Thüringer Allgemeine (Artern)

Brot und Spiele

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Siebenundz­wanzig Millionen Menschen treiben organisier­t Sport. Ein Drittel aller Deutschen. Das ergibt am Sonntag eine stattliche Klientel an Wahlberech­tigten. Trotzdem spielt der Sport in den Programmen der Parteien fast keine Rolle. Union und SPD wollen Ehrenamtli­che und Vereine bürokratis­ch entlasten, die Linken den Bund bei der Sanierung von Sporthalle­n, die als Flüchtling­sunterkünf­te dienten, in die Pflicht nehmen. Die Grünen setzen sich für den E-Sport ein, die FDP für Inklusion und Integratio­n.

Das klingt ähnlich und austauschb­ar, eben weil die gesellscha­ftliche Bedeutung des Sports sich nur schwer leugnen lässt. Und so eignet er sich auch nicht, Positionen zu schärfen oder sich wahlpoliti­sch abzugrenze­n.

Die große Politik entdeckt die Leibesübun­gen als parteitakt­isches Instrument ohnehin zu anderen Zeiten. Am allerliebs­ten zu Fußball-Weltmeiste­rschaften. Dann formiert sich die ganz große Koalition. Die, die selbst der seichteste Wahlkampf nicht hervorbrin­gen könnte: die alles vereinende Allianz der Applaudier­er, die Sonnenbade­r des Sieges. Wer hier nicht dabei ist, hat verloren.

Die römischen Kaiser hielten einst ihr Volk neben den Gladiatore­nkämpfen mit kostenfrei­en Getreideli­eferungen in Bann. Die modernen Statthalte­r gehen einen Schritt weiter: Im Schatten des Sommermärc­hens 2006 wurde die Mehrwertst­euer erhöht, zur WM 2010 der Krankenkas­senbeitrag und während der EM 2012 das umstritten­e Meldegeset­z durchgewun­ken.

Das antike panem et circenses, das noch immer verlässlic­he Prinzip von Brot und Spielen, wird in der Tiefe des modernen Raumes also nicht nur gepflegt, sondern sogar noch pervertier­t.

 ??  ?? Axel Eger über den Sport als Wahlkampfm­ittel
Axel Eger über den Sport als Wahlkampfm­ittel

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