Ost-Ministerpräsidenten wollen neue Länder zur Chefsache machen
Ramelow und Haseloff: Vereinigungsprozess muss nach der Wahl von künftigem Bundeskanzler koordiniert werden
Erfurt. Unmittelbar vor der Bundestagswahl an diesem Sonntag haben mehrere Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer eine Neuausrichtung der OstAufbaupolitik verlangt. Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) forderte, dass künftig das Bundeskanzleramt die bisherige Aufgabe des Ost-Beauftragten übernehmen müsse.
„Die Vollendung der Wiedervereinigung muss als Aufgabe direkt beim neuen Bundeskanzler oder der neuen Bundeskanzlerin angesiedelt sein“, sagte er der Thüringer Allgemeinen. In dieser Frage gebe es Konsens in der Konferenz der Ost-Ministerpräsidenten. „Die neuen Länder sind längst noch nicht dort, wo sie sein müssten.“
Ähnlich hatte sich SachsenAnhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) geäußert. „Es geht um einen Nachteilsausgleich für Ostdeutschland“, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. „Wir brauchen da in den nächsten Jahren erhebliche Sprünge. Eine Ostbeauftragte im Rang einer Staatssekretärin in einem Fachministerium kann das nicht regeln.“
Ramelow äußerte sich noch deutlicher. „In Ostdeutschland breitet sich wieder ein Gefühl der Zweitklassigkeit aus“, sagte er. Die Solidarität in den alten Ländern sei kaum mehr vorhanden. Dabei bedürfte der Vereinigungsprozess auch 27 Jahre nach der deutschen Einheit „weiterhin einer gemeinsamen Kraftanstrengung“. Die Aufgabe müsse Chefsache werden.
Der Vorschlag sei keine Kritik an der aktuellen Ost-Beauftragten Iris Gleicke, fügte Ramelow an. Sie habe als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium „hervorragende Arbeit“geleistet.
Die Thüringer SPD-Bundestagsabgeordnete äußerte dennoch Unverständnis. „Ich bleibe dabei, dass der Osten auch in Zukunft eine starke Stimme braucht“, sagte Gleicke der TA. Offenbar sei Haseloff der Meinung, dass die Bundeskanzlerin die Interessen der Ostdeutschen nicht angemessen vertreten habe. „Frau Merkel hätte jederzeit die Richtlinienkompetenz gehabt, um ein von mir immer wieder vorangetriebenes Projekt wie die Ost-West-Rentenangleichung so umzusetzen, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart war“, sagte sie. Stattdessen hätten sich „die Blockierer in der Union durchgesetzt“. Der Osten müsse nun bis 2025 auf eine Anpassung der Rentenwerte an das Westniveau warten.
Auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der einst als Minister in der Bundesregierung die Ost-Interessen vertrat, äußerte sich kritisch zum Vorstoß von Ramelow und Haseloff. „Für eine solche Aufgabe braucht es weiterhin eine klare Zuständigkeit“, sagte er auf Anfrage. Am besten geeignet sei ein Ministerium, das für den Aufbau Ost eine zentrale Rolle spielt, wie zum Beispiel Wirtschaft oder Arbeit. „Davon hat Ostdeutschland aus meiner Sicht mehr als von einer allgemeinen Verortung im Bundeskanzleramt“, sagte Tiefensee.
Das Amt des Ost-Beauftragten war bereits bis zum Jahr 2002 im Rang eines Staatsministers im Bundeskanzleramt angesiedelt. Danach wurde es an unterschiedliche Ministerien angedockt. Seit Anfang 2014 bekleidet Gleicke den Posten.
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