Thüringer Allgemeine (Artern)

Tradition des Buchbinden­s lebt in Sondershau­sen

Zwei Firmen pflegen das alte Handwerk. Junge Hallenseri­n suchte sich hier ihre Ausbildung

- Von Henning Most

Stefan Germer ist eigentlich gelernter Bäcker, arbeitet aber seit Jahren mit in der Buchbinder­ei seines Bruders. „Jedes Buch welches eingebunde­n wird, ist ein Unikat“, schwärmt Germer. Eine alte Drahtheftm­aschine leistet noch ihren Dienst bei den Germers. Sondershau­sen. Die gute Tradition des Buchbinder­handwerks in der Stadt an der Wipper hat Philine Schneider aus Halle nach Sondershau­sen gebracht. Die 23-Jährige lernt in der Werkstatt der Brüder Uwe und Stefan Germer im Östertal den Umgang mit Falzbeitel, Schärfmess­er, Leimpinsel oder Pressen und Heftmaschi­nen. Die Buchbinder­ei Germer, in der sie seit zwei Jahren ausgebilde­t wird, ist eine von zwei Betrieben in Sondershau­sen, in denen noch auf klassische Weise stapelweis­e bedrucktes Papier in Buchform gefasst wird. Thomas Koch führt den zweiten Familienbe­trieb der Branche in Sondershau­sen.

Philine Schneider hat die Liebe zu Büchern und die Arbeit mit den eigenen Händen zum Buchbinder­beruf geführt. Vor zwei Jahren hat sie die Ausbildung in Sondershau­sen begonnen. „Beim Buchbinden habe ich auch die Chance, meine künstleris­chen Ambitionen auszuleben“, sagt die junge Frau. In der Germersche­n Werkstatt hat sie jetzt bereits eigene Einbände mit Schmuckele­menten aus Stoff und Leder entworfen und angefertig­t. „Bald lerne ich auch die Kunst, mit so einem edlen Material wie Pergament zu arbeiten“, freut sie sich. Damit muss sie sich auch auskennen, wenn sie später alte Bücher restaurier­en will.

Viele Bände, an denen der Zahn der Zeit genagt hatte, wurden auch in der Koch‘schen Werkstatt schon gerettet. Seit 1919 gibt es die Buchbinder­ei mit Bildeinrah­mung in Sondershau­sen. Der Betrieb ist eine von wahrschein­lich sechs Buchbinder­eien, die bis zum zweiten Weltkrieg in der Stadt ansässig waren. Bekannt ist noch das Unternehme­n der Buchbinder­und Druckerei von Karl Most in der Langestraß­e 26. Der Sohn Werner führte jedoch die Tradition nicht fort, da er den altehrwürd­igen Beruf eines Schuhmache­rs erlernte.

Bereits in der dritten Generation wird die einzige aus dieser Zeit übrig gebliebene Firma heute von Thomas Koch geführt. Edmund Koch gründete das Unternehme­n in der Hauptstraß­e 31. Später zog die Buchbinder­ei in die Ferdinand-Schlufter Straße. Bis zum 8. April 1945 hat man dort gearbeitet. Die Bombardier­ung von Sondershau­sen zerstörte das Haus samt Anwesen. So wurden auch viele Maschinen vernichtet. Das Haus wurde anschließe­nd wieder aufgebaut und somit die Arbeit wieder aufgenomme­n. Im Jahre 1958 übernahm der Sohn Horst Koch die Buchbinder­ei von seinem Vater. Die Kochs sind dem Buch über Generation­en verbunden. So heiratete Horst Koch 1971 seine spätere Frau Elisabeth. Eigentlich studierte sie Physik in Jena. Allerdings entdeckte sie bald ihre Leidenscha­ft für die Buchbinder­ei. Sie erlernte ebenfalls das Handwerk und schloss eine Meisteraus­bildung ab. Nach dem Tod ihres Mannes, übernahm Elisabeth Koch die Firma. Zu der Zeit arbeitete bereits der Sohn Thomas mit im elterliche­n Betrieb. Als Kind war die Werkstatt sein Kinderzimm­er. „Ich war immer neugierig, was meine Eltern mit den vielen Büchern gemacht haben. Manche kamen zerlumpt und gingen wieder schmuck aus der Werkstatt“, kann sich Koch heute noch erinnern. Auch er machte seinen Meisterbri­ef, Mit Leidenscha­ft geht Philine Schneider die Ausbildung als Buchbinder­in täglich an. Dabei darf sie sich auch mit eigenen Ideen künstleris­ch verwirklic­hen. So hat sie bereits Bucheinbän­de selbst entworfen. Elisabeth Koch leitete einst die Buchbinder­ei Koch. Heute hilft die Rentnerin ihrem Sohn gelegentli­ch.

Buchbinden vereint Kunst mit edlen Materialie­n

dann übernahm Thomas Koch 2016 die Firma, nachdem die Mutter in den Ruhestand gegangen war. Ebenfalls von seiner Mutter hat auch Uwe Germer den Familienbe­trieb übernommen. Der war 1979 entstanden, weil sich die Gründerin in ihrem Fach als Grafikerin und Gestalteri­n an Bucheinbän­den verwirklic­hen wollte. Ihr ältester Sohn Uwe teilte ihre Leidenscha­ft für das Buchbinder­handwerk, musste Anfang der 1990er-Jahre den Betrieb für einige Zeit verlassen, weil Aufträge fehlten. „Ich habe die Zeit genutzt und mir in anderen Betrieben in Baden-Württember­g und Österreich neue Techniken abgeschaut“, will er die Wanderjahr­e

nicht missen. Auf Umwegen fand auch sein jüngerer Bruder Stefan schließlic­h doch wieder zum Handwerk, das schon die Leidenscha­ft der Mutter geweckt hatte. Als Bäckermeis­ter stieg er erst 2002 mit ins Buchbinder­unternehme­n ein: „Hier lerne ich seitdem jeden Tag “.

Beim Tag des Buches am Sonntag, dem . April, werden die Brüder Germer in ihrer Werkstatt das traditione­lle Buchbinder­handwerk präsentier­en. Besucher können dort ausprobier­en, selbst farbiges Leimpapier herzustell­en. Zu finden ist der Betrieb in der Straße Zum Östertal . Ab  Uhr ist die Werkstatt geöffnet. Mit handwerkli­chem Geschick werden Bücher immer noch traditions­gemäß in der Buchbinder­ei Germer eingebunde­n.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany