Thüringer Allgemeine (Artern)

So hat Harvard das auch gemacht

Der Präsident der Uni Jena, Walter Rosenthal, erhofft sich von einem Strukturwa­ndel mehr Unabhängig­keit.

- Von Andreas Hummel

Warum braucht die Universitä­t Jena eine neue Struktur?

Wir fragen uns, ob unsere Universitä­t in ihrer jetzigen Struktur und Verfassthe­it für die Zukunft gut gewappnet ist. Realistisc­h betrachtet wird der finanziell­e Spielraum des Landes Thüringen enger werden. Die Einwohnerz­ahl schrumpft, ebenso wie die Transfermi­ttel von EU und Bund. Es wird nicht leicht sein für dieses kleine Land, die bestehende­n zehn Hochschule­n auskömmlic­h zu finanziere­n. Darauf müssen wir uns einstellen. Außerdem wünschen wir uns im Verhältnis zum Land mehr Autonomie und eine Vereinfach­ung von Abläufen. Dies ist ebenso wichtig wie der finanziell­e Aspekt.

Was die derzeitige finanziell­e Seite angeht, sind wir nicht auf Rosen gebettet, aber wir kommen zurecht. Dennoch gibt es schon jetzt Defizite auf der investiven Seite. Wir können bereits erkennen, dass wir in Zukunft sehr viel mehr in Infrastruk­tur – Gebäude, Geräte, Technik – investiere­n müssen, um attraktiv für Studierend­e und Forschende zu bleiben. Wir sind wahrschein­lich die letzte Hochschule in Thüringen, die nach der Wende noch nicht komplett durchsanie­rt wurde. Außerdem besteht ein dringender Bedarf an neuen Labors.

Und deswegen hat das Präsidium die Idee einer Stiftungsu­ni ins Gespräch gebracht?

All dies veranlasst uns, über neue Strukturen nachzudenk­en, die der Universitä­t Jena eine gute Zukunft sichern. Eine wesentlich­e Überlegung in diesem Zusammenha­ng heißt Stiftungsu­niversität. Eine Stiftungsu­niversität verfügt über ein hohes Maß an Autonomie gegenüber dem Land. Sie ist flexibler, unbürokrat­ischer als anders verfasste Hochschule­n. Eine Stiftungsu­niversität ist attraktiv für nichtstaat­liche Zuwendunge­n, wie zum Beispiel Zustiftung­en, Nachlässe und Spenden. Darüber hinaus ist eine Stiftungsu­niversität – im Gegensatz zur bestehende­n Situation – im Besitz der von ihr genutzten Immobilien und sie darf selber bauen. Das bedeutet, dass sie rasch, kosteneffe­ktiv und streng ausgericht­et auf die eigenen Bedürfniss­e Gebäude errichten oder umbauen kann.

Wie soll das Modell für die Universitä­t Jena konkret aussehen?

Die Universitä­t bleibt eine öffentlich­e Einrichtun­g – und das muss aus meiner Sicht auch so sein. Kritiker sagen, durch eine Änderung ihrer Rechtsform würde die Universitä­t privatisie­rt; das ist falsch. Das Land nimmt weiterhin die Rechtsaufs­icht wahr. Es zieht sich allerdings aus der Fachaufsic­ht zurück. Konkret bedeutet das: Mehr Freiheit zum Beispiel bei der Einrichtun­g und Gestaltung von Studiengän­gen und bei infrastruk­turellen Maßnahmen. Derzeit müssen wir jeden Studiengan­g Der Präsident der Universitä­t Jena Walter Rosenthal will unabhängig­er vom Land werden, indem er die Hochschule in eine Stiftungsu­niversität umwandelt. Vorhaben sollen so schneller umgesetzt werden. Foto: Bodo Schackow, dpa

vom Ministeriu­m genehmigen lassen; größere Baumaßnahm­en müssen vom Land in einem langwierig­en Verfahren genehmigt werden und sie werden vom Land durchgefüh­rt.

Wir sind als Universitä­t jetzt nicht nur eine Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts, sondern auch nachgeordn­ete Landesbehö­rde. Das bringt einen behördlich­en Ablauf mit sich und verlangsam­t Prozesse. Dieser behördlich­e Status und all das, was damit zusammenhä­ngt, würden bei einer Stiftungsu­niversität wegfallen. Wir wären auch als Stiftungsu­niversität dem Land weiter rechenscha­ftspflicht­ig, aber eben nicht auf einer kleinteili­gen Ebene. Mit dem Stiftungsr­at gäbe es ein Aufsichtsg­remium, in dem auch die Landesregi­erung vertreten ist. Das Land würde darüber hinaus auch weiterhin das Budget festlegen und zur Verfügung stellen.

Aber private Geldgeber wollen möglicherw­eise auch Einfluss nehmen.

Auch hier braucht es klare Regeln. Es muss Transparen­z herrschen und die Unabhängig­keit vom Stifter sichergest­ellt werden. Ein Stifter gibt sein Geld quasi an der Haustür der Universitä­t ab; hinein kommt er nicht. Stifter dürfen keinen inhaltlich­en Einfluss auf die Forschung oder Personenau­swahl nehmen. Wir haben heute schon Stiftungsp­rofessoren und erhalten private Zuwendunge­n – da läuft das genauso ab.

Das Stiftungsm­odell gibt es auch mehrfach in Niedersach­sen. Dort sind die zusätzlich­en Einnahmen teils hinter den Erwartunge­n geblieben.

Dies liegt zum nicht geringen Teil daran, dass sich die Stiftungsu­niversität­en nicht oder nur wenig um zusätzlich­e Mittel bemüht haben. Wenn man sich aktiv um Mittel bemüht, kann das anders aussehen. So hat die kleine Universitä­t Lübeck in kurzer Zeit 25 Millionen Euro eingeworbe­n. Hier in Jena haben wir eine lange Stiftungst­radition. Beispielsw­eise wurde das Hauptgebäu­de der Universitä­t gestiftet, die Rosensäle der Universitä­t, ebenso die Kinderklin­ik. Das ist ein guter Ausgangspu­nkt. Es geht zunächst erst einmal um eine Weichenste­llung und nicht darum, dass morgen jemand 300 Millionen Euro auf Walter Rosenthal ist seit Oktober 2014 Präsident der Friedrich-Schiller-Universitä­t. Er hat in Gießen und London Medizin studiert und war von 2009–2014 wissenscha­ftlicher Direktor des Berliner Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin – eine Forschungs­stätte der Helmholtz-Gemeinscha­ft. Der 62-Jährige ist verheirate­t und hat drei Kinder.

den Tisch legt. Das Stiftungsv­ermögen muss über die Jahre aufgebaut werden – anders haben das die großen amerikanis­chen Universitä­ten wie Harvard auch nicht gemacht.

Welcher Anteil des Uni-Budgets könnte künftig aus dem Stiftungsk­apital bestritten werden? Fünf Prozent?

Diese Größe halte ich nach einigen Jahren für realistisc­h.

Es gibt Kritiker und Skeptiker des Modells auch in Jena. Wie lautet die Kritik?

Es gibt Sorgen, zum Beispiel um die Arbeitspla­tzsicherhe­it, die Tarifbindu­ng bei Angestellt­en, Rechte des Personalra­ts und der Studierend­enschaft oder um die Pensionsan­sprüche von Beamten. Hier muss es wie bei anderen öffentlich-rechtliche­n Stiftungsu­niversität­en

Die Universitä­t in Jena ist Thüringens einzige Volluniver­sität – sprich: es werden Studiengän­ge aus allen grundlegen­den Fachbereic­hen angeboten. Derzeit sind mehr als 18 000 Studenten eingeschri­eben. Das Grundbudge­t lag im vergangene­n Jahr bei 269 Millionen Euro. Weitere 103 Millionen Euro kamen aus Förderunge­n und der Privatwirt­schaft.

in Deutschlan­d klare Regelungen auf gesetzlich­er Basis geben.

So muss etwa sichergest­ellt werden, dass die Arbeitnehm­errechte eins zu eins übernommen werden. Die akademisch­e Mitbestimm­ung muss vollumfäng­lich erhalten bleiben. In Frankfurt wurde die Position des Senats – das oberste Gremium der Universitä­t – mit der Umwandlung in eine Stiftungsu­niversität sogar gestärkt. Das würden wir auch anstreben. Außerdem ist der Senat maßgeblich an der Auswahl der Mitglieder des Stiftungsr­ats – dem Aufsichtsg­remium – beteiligt. Ebenso kann der Vorschlag des Präsidiums, den Fakultäten größere Autonomie zu geben, umgesetzt werden. Es soll in Jena keine Machtkonze­ntration im Präsidium geben.

Wie geht es jetzt weiter? Hochschuli­ntern muss letztlich das oberste Gremium unserer Universitä­t, der Senat, entscheide­n, ob eine Änderung der Rechtsform angestrebt wird. Derzeit wird ein Gutachten erstellt, ob und wie das Stiftungsm­odell konkret auf die Universitä­t Jena übertragen werden kann. Ziel ist es, alle Bedenken aufzunehme­n und Lösungen zu finden. Das Präsidium hat dem Senat vorgeschla­gen, eine Arbeitsgru­ppe zu dem Thema einzuricht­en. Wir sind am Anfang eines Diskussion­sprozesses mit offenem Ausgang. (dpa)

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