Terror kehrt nach Brüssel zurück
Belgien schrammt nur knapp an einer Katastrophe vorbei, weil der Attentäter seine Bombe nicht richtig zünden konnte
Soldaten patrouillieren in Brüssel vor dem Zentralbahnhof. Touristen sind befremdet, die Einheimischen haben sich an den Anblick gewöhnt. Brüssel. Die Militärstreifen – zwei, drei oder vier Soldaten im Kampfanzug und mit Maschinenpistolen vor der Brust – gehören mittlerweile zum Brüsseler Stadtbild. Viele Touristen sind irritiert, aber die Einheimischen haben sich daran gewöhnt. Am Dienstagabend wurde ihnen jäh in Erinnerung gerufen, dass die martialische Vorsichtsmaßnahme durchaus nicht überflüssig und mehr als nur Symbolik ist: „Wir sind einem Terrorattentat entgangen“, sagt Regierungschef Charles Michel.
Die Sicherheitskräfte schossen am Brüsseler Zentralbahnhof einen Mann nieder, der einen Anschlag mit potenziell verheerenden Folgen geplant hatte. Die Nachricht löste kurzfristig Panik an zentralen Plätzen der Innenstadt aus. Belgien bleibt in Alarmbereitschaft – ein vom Terror bedrohtes Land, das es sich nicht leisten kann, zur Normalität von einst zurückzukehren.
So musste Premierminister Michel ein weiteres Mal Unbeugsamkeit demonstrieren. „Wir lassen uns nicht vom Terrorismus einschüchtern“, erklärte Michel am Mittwochmorgen. „Wir werden immer unsere Werte der Freiheit und der Demokratie verteidigen.“Am Vorabend gelang das nur mit knapper Not und dank glücklicher Umstände. Es war kurz vor 21 Uhr, als ein Bediensteter der belgischen Eisenbahngesellschaft SNCB Alarm schlug: Ein Rollkoffer explodiert. Niemand wurde verletzt, aber das Gepäckstück hatte Feuer gefangen und detonierte kurz darauf ein zweites Mal. Der Besitzer des Koffers, der zwischenzeitlich auf einen tiefer gelegenen Bahnsteig gelaufen war, kam laut schreiend zurück und attackierte eine Militärstreife. Der angegriffene Soldat streckte den Mann nieder. Er erlag wenig später seinen Verletzungen.
Mutmaßungen, der Täter habe einen Sprengstoffgürtel getragen, bestätigten sich nicht. Ein Augenzeuge berichtete aber, der Mann habe „Allahu Akbar!“– Gott ist groß – gerufen. Noch vor Mitternacht bestätigte die Der Sprengsatz explodierte am Dienstag wegen handwerklicher Fehler nicht vollständig Foto: dpa Staatsanwaltschaft, dass sie den Vorfall als Terrorakt werte.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war der Täter ein 36jähriger Marokkaner aus dem Brüsseler Problemviertel Molenbeek, wo immer wieder islamistische Terroristen Unterschlupf fanden, ein teilweise sympathisierendes Umfeld und eine ungestörte Basis für die Vorbereitung von Anschlägen gefunden haben. Der Mann sei der Polizei wegen eines Drogendelikts bekannt gewesen, hieß es. Über Verbindungen zum terroristischen Milieu hätten keine Erkenntnisse vorgelegen. März 2016: Drei Selbstmordattentäter reißen am Brüsseler Flughafen und in der U-Bahn insgesamt 32 Menschen mit in den Tod.
Mai 2014: Bei einem Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel erschießt ein französischer Islamist vier Menschen. Er wird in Frankreich verhaftet. Foto: dpa
Letztlich bewahrte offenbar nur das handwerkliche Ungeschick des Attentäters, dessen Namen später mit Oussama Zariouh angegeben wurde, die Bahnhofsbesucher vor einer Katastrophe: Die Polizei fand in dem Rollkoffer eine mit Nägeln bestückte Splitterbombe. Dem Täter sei es lediglich nicht gelungen, den Sprengsatz richtig zu zünden. „Es ist eindeutig, dass er einen viel größeren Schaden anrichten wollte“, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Michel spendete den Sicherheitsdiensten großes Lob. Das Militär habe „angesichts einer extrem gefährlichen Notsituation mit viel Kaltblütigkeit und Professionalismus“seine Arbeit getan. Die Eisenbahngesellschaft zeigte sich erleichtert. 2016 hatte es große Abstimmungsprobleme zwischen der Transportgesellschaft und dem Sicherheitsapparat gegeben.
Für zwei Konzerte der britischen Popgruppe Coldplay, zu denen am Mittwoch- und Donnerstagabend 100 000 Besucher ins Stadion Baudouin kommen wollten, wurden keine zusätzlichen Vorkehrungen getroffen. „Man kann nicht für jedes Ereignis spezielle Maßnahmen ergreifen“, begründete Innenminister Jan Jambon dieses.
Der angegriffene Soldat eröffnete das Feuer