„Ich bin ein Rentner im Unruhestand“
Der frühere Leichtathlet Wolfgang Schmöller ist seit Jahren Trainer und Kampfrichter. Noch heute ist er ehrenamtlich beim LC Jena aktiv
Jena. Dieser Mann hat einfach keine Zeit, alt zu werden. Als Gesicht der Jenaer Leichtathletik ist Wolfgang Schmöller nicht nur bekannt, wie ein bunter Hund, sondern im Verein einfach auch nicht mehr wegzudenken. Seitdem er sich als Schüler für diesen Sport begeistert hat, ist seine Verbundenheit stetig gewachsen. Bereits in den 1970er Jahren bei dem Aufbau der Leichtathletik-Abteilung im Mehrspartenverein BSG Motor Carl Zeiss Jena beteiligt, gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des TuS Jena und agierte in den 1990ern als dessen Abteilungsleiter. Im LC Jena ist er heute nicht nur Teil des beisitzenden Vorstands, sondern auch regelmäßig als Übungsleiter, Kampfrichter und mitverantwortlicher Ausrichter des Sparkassen-Meetings im ErnstAbbe-Stadion aktiv.
Geweckt wurde seine Leidenschaft für die Leichtathletik 1952 in der neu gebildeten Leichtathletikgruppe in der BSG Zeulenroda. Mit drei Trainingseinheiten in der Woche entwickelte sich Schmöller schnell zu einem erfolgreichen Athleten und feierte als Jugendlicher bereits 1956 einen Sieg bei den DDR-Meisterschaften im Weitsprung. Und auch während des Studiums in Jena hielt seine positive Entwicklung an, was ihn von 1958 bis 1964 zum festen Bestandteil der Nationalmannschaft werden ließ. Gestartet ist er bei internationalen Wettkämpfen vor allem im Weitsprung und Sprint. „Meine Bestleistung liegt bei 10,60 Sekunden. Eigentlich gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass wir damals ja noch auf Aschebahn gelaufen sind“, schmunzelt Schmöller. Seinen ersten Lauf auf einer Tartanbahn bestritt er schließlich erst im Seniorenbereich. „Das dürfte etwa 1966 im Erfurter Steigerwaldstadion gewesen sein“, erinnert er ich vage.
Das Ende als Athlet 1970 stellte zugleich den Anfang seines ehrenamtlichen Engagements in der Jenaer Leichtathletik dar. Obwohl er beruflich einer Vollzeitstelle nachging, räumte er sich die Zeit ein, auch noch am späten Abend im Verein tätig zu sein. „Alles eine Frage der Priorität“, erklärt er sein damaliges Zeitmanagement. Bis in die späten 80er-Jahre agierte Schmöller nicht nur als Abteilungsleiter der neu gegründeten Sektion Leichtathletik der BSG Motor Carl Zeiss Jena, sondern erlebte die erfolgreiche Entwicklung der Jenaer Athleten als Übungsleiter und im Kampfgericht stets hautnah mit. Als Highlight der 80er-Jahre sind Schmöller bis heute jedoch die DDR-Meisterschaften im Jenaer Ernst-AbbeStadion in Erinnerung, bei welchen er in der Organisation mitgearbeitet hat.
Viel zu tun gab es für Schmöller dann auch nach der Wende. Zum einen oblag ihm im neu gegründeten Verein TuS Jena die Aufgabe des stellvertretenden Abteilungsleiters und zum anderen war er wesentlich an der Ausrichtung des 1991 etablierten Zeiss-Meetings beteiligt. Zunächst als Alternative zum „Olympischen Tag“gedacht, dem wichtigsten internationalen Wettkampf in der DDR, hatte es unter der Obhut von Schmöller 13 Jahre lang Bestand. Nur vier Jahre später ins Leben gerufen, aber bis heute eine feste Größe im Thüringer Leichtathletikkalender, gehört auch das Sparkassen-Meeting in die Sammlung der Verdienste von Wolfgang Schmöller.
Noch immer hängt diesem jedoch auch eine der größten Enttäuschungen innerhalb seiner Aktivitäten im Verein an. Im Jahr 2013 sollte das SparkassenMeeting seinen absoluten Höhepunkt erleben. Schmöller und seinem Team war es gelungen, die gesamte deutsche Sprintspitze zu verpflichten. „Das wäre das bestbesetzte SparkassenMeeting innerhalb der Vereinsgeschichte gewesen“, ärgert sich Schmöller noch heute. Denn anstatt der schnellen Läufer, war es das Wasser, welches sich im Stadion breit machte. „Ich war den ganzen Freitag damit beschäftigt, die Vereine zu informieren und das Meeting aufgrund von Hochwasser abzusagen“, erinnert sich der 79-Jährige. Und fügt wehmütig hinzu: „Zwar erfuhren wir im Anschluss eine große Solidaritätswelle, doch ein schöner Wettkampf lässt sich nun einmal nicht ersetzen. Der Ausfall eines solchen Meetings ist immer ein Problem.“
Umso mehr erfreut es Schmöller, dass es für die 22. Auflage des Meetings 2018 grünes Licht gibt und die Leichtathleten auch im kommenden Jahr noch im Stadion bleiben dürfen. „Die Überlegungen, das Stadion in ein reines Fußballstadion umzubauen, halte ich persönlich für einen großen Fehler“, beteuert Schmöller. „Selbst wenn der benachbarte Aufwärmplatz zu einer A-Anlage mit acht Tartanbahnen aufgewertet werden sollte, wären die Bedingungen für die Ausrichtung eines solch großen Wettkampfes wie dem Sparkassen-Meeting nicht gegeben. Aufgrund der Tallage ist ohnehin alles viel zu eng. Auch gibt es dort keine Tribünen und die komplette Infrastruktur fehlt“, kritisiert er die Pläne. „Mein Wunsch wäre es, dass die Leichtathletik im Stadion bleibt. Das käme auch der Entwicklung der Stadt Jena zugute. Mit dem eingesparten Geld könnten viele andere Projekte wie etwa die Schwimmhalle vorangetrieben werden.“
Auf die eigene Zukunft angesprochen, kann sich Schmöller trotz seines Alters nicht vorstellen, etwas kürzer zu treten. Doch was motiviert ihn mit knapp 80 Jahren noch immer dazu, nahezu täglich das Stadion aufzusuchen und sich für den Verein so ambitioniert zu engagieren? „Man muss schon ein bisschen verrückt sein und für die Leichtathletik brennen“, sagt er. „Ich will, dass die Leichtathletik lebt.“ Einen Verdruss gegenüber dem Fußball hegt Schmöller nicht. Stattdessen sucht er nach Wegen, das Publikum auch für die Leichtathletik zu begeistern. „Die Leute sind es einfach gewohnt, dass ein Spiel 90 Minuten dauert. Wenn du ihnen dann einen ganztägigen Zeitplan eines Leichtathletik-Wettkampfes präsentierst, schreckt das natürlich ab“, erklärt Schmöller. Neben einem strafferen Zeitrahmen müsse in seinen Augen zudem der Eventcharakter verstärkt in den Vordergrund rücken. Als gelungenes Beispiel führt er das Speerwurfmeeting von Olympiasieger Thomas Röhler an.
Zum Jenaer Vorzeigeathlet hat er ohnehin ein ganz besonderes Verhältnis. „Ich kenne Thomas von klein auf und habe schon damals viel von ihm gehalten. Wir haben nur 100 Meter auseinander gewohnt“, erzählt er. Und weiter: „Thomas ist ein großes Wurftalent. Wenn er gesund bleibt, traue ich ihm auch zu, irgendwann einmal den Weltrekord zu knacken.“Als dieser am 25. Mai 1996 vom Tschechen Jan Železný im Ernst-Abbe-Stadion geworfen wurde, war Schmöller als Wettkampfleiter live dabei und erinnert sich noch genau an den 98,48-Meter-Wurf: „Dass Železný an diesem Tag so weit werfen würde, war vorher nicht vorauszusehen und eine echte Überraschung. Ich durfte im Anschluss den Speer prüfen und das Rekordprotokoll einreichen. Darauf bin ich ein bisschen stolz“, verrät er.
Und vielleicht erlebt er einen solchen Ausnahmewurf in den kommenden Jahren noch einmal. Denn sowohl Röhler als auch dem deutschen Rekordhalter Johannes Vetter traut es Schmöller zu, die magische Marke von 98,48 m zu übertreffen. Verpassen würde er es auf jeden Fall nicht. Denn die Tätigkeit im Verein hält ihn jung.
Danach gefragt, wie Schmöller sein Engagement über all die Jahre so intensiv betreiben konnte, sagt er: „Das kannst du nur machen, wenn du einen Partner hast, der dafür Verständnis hat und dir hilft.“In seiner Frau hat er solch eine Unterstützung gefunden. Seit vielen Jahren ist auch sie im Verein involviert und bei Wettkämpfen im Auswertungsbüro tätig. Ganz so verrückt wie Schmöller ist sie hingegen nicht. „In der Wettkampf-Phase bin ich fast täglich im Stadion. Irgendwas gibt es ja immer zu tun“, lacht er. Entsprechend passt auch seine Selbstbeschreibung: „Ich bin ein Rentner im Unruhestand.“
Bestbesetztes Meeting fällt ins Wasser
„Röhler kann den Weltrekord knacken“