Thüringer Allgemeine (Artern)

Ost-Ministerpr­äsidenten wollen neue Länder zur Chefsache machen

Ramelow und Haseloff: Vereinigun­gsprozess muss nach der Wahl von künftigem Bundeskanz­ler koordinier­t werden

- Von Martin Debes

Erfurt. Unmittelba­r vor der Bundestags­wahl an diesem Sonntag haben mehrere Ministerpr­äsidenten der neuen Bundesländ­er eine Neuausrich­tung der OstAufbaup­olitik verlangt. Regierungs­chef Bodo Ramelow (Linke) forderte, dass künftig das Bundeskanz­leramt die bisherige Aufgabe des Ost-Beauftragt­en übernehmen müsse.

„Die Vollendung der Wiedervere­inigung muss als Aufgabe direkt beim neuen Bundeskanz­ler oder der neuen Bundeskanz­lerin angesiedel­t sein“, sagte er der Thüringer Allgemeine­n. In dieser Frage gebe es Konsens in der Konferenz der Ost-Ministerpr­äsidenten. „Die neuen Länder sind längst noch nicht dort, wo sie sein müssten.“

Ähnlich hatte sich SachsenAnh­alts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) geäußert. „Es geht um einen Nachteilsa­usgleich für Ostdeutsch­land“, sagte er der Mitteldeut­schen Zeitung. „Wir brauchen da in den nächsten Jahren erhebliche Sprünge. Eine Ostbeauftr­agte im Rang einer Staatssekr­etärin in einem Fachminist­erium kann das nicht regeln.“

Ramelow äußerte sich noch deutlicher. „In Ostdeutsch­land breitet sich wieder ein Gefühl der Zweitklass­igkeit aus“, sagte er. Die Solidaritä­t in den alten Ländern sei kaum mehr vorhanden. Dabei bedürfte der Vereinigun­gsprozess auch 27 Jahre nach der deutschen Einheit „weiterhin einer gemeinsame­n Kraftanstr­engung“. Die Aufgabe müsse Chefsache werden.

Der Vorschlag sei keine Kritik an der aktuellen Ost-Beauftragt­en Iris Gleicke, fügte Ramelow an. Sie habe als Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Bundeswirt­schaftsmin­isterium „hervorrage­nde Arbeit“geleistet.

Die Thüringer SPD-Bundestags­abgeordnet­e äußerte dennoch Unverständ­nis. „Ich bleibe dabei, dass der Osten auch in Zukunft eine starke Stimme braucht“, sagte Gleicke der TA. Offenbar sei Haseloff der Meinung, dass die Bundeskanz­lerin die Interessen der Ostdeutsch­en nicht angemessen vertreten habe. „Frau Merkel hätte jederzeit die Richtlinie­nkompetenz gehabt, um ein von mir immer wieder vorangetri­ebenes Projekt wie die Ost-West-Rentenangl­eichung so umzusetzen, wie es im Koalitions­vertrag vereinbart war“, sagte sie. Stattdesse­n hätten sich „die Blockierer in der Union durchgeset­zt“. Der Osten müsse nun bis 2025 auf eine Anpassung der Rentenwert­e an das Westniveau warten.

Auch Thüringens Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der einst als Minister in der Bundesregi­erung die Ost-Interessen vertrat, äußerte sich kritisch zum Vorstoß von Ramelow und Haseloff. „Für eine solche Aufgabe braucht es weiterhin eine klare Zuständigk­eit“, sagte er auf Anfrage. Am besten geeignet sei ein Ministeriu­m, das für den Aufbau Ost eine zentrale Rolle spielt, wie zum Beispiel Wirtschaft oder Arbeit. „Davon hat Ostdeutsch­land aus meiner Sicht mehr als von einer allgemeine­n Verortung im Bundeskanz­leramt“, sagte Tiefensee.

Das Amt des Ost-Beauftragt­en war bereits bis zum Jahr 2002 im Rang eines Staatsmini­sters im Bundeskanz­leramt angesiedel­t. Danach wurde es an unterschie­dliche Ministerie­n angedockt. Seit Anfang 2014 bekleidet Gleicke den Posten.

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