Gestrandet mit Air Berlin
Ab Montag müssen einige Kunden zittern. Ihre vor der Insolvenz gebuchten Strecken werden womöglich nicht bedient
Frankfurt/Main. Wenn am kommenden Montag Klarheit über Air Berlin besteht, dann müssen auch einige Kunden wieder zittern. Denn die Strecken, die dann womöglich nicht verkauft sind, werden dann voraussichtlich auch nicht mehr bedient. Wer erst nach dem 15. August, dem Tag der Insolvenzanmeldung, sein Ticket gebucht hat, der bekommt sein Geld zurück. Denn die Erlöse der Tickets sind auf einem Notaranderkonto deponiert und deshalb nicht verloren. Wer aber vorher gebucht hat, der erhält sein Geld nicht zurück.
Aus Luftfahrtkreisen ist zu hören, dass andere Fluggesellschaften diesen Kunden Ersatzflüge zu einem günstigen Tarif anbieten werden. Und schließlich gibt es noch einige Kunden, Rucksackreisende zum Beispiel, die vor der Insolvenz Air Berlins in den Langzeiturlaub geflogen sind und nun weit entfernt, etwa in Asien, gestrandet sind. Auch ihnen müsste wohl geholfen werden.
Die Berliner Flughafengesellschaft bereitet sich für Montag auf einen chaotischen Tag am Flughafen Tegel vor. Es wird befürchtet, dass an diesem Tag ein Teil der bisher von Air Berlin betriebenen Flugzeuge am Boden bleiben wird, bestätigte ein Flughafensprecher dieser Zeitung. Es wird angenommen, dass vor allem solche Jets am Boden bleiben, die in keinem der Übernahmepakete enthalten sind.
Die Flughafengesellschaft tüftelt nun an Szenarien, wie man Passagiere informieren und betreuen kann, deren Flüge nicht mehr stattfinden. Überlegt wird auch, wo man nicht mehr betriebene Flugzeuge abstellen kann und wer diese millionenteuren Geräte überhaupt bewegen darf. Die Maschinen gehören den Leasinggesellschaften, die sie bisher an Air Berlin verliehen hatten.
Für die 8000 Mitarbeiter der insolventen Air Berlin heißt es jetzt: warten. Gestern Nachmittag hatte der Gläubigerausschuss der insolventen Air Berlin über mögliche Lösungen für die Fluggesellschaft beraten, dabei lagen erstmals die vollständigen Bieterlisten vor. Einige Bieter sind an Teilen von Air Berlin interessiert, andere am gesamten Unternehmen.
Am Mittwochabend hatte die Lufthansa erstmals ihr Angebot öffentlich konkretisiert: Danach ist die Kranichlinie nicht an den Langstreckenflugzeugen interessiert, dafür habe man kein Angebot abgegeben, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr vor Journalisten. Eine zumindest für die Öffentlichkeit überraschende Entscheidung. Nicht jedoch für Branchenangehörige: „Lufthansa erhält in den nächsten Wochen im Schnitt jede Woche ein neues Flugzeug“, sagt Nicoley Baublies, Chef der Flugbegleitergewerkschaft Ufo. Im Winter sei es sinnvoll, auf zusätzliche Langstreckenflugzeuge zu verzichten, erst vom nächsten Sommer an könne man diese wieder einsetzen – habe dann aber genügend Kapazitäten. So will die LufthansaTochter Eurowings „aus eigener Kraft“Langstreckenflüge künftig auch von Berlin anbieten, sagte Lufthansa-Chef Spohr gestern. Derzeit starten diese nur von Köln aus, Eurowings hatte erst kürzlich angekündigt, dass diese künftig auch von München und Düsseldorf angeboten werden sollen.
„Oberste Priorität“aber habe für Lufthansa, dass der aktuelle Flugbetrieb nicht destabilisiert werde. Deshalb habe seine Fluggesellschaft vor allem Interesse an den 38 Flugzeugen, die Lufthansa schon von Air Berlin gemietet habe, sagte Spohr. Diese sind bei Eurowings im Einsatz.
„An zweiter Stelle kommt dann aus unserer Sicht die Chance, dass Eurowings um 20 bis 40 Flugzeuge wachsen kann.“Diese von Air Berlin zu übernehmen, sei eine Option. „Alternativ können wir aber auch organisch aus eigenen Kräften wachsen“, sagte der Lufthansa-Chef.
Sollte Lufthansa diese Flugzeuge von Air Berlin übernehmen, dann würden viele Arbeitsplätze gerettet, die dann zur Eurowings übergehen würden. „Wir glauben, bald bis zu 3000 neue Mitarbeiter begrüßen zu können“, sagte Spohr. Allerdings werden diese nicht in einem Betriebsübergang wechseln. Das bedauert die Gewerkschaft Verdi, die bis zuletzt gehofft hatte, die Beschäftigten könnten zu den alten Bedingungen zu ihrem möglichen neuen Arbeitgeber wechseln.
Doch die betroffenen Mitarbeiter müssen sich zumindest bei Eurowings neu bewerben. Dabei werden die Dienstjahre von Flugbegleitern anerkannt und gleichzeitig sichergestellt, dass das Bestandspersonal von Eurowings dadurch keine Nachteile hat.
Mit den Piloten wurden entsprechende Verhandlungen gestern ergebnislos vertagt, hieß es sowohl bei Eurowings als auch der Vereinigung Cockpit (VC). „Der Gehaltsunterschied zwischen Piloten der Air Berlin und der Eurowings liegt zwischen 20 und 40 Prozent“, erläuterte VCSprecher Markus Wahl. „Das ist nicht trivial.“Eurowings hat 600 Stellen für Piloten und Flugbegleiter ausgeschrieben. 1000 Bewerbungen habe man schon vorliegen, hieß es.
An Teilen der Air Berlin ist neben Lufthansa unter anderem die Muttergesellschaft von British Airways und Iberia IAG interessiert, ebenso ein Konsortium aus Condor und Niki Lauda als auch Easyjet. Als Ganzes, also mit 8000 Mitarbeitern und 144 Flugzeugen, möchte der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl sie übernehmen als auch Utz Claassen, der frühere Chef von EnBW.
Gestern reichte auch der chinesische Betreiber des Flughafens Parchim, Jonathan Pang, ein Angebot nach. Er hatte eine Fristverlängerung beantragt, deshalb durfte er sein Angebot bis gestern vor der Sitzung des Gläubigerausschusses nachreichen.
Der Aufsichtsrat von Air Berlin entscheidet am kommenden Montag, wer den Zuschlag erhält. Doch damit dürfte das Insolvenzverfahren nicht zu Ende sein. Spohr rechnet mit einem „Marktaustritt“der Air Berlin, also einer Zerschlagung. Es dürfte bis zum Jahresende dauern, bis die einzelnen Unternehmensteile vom Insolvenzverwalter verkauft sein werden.
Lufthansa rechnet mit „Marktaustritt“