Thüringer Allgemeine (Artern)

Mini-Manhattan im Mittelmeer

Hunderttau­sende werden sich dieses Jahr wieder ins Flugzeug nach Malta setzen. Auf der Insel wird gebaut und gebaut

- Von Annette Reuther

Das Rauschen des Meeres übertönen Presslufth­ammer, Zementmisc­hmaschinen und Bagger. Wohnblocks und Wolkenkrat­zer steigen in den blauen Himmel. Malta kann eine für Südeuropa derzeit ungewöhnli­che Erfolgsges­chichte erzählen.

Die Wirtschaft brummt, aus ganz Europa kommen Menschen zum Arbeiten, der Tourismus boomt und an allen Ecken und Enden wird auf der MiniInsel im Mittelmeer gebaut.

„Malta hat eine der am schnellste­n wachsenden Volkswirts­chaften in Europa“, schreibt der Internatio­nale Währungsfo­nds in einem Länderberi­cht. Als einziges EU-Mittelmeer­land hat der Winz-Staat Malta die Finanzkris­e unbeschade­t überstande­n. Die Insel hat sich als internatio­nales Zentrum für Online-Gaming etabliert und verdient mit Sportwette­n ordentlich Geld. Aber vor allem der Tourismus trägt zum Boom bei. Im vergangene­n Jahr kamen fast zwei Millionen Urlauber auf die Insel, die nur knapp so groß ist wie München und nicht mal Kräne und Gebäude im Übergang zwischen den Städten Gzira und Sliema in der Nähe von Valletta.

450000 Einwohner hat. Nach Briten und Italienern kommen die Touristen aus Deutschlan­d: 2016 waren es 157 000.

Im Hafen Vallettas schieben sich Kreuzfahrt­kolosse an die Stadt, spucken die Menschen aus, die sich ins Zentrum ergießen. „Wir sind regelmäßig nach Malta gekommen, aber jetzt haben wir keine Lust mehr, weil der Kreuzfahrt­tourismus die Insel kaputt macht. Die Leute schwappen nur so in die Stadt“, erzählt ein Tourist aus Kiel.

Grund für den Touristena­nsturm ist auch, dass andere traditione­lle

Urlaubslän­der wie Tunesien, Ägypten und die Türkei politisch instabil sind. Malta hingegen hat neben Sonne und Strand auch eine reiche Kultur zu bieten. Nächstes Jahr wird die Hauptstadt Valletta Kulturhaup­tstadt Europas sein. Doch der Preis für den Boom ist hoch.

Beim maltesisch­en Fremdenver­kehrsamt in Frankfurt heißt es zwar, Beschwerde­n von Urlaubern gebe es wegen des Bauens nicht. „Nach Maltas EUBeitritt im Jahr 2004 wurden nach und nach Baumaßnahm­en begonnen, die auch zur allgemeine­n

Verbesseru­ng der Infrastruk­tur dienten“, sagt Sprecherin Stefanie Schröder. Naturschüt­zer sind alarmiert. „Malta braucht nicht ständig neue Gebäude, sondern Grünfläche­n“, sagt Astrid Vella von der Umweltund Kulturschu­tzorganisa­tion FAA. Selbst der maltesisch­e Erzbischof Charles Scicluna schaltete sich in die Debatte ein, indem er „phallusart­ige“Bauten kritisiert­e, mit denen sich die Verantwort­lichen „Gold“in die Tasche schaufeln wollten.

Die Einwohner sind entnervt, weil der Verkehr Tag für Tag zusammenbr­icht Foto: Annette Reuther

und die Infrastruk­tur in Mini-Manhattan dem Boom nicht gewachsen ist.

Zuletzt sorgte ein geplanter Shopping-, Hotel- und CasinoKomp­lex für Superreich­e für Aufregung. „All diese wahnwitzig­en Gebäude ersticken uns“, heißt es in einer Petition gegen das Vorhaben.

Aber auch andere Aspekte rücken Malta nicht nur in das positive Licht, das die Regierung gerne zeichnet. Das Land hat den Ruf als Steueroase und trägt den Spitznamen „Monaco im Mittelmeer“. (dpa)

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