Thüringer Allgemeine (Artern)

Mit der besten Abwehr Europas ins Rennen um die Meistersch­aft

Aus den kontinenta­len Top-Ligen blieb nur der BVB bislang ohne Gegentor. Womöglich lag das aber auch an den Gegnern

- Von Daniel Berg

Dortmund. Die drei Männer verstanden einander ohne Worte. Als die Kollegen in Schwarz und Gelb noch über die eigenen Tore jubelten, blickten sie einander an, sendeten sich kurze Gesten der Entschloss­enheit. Selbst als die Partie beim 3:0 gegen den Hamburger SV längst entschiede­n war. Roman Bürki, als Torwart eingebunde­n in diese Kommunikat­ion mit seinen Innenverte­idigern Sokratis und Ömer Toprak, klärt über die Botschaft auf: „Heute steht wieder die Null! Wir geben bis zum Schluss alles dafür!“Ausrufezei­chen.

Europäisch­e Sehenswürd­igkeit

Fünf Spiele sind absolviert in der Fußball-Bundesliga, und die Tabelle weist Borussia Dortmund als Spitzenrei­ter mit Unverletzl­ichkeitsni­mbus aus: null Gegentore in 450 Minuten. Null. In den fünf großen europäisch­en Ligen ist Dortmund der letzte unbefleckt­e Standort, nicht Madrid, nicht London, nicht Mailand oder Paris. Eine europäisch­e Sehenswürd­igkeit: die beste Abwehr Europas. Die beste Abwehr Europas? War sie nicht in der Liga der Besten, der Champions League, von Tottenham ordentlich hergespiel­t worden? Ja, war sie. „Eine Ausnahme“, sagt Sportdirek­tor Michael Zorc.

An statistisc­hen Zufall in der Liga mag vor allem im BorussenLa­nd niemand glauben. Viele im Umfeld des BVB hätten vor der Saison „das Gefühl gehabt, dass wir zu offensiv spielen, dass das nicht funktionie­ren kann“, sagt Bürki: „Wir haben genau das Gegenteil bewiesen.“Genugtuung schwingt also auch ein wenig mit bei dieser mit Inbrunst gepflegten Serie, die in der Tat so kaum zu erwarten war, weil der neue Trainer Peter Bosz eine neue Taktik implementi­erte.

Jene Vorwärtsve­rteidigung, die es dem Gegner nicht gestatten soll, den Ball länger als drei Sekunden zu besitzen. Dazu muss das Kollektiv in der richtigen Sekunde das Richtige tun, vom Stürmer bis zum Torwart. „Wenn einer ein bisschen schläft, haben wir ein Problem“, beschreibt Abwehrchef Sokratis das Phänomen, das auftritt, wenn sich die Mannschaft dem Gegner mit voller Geschwindi­gkeit entgegenwi­rft und dabei gefährlich­e Räume preisgibt. Klitzeklei­ne Unachtsamk­eiten können zu einer verhängnis­vollen Unwucht zwischen Offensive und Defensive führen.

In der Vorbereitu­ng auf die Saison funktionie­rte diese Art der Schwarmint­elligenz – kaum. Seit Beginn der Saison plötzlich steht die Gelbe Wand in der Liga. Das ist wichtig für das Zutrauen und die Zukunft. Schließlic­h schreibt man der Kunst des Verteidige­ns langfristi­g den größeren Erfolg zu. „Wie man so sagt: Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meistersch­aften“, meint Roman Bürki nicht ohne darauf zu verweisen, dass es „der falsche Zeitpunkt“sei, „auf die Tabelle zu schauen“. Der Hinweis ist obligatori­sch, wenn sich BVB-Profis gestatten, Erfolgsaus­sichten im Vergleich mit dem großen und in den vergangene­n fünf Jahren nahezu unbezwingb­aren FC Bayern München auszuloten.

Aber einen scheuen Blick herab – nach Süden – erlaubt sich der Tabellenfü­hrer mit dem neuen Selbstbewu­sstsein schon. „Wir müssen nur gucken, wer in den letzten fünf Jahren die beste Verteidigu­ng hatte“, sagt Abwehrchef Sokratis: „München“. Was daraus resultiert? Der Befehl, nicht nachzulass­en: „Bayern ist der Favorit. Aber wenn wir so weiterspie­len, können wir es spannend machen.“

Vor Ort in Dortmund wird sich schon sehr bald zeigen, ob die Ausnahme von Tottenham zur Regel wird, sobald der Gegner höhere individuel­le Qualität besitzt als bisher. Gladbach, Real Madrid, Leipzig, Bayern, Tottenham, Schalke lauten die Gegner in sechs der kommenden sieben Heimspiele.

 ??  ?? Schmerzhaf­t aufgehalte­n: Dortmunds Torwart Roman Bürki (links) räumt HSV-Verteidige­r Kyriakos Papadopoul­os bei einem hohen Ball ab. Dan-Axel-Zagadou (Zweiter von rechts) kann nicht eingreifen. Foto: dpa pa
Schmerzhaf­t aufgehalte­n: Dortmunds Torwart Roman Bürki (links) räumt HSV-Verteidige­r Kyriakos Papadopoul­os bei einem hohen Ball ab. Dan-Axel-Zagadou (Zweiter von rechts) kann nicht eingreifen. Foto: dpa pa

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