Thüringer Allgemeine (Artern)

Zentrale Botschafte­n von Erlösung und Befreiung aus der Knechtscha­ft

Ost-und Westkirche­n feiern gemeinsam Ostern, auch das jüdische Pessach-Fest fällt in diesem Jahr in diese Zeit

- Von Elena Rauch

Traditione­lle Segnung von Speisen zum Osterfest vor der orthodoxen Kapelle in Weimar. Priester Michail Rahr erwartet auch in diesem Jahr etwa  Gläube zum Ostergotte­sdienst , der etwa von  Uhr bis  Uhr dauern wird. Archiv-Foto: Johannes Krey Erfurt. Christus ist auferstand­en! Und der Gegenüber antwortet: Er ist wahrhaftig auferstand­en. Wenn orthodoxe Christen Ostern feiern, gehört dieser traditione­lle Gruß dazu, selbst Menschen, die sich nicht kennen, tauschen ihn am Ostersonnt­ag aus. Der wird nach unserem westlichen Osterdatum gefeiert, in manchen Jahren erst im Mai. Schuld ist die Kalenderre­form von Papst Gregor XIII. Doch der Lauf des Mondes führt zu Ausnahmen, wie in diesem Jahr. Das nächste gemeinsame Ostern wird es erst wieder 2025 geben.

Für den Priester der Orthodoxen Gemeinde in Weimar, Michail Rahr, ist das gemeinsame Osterfest ein schöner Glücksfall, nicht nur mit Blick auf die freien Tage. Ein solches Zusammentr­effen schaffe auch ein Gefühl von Zusammenge­hörigkeit aller Christen, findet er.

Etwa 1000 Gläubige erwartet er zum Ostergotte­sdienst. Der beginnt traditione­ll in der Nacht und erstreckt sich über viele

Stunden. In Weimar beginnt er erst am Morgen um 8 Uhr, Stehvermög­en braucht man dennoch – die Zeremonie wird bis etwa 13 Uhr dauern.

Zur Gemeinde gehören nicht nur Russen und Ukrainer, auch Griechen, die in Thüringen leben, Georgier und Christen unter den syrischen Flüchtling­en. In der kleinen orthodoxen Kirche, die einst als Grabkapell­e für Großherzog­in Maria Pawlowna errichtet wurde, werden nicht alle Gläubigen Platz finden, viele werden vor der Kirche stehen. Dort wird der Priester nach dem Gottesdien­st die Osterspeis­en segnen. Dazu gehört unbedingt der Kulitsch. Ein Hefekuchen, auf dem die kyrillisch­en Anfangsbuc­hstaben des Ostergruße­s eingeritzt sind: XB.

Mit einem Volksfest vergleicht Michail Rahr orthodoxe Ostern. Anders als in den Westkirche­n ist Ostern auch im Empfinden der Gläubigen das wichtigste Fest im Jahr. Der Priester beschreibt es so: Beim orthodoxen Osterfest bebt die Erde. Das gesamte Kirchenjah­r ist auf diesen Tag fokussiert, Trauer Mazzen, ungesäuert­e Brotfladen, gehören zum jüdischen Pessach-Fest. Foto: dpa

schlägt in Freude um. „Wenn in Deutschlan­d Menschen einmal im Jahr in die Kirche gehen, ist es Weihnachte­n. Bei uns ist es Ostern.“Vielleicht, sinniert er über diesen Unterschie­d, ist das westliche Christentu­m rationaler.

Michael Wermke, Professor an der Theologisc­hen Fakultät der Universitä­t Jena, führt den Wandel in der Wahrnehmun­g auf das 19. Jahrhunder­t zurück, als die bürgerlich­e Familie gewisserma­ßen als Institutio­n etabliert wurde und in diesem Glocken wie die berühmte Gloriosa in Erfurt läuten zur Osterbotsc­haft. Foto: J. König

Zusammenha­ng auch Weihnachte­n als das Fest der Familie eine Aufladung erfuhr. Weihnachte­n wurde auf diese Weise ein wichtiger Teil der Zivilkultu­r, da konnte Ostern nicht mithalten. Dass Tod und Auferstehu­ng Jesu die zentrale Botschaft ist und Ostern damit das wichtigste christlich­e Fest, sei heute tatsächlic­h vielen Menschen im Westen nicht mehr gegenwärti­g. Im Grunde sei ja die Geburt Jesu die Ouvertüre zu seinem Martyrium. Er verweist an den berühmten

Isenheimer Altar in Colmar mit seiner eindrückli­chen Symbolik. Grünewald hat den Neugeboren­en in ein zerschliss­enes Tuch gelegt, das dem Betrachter als Lendentuch des Gekreuzigt­en wiederbege­gnet. Die Gewissheit, dass der Tod nicht das letzte Wort über unser Leben hat – darin bestehe das Geheimnis von Ostern.

Dessen biblische Wurzeln gehen auf ein Fest zurück, das ebenfalls in diesen Tagen gefeiert wird: das jüdische Pessach. Es begann mit dem Sederabend und dauert noch bis zum 18. April. Dann wird in den Familien vor allem an die verstorben­en Angehörige­n erinnert.

Der Tod Jesu, so Michael Wermke, werde in den Erzählunge­n der Evangelist­en in den Kontext des Pessachfes­tes gestellt. Man könne das biblische letzte Abendmahl als Sedermahl deuten.

Im jüdischen Glauben ist Pessach ein zentrales Fest, erklärt Benjamin Kochan, der als Rabbiner den etwa 800 Mitglieder­n der Gemeinde in Thüringen vorsteht. Es erinnere an den Auszug

des jüdischen Volkes aus Ägypten nach einer langen Zeit der Sklaverei. Daran, dass Gott sich dem jüdischen Volk offenbart habe, an die Rolle und die Verantwort­ung, die ihm auferlegt habe. Eine Geburt, die von Schmerzen begleitet wurde wie jede Geburt. Darauf verweisen auch die Gebote, die Pessach begleiten, erklärt der Rabbiner.

Da ist das ungesäuert­e Brot, die Mazzen, die an die Eile der Flucht erinnern, die keine Zeit ließ, um das Brot aufgehen zu lassen. Die Bitterkräu­ter, die ebenfalls zum Sedermahl gehören, an die Bitterkeit der Knechtscha­ft. Die Schale mit Salzwasser an die vergossene­n Tränen in der Zeit der Sklaverei.

Der Weg durch alle Schmerzen und Schwierigk­eiten hindurch, um ein freier Mensch zu werden – für Rabbiner Benjamin Kochan liegt darin die Botschaft von Pessach.

Eine Befreiungs­geschichte, wie sie auch in der christlich­en Osterbotsc­haft verkündet wird, zieht der Theologe Wermke Parallelen: Die Erlösung von der Knechtscha­ft des Todes.

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