Zehn halten durch
Ein Jahr hat die bundesweit beachtete Flüchtlingsklasse des Autohauses Peter hinter sich. Eine Bilanz
Nordhausen. Plötzlich richteten sich die Augen der Republik auf Nordhausen. Eine ganze Klasse voll mit Lehrlingen, die aus anderen Ländern geflüchtet sind. Das gab es in Deutschland noch nicht. Helmut Peter aber scheute nicht zurück, das Wagnis einzugehen. Mit seinen Beziehungen zum Thüringer Regierungschef, zu den Berufsschulen, zur Agentur für Arbeit, zum Handwerk spannte er sich vor den Karren. Mit großer Pressekonferenz und allem drum und dran.
Ein Jahr danach. „Das ist der Tag, an dem man erntet“, sagt der Unternehmer. Von 15 Jungs sind 10 geblieben. Einige gingen, weil sie bei der Familie sein wollten, andere wurden – auch das gehört zur Realität – abgeschoben. Aktuell hat wieder ein Junge den Bescheid bekommen.
Peter ist dennoch zufrieden. Wesentlich besser als gedacht habe sich die Sache entwickelt. „Die Zeugnisse können sich mit denen der deutschen Kollegen messen“, meint Berufsschullehrer Rainer Sturm. Und betont, dass die Leistung vollständig dieselbe sein muss. Es gebe keine Abstriche.
Zum Jubiläum ist Bodo Ramelow in die Straße der Genossenschaften gekommen. Ihm erzählt Salama (20) aus Syrien, wie er morgens halb sechs in Heiligenstadt aufsteht und nach Nordhausen erfährt. Ibrahim (22) aus Syrien durfte vor drei Monaten endlich Frau und Kind aus der Türkei nachholen, sah sie nach eineinhalb Jahren wieder. Biniam (28) aus Eritrea ist überzeugt, alles schaffen zu können, wenn man es nur will. Anton, der Christ aus Syrien, dessen Vater Josef heißt, hat schon den Lkw-Führerschein gemacht.
Hinter allen Männern stecken Geschichten. „Ich bin stolz, ihnen eine Perspektive gegeben zu haben“, meint Helmut Peter. „Es Helmut Peters Kfz-Lehrlinge aus verschiedensten Ländern haben das erste Jahr geschafft. Nun werden sie auf deutsche Klassen verteilt.
war ein Sonderweg“, ergänzt der Ministerpräsident. Einer, auf den alle schauten. Einer, der funktioniert, weil alle mitziehen. „Kein einziger Kollege hat die Hände gehoben und alles auf den Tisch gepackt, was nicht funktionieren könnte“, lobt Ulrich Preiß.
„Aber voriges Jahr um die Zeit hatte ich einen Riesenrespekt vor der Aufgabe“, räumt Kollege Rainer Sturm ein. Ihm zur Hand geht ein Mitarbeiter des Lift-Vereins. Zusammen haben sie die Flüchtlinge zum ersten Zeugnis geführt. Deutsch können sie schon gut und werden deshalb ab kommendem Schuljahr nicht mehr in einer Klasse sitzen, sondern auf andere verteilt.
Achit Tölle, bei Peter für die Ausbildung zuständig, weiß: „Hier in Nordhausen, in der Provinz,
klappt so etwas viel besser als in den Großstädten.“
„Wir tun es aber nicht nur für die geflüchteten Menschen“, fügt der Chef der Arbeitsagentur, Karsten Froböse, hinzu. In den nächsten Jahren gingen ein Fünftel aller Arbeitnehmer im Südharz in Rente. Man müsse die Arme und Herzen öffnen.
Der Schulleiter nutzt die Vorlage. Auch in seiner Schule werde der Personalmangel akut, erinnert er den Ministerpräsidenten. Der weiß das, spricht von der „größten Verrentungswelle“seit der Wende. Das Problem ist erkannt, aber die Lösung?
Da überrascht einer der Lehrlinge mit der Nachricht, er habe eine Nachricht erhalten: die Abschiebung. Ramelow stutzt.
Und sagt zu, sich zu kümmern. Viel Geld und Energie stecken
Staat und private Unternehmer wie Helmut Peter in die Ausbildung und Integration der jungen Leute. Verbranntes Geld, wenn ausgerechnet die Besten wieder weggeschickt werden. Auch an der Hochschule besuchte Ramelow gestern eine Klasse. In ihr lernen Flüchtlinge, die schon einen Studienabschluss haben, Deutsch. Sie werden auf ein weiteres Studium vorbereitet. Das Projekt mit jährlich wechselnden Teilnehmern läuft zunächst bis 2018. Fotos: Marco Kneise Ministerpräsident Bodo Ramelow im Gespräch mit einem Auszubildenden, der zwar gute Noten hat, aber nun abgeschoben werden soll.