Wahlprogramme bekommen ein Gesicht
Die Qualität des Bildungssystems darf nicht nur an der Abiturquote gemessen werden. Deswegen ist die duale Ausbildung so wichtig. Wir können uns keinen einzigen Schul- oder Ausbildungsabbrecher leisten. Dafür müssen wir zunächst unsere Jugendlichen qualifizieren. Zudem glaube ich, dass wir viele Zuwanderer in den Arbeitskreislauf integrieren können. Das ist aber kein Selbstläufer. Unabhängig davon brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz.
Eine Steuerreform stand bisher nicht auf der Tagesordnung der Koalition. Durch den Brexit und die Niedrigsteuerpläne von Trump wird sie zwingend. Einkommensteuer und Körperschaftssteuer müssen so reformiert werden, dass die Rechtsformneutralität im Steuerrecht gewährleistet ist. Der Haushalt ist seit 2014 ausgeglichen. Es gab keine Steuererhöhung und wird mit uns auch keine geben. Den Solizuschlag wollen wir schrittweise abschaffen.
Im Steuerrecht wurde in der zurückliegenden Legislatur viel Bürokratie abgebaut. Ich nenne nur die Belegaufbewahrungsfristen oder die Erhöhung der Freibetragsregeln. 50 Prozent der Steuerfälle können digital mit dem Finanzamt abgewickelt werden. Es bleibt dennoch ein Dauerthema. Ich bin für die „one in, one out“-Regel – für jede neue Regel müssen wir eine alte abschaffen. Angesichts vieler neuer europäischen Regeln ist das schwer genug.
Die Wertschätzung der Unternehmer ist in der CDU ganz ausgeprägt. Wir haben viele Unternehmer in der Fraktion. Die Kompetenz geht allerdings in Koalitionen schon mal verloren. Man kann nur das machen, was man in einer Koalition umsetzten kann. Die letzten vier Jahre in der großen Koalition sind sicher gut gelaufen. Die Rente mit 63 oder der Mindestlohn, wo Unternehmer vielleicht andere Erwartungen an uns hatten, sind der Koalition geschuldet. Die SPD hat ein Einwanderungsgesetz nach klaren Nützlichkeitskriterien vorgelegt, das wurde abgelehnt. Das ist ein Fortschrittsthema, weil anders der Fachkräftebedarf nicht zu decken sein wird. Den Mangel sehen wir auch an den Überstunden, in der Pflege, in der Gastronomie. Aus Ostdeutschland gehen viele junge Leute weg. Zudem brauchen wir digitale Geschäftsmodelle, deren Gewinn bei uns bleibt. Viele Plattformen stehen in den USA.
Wir halten an der Reichensteuer für Einkommen ab 250 000 Euro fest. Den Milliarden-Überschuss im Haushalt wollen wir in die Binnennachfrage stecken. Kleine und mittlere Einkommen sollen steuerlich entlastet werden. Für Einkommen bis 52 000 Euro Brutto-Jahreseinkommen (verheiratete 100 000 Euro) wird der Solizuschlag abgeschafft. Der Spitzensteuersatz steigt von 52000 auf 60 000 Euro. Das ist unsere Antwort auf die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland.
Mit Vernunft und Sachverstand durch die Welt gehen, hilft meistens. Gesetze, die gemacht werden, müssen auch eingehalten werden. Zum von den Grünen vorgeschlagenen Wassercent hat sich SPD-Wirtschaftsminister Tiefensee klar positioniert: er wird nicht eingeführt. Auch beim Klimagesetz mahnen wir zur Zurückhaltung. Die Einführung des Mindestlohnes galt mal als Untergang des Abendlandes. Nichts ist passiert. Aber 200 000 Thüringer verdienen jetzt mehr.
Ich schätze das Unternehmertum sehr. Ich bin mir sicher, dass das die meisten so sagen. Auch dafür ist ein Unterrichtsfach Wirtschaft an der Schule, das Wirtschaftskompetenzen und -zusammenhänge vermittelt, wichtig. Wie andere warne allerdings auch ich vor der Überforderung der Schule. Am besten sollen die Kinder auch noch Hauswirtschaft und Kochen lernen. Die Schule darf nicht der Notbetrieb für das sein, was die Familien nicht leisten. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das einfach ist. Es gibt 27 Wege, zu uns zu kommen, das ist absurd. Es geht nicht nur um Eliten. Auch Handwerker müssen zum Zuge kommen. Die Grünen haben dazu ein Punktesystem vorgelegt. Viele Flüchtlinge können etwas, wenn sie Deutsch lernen und eine Ausbildung machen. So können sie zu Zuwanderern werden. Wir müssen flexibler werden und mehr Frauen ein Berufsleben ermöglichen.
Wer mehrere Millionen hat, ist superreich und sollte mehr zur Erfüllung staatlicher Aufgaben beitragen. Das ist gerecht. Wir wollen die unteren Einkommen entlasten, indem wir ihnen bei den Sozialbeiträgen helfen, zum Beispiel bei der Kranken- oder bei der Rentenversicherung. Die staatlichen Überschüsse müssen in die Infrastruktur fließen, um den gigantischen Investitionsstau bei Schulen, Kitas, der Bahn oder beim schnellen Internet abzubauen.
Existenzgründer brauchen eine Bürokratiepause. Beantragungen müssen mehr digitalisiert werden und zugleich sicher sein. Wir sind noch ein Land, in dem so etwas ewig dauert. Nicht verzichten werde ich auf Standards für die Verbraucher. Wir haben in Deutschland ein Vorsorgeprinzip, deshalb bekommen Betroffene des Dieselskandals ja auch keine Entschädigung. Die Standards müssen kontrolliert werden. Gleiches gilt für die Arbeitszeit beim Mindestlohn.
Ich finde ein Fach Wirtschaft an unseren Schulen gut. Ebenso sinnvoll ist es, den Erfolg der dualen Ausbildung auf die Unis zu übertragen, um den praktischen Anteil zu stärken. Apropos Wirtschaftskompetenz: Umweltschäden richten gigantische ökonomische Schäden an, in den letzten zehn Jahren hat sich die Summe vervierfacht. So zu tun, als wäre Klimaschutz eine Belastung der Wirtschaft, finde ich absurd. Ökonomie und Ökologie gehören zusammen. Unser Zuwanderungskonzept sieht vor, dass Fachkräfte nach Bedarf angeworben werden sollten. Von einem Punktesystem nach Nützlichkeit halten wir nichts. Als meine Eltern vor 40 Jahren nach Deutschland kamen, galt das Prinzip „First come, first served“(Wer zuerst kommt, malt zuerst). Für eine bessere digitale Ausbildung braucht es an Schulen und Universitäten eine stärkere Ausrichtung zur Digitalisierung und eine bessere Ausstattung.
Wir wollen mittlere und untere Einkommen entlasten. Mit uns wird es eine Vermögenssteuer und eine Erbschaftssteuer geben, wer mehr als eine Millionen Euro verdient, muss mehr bezahlen. Das Geld fließt in Investitionen zum Beispiel im Bereich Bildung. Öffentliche Beschäftigungsmaßnahmen sind sinnvoll. Das nützt Langzeitarbeitslosen und Flüchtlingen. Gegen die schwarze Null im Haushalt spricht, dass Investitionen konstant getätigt werden müssen.
Viele Antragsverfahren werden als zu kompliziert empfunden, so dass man vielleicht sogar externe Fachkräfte für den Durchblick braucht. Auf keinen Fall darf es aber den Bürokratieabbau beim Mindestlohn oder beim Verbraucherschutz geben, das muss kontrolliert werden. Ganz elementar ist das auch im Bereich der Finanzdienstleistungen. Rentner sind von gewissen Bankern hinters Licht geführt worden. Es gibt Regeln, die eingehalten werden müssen.
Ein Fach Wirtschaft an Schulen ist notwendig. Es darf aber nicht nur einseitig gelehrt werden. Ich denke da an die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die ideologisch nur in eine Richtung gehen möchte. Man kann es ausgewogen gestalten, indem auch gewerkschaftsnahe Institute einbezogen werden. An der Uni Erfurt haben Studenten selbst ein Fach „Soziales Ingenieurwesen“als Seminar gestaltet und sich dazu Praktiker eingeladen. So etwas fehlt bisher. Die Zuwanderung löst das Problem nicht. 97 Prozent haben keinen Berufsabschluss und nur 13 Prozent sprechen gebrochen Deutsch. Im AfD-GrundsatzProgramm steht die Forderung nach einer Zuwanderung nach kanadischem Vorbild. Ich bin da skeptisch: Indem wir Fachkräfte aus Dritte-Welt-Staaten zu uns holen, schaffen wir die Fluchtursachen von übermorgen. Für mich ist das eine asoziale, neokolonialistische Politik. Wir müssen es selber richten.
Wir fordern eine drastische Senkung der Steuern und wir würden sie im Gegensatz zur FDP auch umsetzen. Im Topf sind 800 Mrd. Euro bei den TargetSalden, 150 Mrd. Euro für südeuropäische Staaten und 50 Mrd. Euro für die Flüchtlingshilfe. Das ist genügend Spielraum. Eine Umsatzsteuersenkung um 7 Prozent muss her, das entlastet jeden Verbraucher. Investitionen sind Sache der Unternehmer. Investitionen über Steuern entmündigen die Bürger.
Wir haben im Thüringer Landtag schon einiges eingebracht. Die Rückführung der Insolvenzanfechtung haben wir nicht erreicht. Das Ladenöffnungszeitengesetz, das Bildungsfreistellungsgesetz – all das hat mehr Bürokratie geschaffen. Der Mindestlohn ist ganz in Ordnung, die Dokumentationspflichten aber sind erheblich. Jetzt wollen die Grünen ein Klimagesetz – da dräut Böses. Auch die Digitalisierung ist kein Allheilmittel, oft führt sie zu mehr Bürokratie.
Wie kommen denn Unternehmer im ARD-„Tatort“weg? Man muss in der Öffentlichkeitsarbeit ansetzen, um das Unternehmertum positiver darzustellen. Wir sollten die Schule nicht mit Fächern wie Wirtschaft oder „Ökonomische und digitale Bildung“überfrachten. Vor allem brauchen wir eine universelle und humanistische Bildung. Zur vernünftigen Schulausbildung gehören für mich zunächst Lesen, Schreiben und Rechnen. Daran hapert es heute oft. Das Thema wurde in vielerlei Hinsicht viele Jahre verschlafen. Wer vor 16 oder 20 Jahren nicht geboren wurde, kann heute keine Lehre beginnen. An den Berufsschulen fehlen Lehrer, die Inhalte sind teilweise veraltet. Arbeitswelten verändern sich nicht mehr in Generationen oder Jahrzehnten, sondern im Jahrestakt. Auch da muss der Staat in Vorleistung gehen. Made in Germany stand mal für deutschen Ingenieurs- und Erfindungsgeist – das ist in Gefahr.
Wir hatten 2010 bis 2015 Steuermehreinnahmen von 100 Mrd. Euro, das setzt sich fort. Das Geld wollen wir denen zurückgeben, die das erschaffen haben. Wie die niedrigen Einkommen wollen wir auch die Besserverdienenden schützen. Wir gleichen seit Jahren nur das Existenzminimum aus, aber nicht die Inflation. Dafür brauchen wir deutlichere Tarifsprünge. Und der Spitzensteuersatz sollte erst bei 70 000 Euro beginnen, damit sich Leistung wieder lohnt.
Die Bürokratie ist ein Dschungel. Da muss man mit der Machete durch. Alle Regeln müssen auf den Prüfstand. Bildungsfreistellungsgesetz, Ladenöffnungsgesetz, der Katalog ist endlos. Wir dürfen Unternehmern nicht permanent unterstellen, dass sie entweder Mitarbeiter, Verbraucher oder das Finanzamt hintergehen. Für die Kontrolle des Mindestlohnes braucht es keine 2000 Zöllner, die, schwer bewaffnet, Gastronomiebetriebe und andere Firmen lahmlegen.
Wir sollten Erfolgsgeschichten von Unternehmern mehr in den Vordergrund stellen. Der 100. Geburtstag von Carl Zeiss wurde in Thüringen nicht gefeiert. Der Mittelstand übernimmt hohe Verantwortung, ohne dass ihn jemand dazu zwingt. Entscheidend für ein Unterrichtsfach Wirtschaft ist der Lehrinhalt. Im Lehrbuch meiner Tochter wird Angela Merkel gerade Kanzler, mit derart veralteten Lehrmitteln bilden wir Jugendliche nicht weiter.