Nazi-Parolen und Sitzblockade
Demonstrationen von Rechten und Linken halten Gera am Mai-Feiertag in Atem
Im Zentrum von Gera standen sich Hunderte Gegendemonstranten und die Anhänger der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“unmittelbar gegenüber. Mehrere Hundertschaften sicherten die Demonstrationen und Kundgebungen ab. Aus Sicht der Polizei blieb es in Gera weitgehend friedlich. Foto: Peter Michaelis Gera. „Wir lassen uns nicht aus der Stadt drängen.“Das stellte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) gestern auf der Gewerkschaftskundgebung unmissverständlich klar. Der 1. Mai sei nach wie vor der Tag der Arbeit und der Gewerkschaften und nicht der von Leuten, die Hass und Hetze verbreiten. Nie wieder Faschismus und Krieg, rief der Linken-Politikerden Geraern zu und erntete dafür viel Beifall.
„Jegliche Extremisten haben in unserer Stadt keinen Platz“, betonten auch Oberbürgermeisterin Viola Hahn (parteilos). Wolfgang Lemb, IG Metall Bundesvorstand, rief den „Faschisten und Nationalisten“zu: „Haut ab, euch will keiner hier haben.“
Noch schärfer formulierte es der stellvertretende DGB-Chef Hessen-Thüringen, Sandro Witt. Er forderte entschiedenen Widerstand gegen die rechte
„Schlägertruppe“, die sich nun Partei nenne. Die massive Kritik entzündete sich am Aufmarsch der rechtsextreme Partei „Der III. Weg“in Gera. Zu ihrer Kundgebung waren laut Polizei etwa 400 Teilnehmer angereist. Die meisten von ihnen stammten aus dem Neonazispektrum. Doch Gera zeigte gestern Gesicht. 800 Demonstranten protestierten gegen den Aufmarsch. Weitere 400 Menschen hatten sich zur Maikundgebung von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Parteien und Vereinen im Stadtzentrum versammelt. Dass die Arbeitgeber am 1. Mai gemeinsam mit Gewerkschaften aufgetreten sind, ist ein Novum für Thüringen.
„Nazis raus“und „haut ab“brüllten die Demonstranten den Neonazis entgegen. Am Stadtmuseum standen sich beide Seiten
auf Hörweite gegenüber. Mehrere Hundertschaften der Polizei aus Thüringen aber auch aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern hatten die Situation jederzeit im Griff.
Mancher Protest war angesichts des verbalen Schlagabtauschs geradezu leise. Gerhard Paulus aus Jena spielte beispielsweise auf seiner Posaune „Freude schöner Götterfunken“. Er möchte die Geraer bei ihren Protesten unterstützen, erklärte er sein Spiel. „Ich hoffe, dass sie auch zu uns kommen, wenn es wieder mal so weit ist“, fügte der Hobbymusiker noch an.
Etwa 200 Gegendemonstranten versperrten mit einer Sitzblockade den Anhängern des rechtsextremen Aufzugs den Weg. Die Polizei entschied sich für Deeskalation und leitete den Aufmarsch der Neonazis um.
Am späten Nachmittag sprach die Polizei in Gera von einem weitgehend friedlichen Verlauf der Mai-Veranstaltungen in der Stadt. Vier Platzverweise wurden ausgesprochen,
vier Ordnungswidrigkeiten angezeigt. Die Beamten nahmen aber auch sieben Strafanzeigen auf, wegen Körperverletzung und Beleidigung, wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Widerstandes gegen Polizisten. So fanden Beamte in sieben Fällen
Messer, die verboten sind. Kritisch war es nur einmal geworden: als Gegendemonstranten versucht hatten, eine Polizeisperre zu durchbrechen. Die Beamten setzten Pfefferspray ein, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Posaunenspiel aus Protest gegen die Neonazis