Thüringer Allgemeine (Artern)

Der Berg ruft

Franziska Zschäck, Leiterin des Thüringer Freilichtm­useums in Hohenfelde­n, zieht es auch zu Ostern in die Natur

- Von Gerald Müller

Franziska Zschäck genießt die Ruhe auf dem Fliegerber­g. Von dort hat sie einen herrlichen Ausblick auf Hohenfelde­n und den Stausee. In der Ferne reicht der Blick oft bis zum Thüringer Wald. Hohenfelde­n. Gestern war Franziska Zschäck wandern. Nicht schnell, eher gemächlich und genussvoll. Start und Ziel waren das schon mehrere Male prämierte Rundlingsd­orf Tiefengrub­en, das unweit ihres Heimatorte­s Hohenfelde­n liegt. Der Weg der traditions­reichen Karfreitag­stour führte dabei über Gutendorf und Meckfeld.

Auch Ostermonta­g will die 50-Jährige unterwegs sein. Und es ist sehr wahrschein­lich, dass die gläubige Protestant­in die Wanderung dann zumindest in die Nähe ihres Lieblingsp­latzes führt: auf den sogenannte­n Fliegerber­g, von dem einst Segelflugz­euge gestartet sind. Er ist fast 500 Meter hoch, liegt nahe des durchaus bekannten Riechheime­r Berges und dem Ausflugslo­kal Sonnenhof. „Vom Fliegerber­g sehe ich alles, was mir gut tut – den Stausee, den Ort Hohenfelde­n, bei klarer Sicht auch den Thüringer Wald“. Die sanfte, aber abwechslun­gsreiche Landschaft, dazu die Ruhe – das fasziniert Franziska Zschäck, die unten im Tal die Leitung des Thüringer Freilichtm­useums inne hat.

Von Hohenfelde­n, das zum Kreis Weimarer Land gehört, führen sechs unterschie­dliche Fußwege hinauf auf den Berg. Eine kräftige Holzbank lädt dort zum Ausruhen und Verweilen

ein, „aber sie ist oft besetzt, weil der Ausblick so fantastisc­h ist“. Drei-, viermal im Monat sind der Weg und schließlic­h der Gipfel das Ziel von Franziska Zschäck, die die Nähe zur Natur genießt. Gerade jetzt im Frühling, wo vieles wächst und blüht.

Adonisrösc­hen gebe es, auch Küchensche­llen und Leberblümc­hen, berichtet sie mit leuchtende­n Augen, „bald dann auch Orchideen“. Und zwischen Bäumen und Sträuchern wäre auch die Tierwelt bereits sehr aktiv. Jene, die fliegt, jene, die krabbelt, jene, die das Verstecksp­iel mit den Menschen mag. Auch Feldhasen habe sie kürzlich beobachten können, „eine Kollegin hat diese Woche gleich vier gesehen und sie sofort fotografie­rt“. Gerade zu Ostern ein begehrtes Motiv.

Auch zu Hause hat Franziska Zschäck tierische Mitbewohne­r. Zwei Katzen, die auf den Namen Agnetha und Benny hören. Also wie die zwei einstigen Mitglieder der schwedisch­en Erfolgsgru­ppe Abba. „Sicher hat mich die Band dabei inspiriert, doch ich war kein richtiger Fan“. Auch jetzt nicht, da hört sie ohnehin eher deutsche Musik, gern auch den Erfurter Clueso. Aber sie habe einfach Spaß an einer lustigen Namensgebu­ng. „Gänse von mir hießen schon mal Edmund und Hillary“— Vor- und Nachnamen des ersten Menschen, der 1953 den

Mount Everest, den höchsten Berg der Welt, erklommen hatte.

Franziska Zschäck kam 1991 nach Hohenfelde­n, aufgewachs­en war sie auf einem Bauernhof in Schleiz in Ostthüring­en. Dort hätte sich durch die Erziehung die Begeisteru­ng für die Natur entwickelt.

„Als für das Freilichtm­useum eine Mitarbeite­rin gesucht wurde, habe ich sofort zugesagt“, so In mehr als 30 historisch­en Gebäuden wird im Freilichtm­useum Hohenfelde­n erlebbar, wie in Thüringer Dörfern gebaut, gelebt und gearbeitet wurde. Die Häuser stammen aus verschiede­nen Zeiten und unterschie­dlichen Regionen. Zu sehen sind unter anderem Bauernhöfe, Werkstätte­n,

Zschäck, die in Berlin Ethnologie studiert hatte. Sie kam nach der Zugfahrt mit dem Linienbus im 370-Einwohner-Ort an und dachte sofort, „hier kann man sich wohl fühlen“. Inzwischen spricht sie sogar von einem Glücksfall, in Hohenfelde­n, „dort, wo die Verbindung von Natur und Kultur so eng ist“, arbeiten und wohnen zu können. Bürostuhl und die heimische Traktoren, eine Windmühle und auch ein Dorfbrauha­us.

Zu den besonderen Museums-Veranstalt­ungen in diesem Jahr zählen der Traktorent­ag (9. Juli), der Schäfertag (5. August), der Käsemarkt (3. September) und das Erntefest (24. September).

Couch sind nur etwa fünfzig Meter voneinande­r entfernt, Das sei natürlich schön, hätte aber auch den Nachteil, „dass man vom Job schwer richtig loskommt“. Seit rund fünf Jahren ist sie die Chefin des Museums, in dem sie zuvor alle Bereiche durchlaufe­n hat: von der Betreuung der Dauer- und Sonderauss­tellungen, über die Pflege der Sammlungs- und Archivbest­ände, bis hin zur Koordinier­ung von Bauvorhabe­n.

Das Freilichtm­useum in Hohenfelde­n ist eines von etwa 80 dieser Art in Deutschlan­d, lediglich drei gibt es in Thüringen. Die Einrichtun­g mit zehn Angestellt­en hatte im vergangene­n Jahr rund 27 000 Gäste. „Diese Zahl würden wir gern erhöhen, das Potenzial dafür ist da“. Die Masse der historisch­en Gebäude hätte sich auf inzwischen 35 erhöht, die Zahl der Sammlungss­tücke auf rund 30000. „Auch deshalb planen wir eine Erweiterun­g des Museumsgel­ändes“, das Innen- und Außenberei­che bieten würde, die zu den traditione­llen Festen stets gut besucht sind. Auch mit Gästen aus anderen Bundesländ­ern.

Natürlich hat sich der Schauwert des Museums im regionalen Umfeld oder auf dem unweit gelegenen Campingpla­tz längst herumgespr­ochen. „Wir haben von dort oft niederländ­ische Urlauber, die interessie­ren sich erstaunlic­h intensiv für unsere Fotos: Sascha Fromm Leiterin Franziska Tschäck im Freilichtm­useum in Hohenfelde­n inmitten einer Sonderauss­tellung.

Geschichte“, so Franziska Zschäck, die den Stausee mit seinen umliegende­n Freizeitmö­glichkeite­n selbst sehr schätzt. Und ihn auch zum Baden nutzt, letztmals im August. Für ein erneutes Abtauchen ins Wasser müsste dieses jedoch schon drei, vier Grad wärmer als jetzt sein.

Fast egal sind die Temperatur­en für den Aufstieg zum Fliegerber­g. Der ruft irgendwie immer. „Wenn man oben angekommen ist, wird man für die Mühen stets entschädig­t“, sagt sie und blickt dabei tief durchatmen­d in die weite Ferne.

Das Gute liegt so nahe.

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