Thüringen präsentiert sich als Region mit hoher Lebensqualität
Neue Marketingstrategie startet im Oktober. Unternehmertag des Wirtschaftsverbandes zum Thema Digitalisierung
Weimar. Thüringen wirbt künftig nicht mehr vordergründig um Investoren, sondern um Fachkräfte und junge Leute.
Das wird in den Mittelpunkt der neuen Marketingkampagne des Landes gerückt, kündigte Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gestern in Weimar an. Man werbe für Thüringen künftig als „Region mit hoher Lebensqualität“, sagte Tiefensee auf dem 15. Unternehmertag des Verbandes der Wirtschaft Thüringen.
Dabei diskutierten und informierten sich mehr als 400 Unternehmer, Wissenschaftler und Politiker rund um das Thema Digitalisierung. „Die verändert die Jobs von 146 000 Beschäftigten in Thüringen“, verdeutlichte der Präsident des Verbandes, Hartmut Koch, die Dimension.
Fast jeder fünfte Arbeitsplatz in Thüringen könnte kurzfristig von Maschinen oder Robotern übernommen, werden, zitierte Koch aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Dennoch werde die Digitalisierung die Fachkräftesituation im Land nicht entschärfen, so Koch.
Auf das Fachkräfteproblem müsse man mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen reagieren, sagte Wolfgang Tiefensee. Zunächst gelte es dabei das vorhandene Potenzial im eigenen Land auszunutzen, dazu gehöre natürlich auch eine gute Entlohnung der Beschäftigten. „Hier haben wir noch einigen Nachholbedarf“, so der Minister.
Zudem müsse man Pendler zurückholen und brauche man ein Einwanderungsgesetz, sagte Tiefensee in der Podiumsdiskussion, die von TA-Redakteur Martin Debes moderiert wurde.
Löhne seien für Unternehmen auch Kostenfaktoren, warnte der frühere Konjunkturchef des Institutes für Wirtschaftsforschung Halle, Udo Ludwig. Man müsse Lohnkosten immer im Verhältnis zur Produktivität sehen. „Aber ein gewisser Spielraum für Lohnsteigerungen ist entstanden“‘, so Ludwig. Daher könne man das auf Niedriglöhne ausgelegte Geschäftsmodell nun umstellen.
Zeiss zahle in Jena sogar über Tarif und habe dennoch Schwierigkeiten Fachleute zu bekommen, sagte Ulrich Simon.
Firmen sind gut beraten, jungen Eltern neue Möglichkeiten wie Heimarbeit oder flexible Arbeitszeiten anzubieten, so der Chef der Bosch Fahrzeugtechnik Eisenach, Uwe Löbel.
„Digitalisierung ist ein globaler Trend“, sagte der Direktor des Instituts der Wirtschaft (IW), Michael Hüther. In Deutschland hätten allerdings viele Unternehmen beim Grad der Digitalisierung noch viel Luft nach oben, so Hüther. Das gelte insbesondere für die kleinen und mittelständischen Firmen mit weniger als 249 Beschäftigten. Dennoch brauche sich Deutschland im internationalen Vergleich nicht zu verstecken. „Die Hälfte aller Patente beim Thema autonomes Fahren kommt aus Deutschland“, so der Wisenschaftler. Auch bei der Nutzung von Industrierobotern stehe Deutschland vor den USA und auf Augenhöhe mit asiatischen Ländern. „Wir verfügen über hervorragende Startbedingungen“, sagte Hüther.