Ein Mann mit Eigenschaften
Im Erfurter Angermuseum ist „Helmuth Macke im Dialog mit seinen expressionistischen Künstlerfreunden“zu entdecken
Erfurt. Eines seiner letzten Bilder zeigt Helmuth Mackes „neue Heimat“am Bodensee im Winter: Scheinbar possierlich im Stile eines lyrischen Realismus gegeben, ruht der Weiler Steckborn in frostiger Starre. Das hat nichts Anheimelndes; der Betrachter spürt die Kälte und – vielleicht – eine Resignation. Als hätte Helmuth, der Vetter des berühmten Expressionisten August Macke, geahnt, dass die Kunstgeschichte ihn alsbald vergessen würde. – Nun wird er wiederentdeckt, das Angermuseum in Erfurt widmet ihm eine fulminante Sonderausstellung.
Eisig war damals das politische Klima für Maler wie Macke. Im Januar 1933, pünktlich zu Hitlers Machtergreifung, zogen er und seine Ehefrau Margarethe von Krefeld nach Hemmenhofen, in die innere Emigration und die Nachbarschaft von Freunden und Schicksalsgefährten wie Heckel, Ackermann und Dix. Drei Jahre später verlor der Maler sein 45 Jahre junges Leben durch einen Bootsunfall. Seine Kunstwelt – jene Kreise der farbmächtigen, formensprengenden Avantgardisten – gab es nicht mehr.
Mit Heckel, Campendonk, Kandinsky, Rohlfs und Werefkin, Franz Marc, Vetter August und vielen anderen, die heute noch Rang und Namen genießen, war Macke sehr gut befreundet. Als Künstler voll respektiert, stand er ihnen eigentlich in nichts nach. Warum also kennt man ihn nicht? Wohl, weil ihm die Eigen-Art abging, eine unverwechselbar sich abgrenzende Handschrift zu führen. Je nach Lebensepoche ließ sich Macke beeinflussen und hat, wie Kai Uwe Schierz, Direktor der Erfurter Kunstmuseen, es erklärt, sich „eingefühlt“. Gleichwohl war er kein Mann ohne Eigenschaften.
Schon zu Beginn der Erfurter Schau grüßt er als selbstbewusst strenger Zwanzigjähriger kritisch verkniffenen Auges von einem Selbstporträt. Mit der Linken führt er den Pinsel, der Daumen der Rechten ragt spitz aus der Palette, und für den Hintergrund wählt er ein auratisch leuchtendes Türkis – die gleiche Farbe, mit der nebenan der Freund und Krefelder Studienkollege Campendonk in vergleichsweise bravem Selbstbildnis seinen Hut illuminiert.
Es macht Vergnügen, in der Schau derlei Allusionen nachzuspüren oder auf den ersten Blick den Maler zu raten. Epigonal, wie Freund Wiegers impressionistische Heuhaufen, würde man Macke nicht nennen – und doch lassen sich seine Lebensstationen an Motiven und Malweisen ablesen. Etwa die aufregende Jugend in prallem Frühexpressionismus: Da kombiniert er im Stillleben einen vor Farbreflexen schillernden Wasserkessel kurios mit einem diagonale Dynamik stiftenden Rettich, während der Hintergrund in einem nahezu abstrakten Gewirr von Tischutensilien zerschellt.
Kaum ist er bei Franz Marc zu Besuch, schon wählt er Pferde als Bildmotiv. Vetter Augusts Katzenstudien stehen solchen von Helmuths Hand gegenüber. Und ob die konturstarken Badenden von Schmidt-Rottluff, Heckel oder Helmuth Macke per Pinsel observiert worden sind, mag niemand – außer den äußersten Expressionismus-Experten – sicher entscheiden.
Grosso modo betrachtet, wandelt sich Macke vom Expressionisten zum neusachlich inspirierten, lyrischen Realisten. Nur würde man ihm allein damit gewiss nicht gerecht. „Wie er sich durch die Avantgarde-Gruppen jener Zeit durchmäandert, ist schwer nachzuvollziehen“, gesteht Schierz. In Erfurt haben Schierz und Kollegen die Schau auf Deutschland-Tour mit Werken Heckels und Nauens aus der eigenen Sammlung ergänzt. Ohnedies gilt: Auch dieser Macke lohnt sich.
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. Sept. bis . Jan., Di-So - Uhr