, bereit, um mich einzuweisen.
Valentina Umhöfer und Felix Raab, beide 20, machen es vor: Aufstellung mit dem Lauf der Flinte schon auf Höhe der Schussabgabe, der Schaft ist allerdings noch nicht an die Schulter gepresst, sondern verweilt auf Höhe der Körpermitte. Auf ein knappes Signal „Bereit“folgt eine kurze Wartezeit. Bei Anblick der Scheiben wird in flüssiger, mitschwingender Bewegung erst die eine, dann die andere Scheibe beschossen. Ich beginne mit nur einem Ziel: Treffer. „Anfängerglück“, denke ich mir noch, da habe ich bei der nächsten Runde schon ein mülltonnengroßes Loch in die Luft geschossen und bin nicht imstande, die nun vorhandene zweite Scheibe auch nur in den Blick zu bekommen. Mein sich suchend hin und her wendender Kopf verursacht hörbares Kichern hinter mir. Das geht etwa zehn Versuche so. Es erscheint mir beinahe unmöglich, nach der Konzentration auf Scheibe eins, die andere zu fokussieren. Nun geht Umhöfer zum Stand. Sie atmet kurz durch, verharrt und putzt daraufhin die beiden Tonscheiben aus dem Himmel, als hätten sie nie existiert.
„Übung“, sagt Trainer Raabe und erläutert, was noch nötig sei: „Es geht im Wesentlichen um Konzentrationsfähigkeit, Reaktion und die Feinmotorik der Bewegung. Skeet ist eine ganz spezielle technische Disziplin, ähnlich wie Speerwerfen.“
Das Speerwerfen scheint eine brauchbare Analogie zum Flintenschießen zu sein, denn auch der Speer war früher wie heute eine Waffe für die Jagd. Bei olympischen Spielen treten Speer und Flinte heute als Sportgeräte auf und fordern von ihren Nutzern höchste Leistungen.
Trainingstagebuch: Das Beschießen zweier gleichzeitig startender Ziele stellt eine nicht zu verachtende Anfangshürde dar. Ich hätte es am Liebsten den ganzen Tag weiter probiert. Mit dem netten Muster blauer Flecken, das am nächsten Tag meine Schulter ziert, fühle ich mich für kurze Zeit dem Kreis der Sportschützen zugehörig. Valentina Umhöfer erhält nach einer Runde Hinweise von Skeet-Trainer Jürgen Raabe. Fotos: M. Lücke () Felix Raab packt mit an: Kistenweise müssen die Wurfmaschinen mit Scheiben versorgt werden. ▶ Im SSZ in Suhl trainieren Nachwuchskader und Profis für nationale und internationale Wettbewerbe.
▶ Ab 14 Jahren kann beim Wurfscheibenschießen eingestiegen werden. „Das ist spät im Vergleich zu anderen Sportarten. Meist wechseln Sportler anderer Disziplinen zu uns, etwa vom Biathlon“, sagt Landestrainerin Bechtel.Mit intensivem Training versuche man, einen späten Einstieg auszugleichen.
▶ Am 4. November findet in Suhl ein Sichtungstraining statt, bei dem Interessierte den Sport testen können.
▶ Kontakt Bechtel: 0173 207 1281. Mehr Informationen auf der Internetseite des TSB: www.tsbev.de Dresden. Fußball-Zweitligist Dynamo Dresden hat die nächste Marke geknackt. Wie der Verein am Mittwoch mitteilte, wurde pünktlich zum 64. Geburtstag des Vereins am 12. April das 20 000. Mitglied aufgenommen. „Wenn man sich anschaut, mit welcher Dynamik sich unsere Mitgliedschaft von knapp 5000 im Jahr 2010 bis heute mehr als vervierfacht hat, dann sucht das seinesgleichen“, sagte Präsident Andreas Ritter. (sid)
Athletiktraining der etwas anderen Art
Die zweite Scheibe erscheint fast unmöglich