Neues Portal gegen Impfmüdigkeit bei über 60-Jährigen
Universität Erfurt befragt 700 Thüringer. Nicht-Impfer bezweifeln, dass man durch die Grippeimpfung keine Grippe bekommen kann
Erfurt. Jedes Jahr lassen sich weniger Thüringer über 60 Jahre gegen Grippe impfen. Auch der Schutz vor Pneumokokken, die Lungenentzündung auslösen, wird seltener wahrgenommen als empfohlen. Wie man gegen die Impfmüdigkeit vorgehen kann, wird seit Ende 2016 unter anderem an der Universität Erfurt untersucht. Das Bundesforschungsministerium fördert das auf drei Jahre angelegte Projekt mit zwei Millionen Euro.
Repräsentativ befragt wurden seitdem 700 Thüringer im Alter zwischen 60 und 75 Jahren. Dabei kam heraus, dass Krankheiten wie Grippe oder Lungenentzündung, gegen die man impfen kann, oft unterschätzt werden – ebenso ihre Folgeerkrankungen wie die Sepsis. „Wissen über Impfungen und Risikowahrnehmungen beeinflussen die Gründe für das Nichtimpfen. Viele fühlen sich nicht durch die Krankheiten bedroht, zudem mangelt es an Vertrauen in die Effektivität und Sicherheit von Impfungen“, sagt die Psychologin und Studienleiterin Cornelia Betsch von der Uni Erfurt.
Zentral für die Impfentscheidung sind zudem Falschaussagen wie „Die Grippeimpfung kann die Grippe auslösen“. Laut Befragung glaubt jeder zweite Impfmuffel daran, noch größer ist die Zahl derer, die die Grippe fälschlicherweise für eine starke Erkältung halten.
Die Impfstudie, an der das Uniklinikum Jena und das Robert-Koch-Institut beteiligt sind, will herausfinden, wie Irrglauben geradegerückt und Impfentscheidungen positiv beeinflusst werden können. „Mit zunehmendem Alter wird das Immunsystem schwächer. Die Infektionsgefahr steigt. Das Risiko, an Lungenentzündung durch Pneumokokken, Influenza oder Sepsis zu erkranken und vielleicht daran zu sterben, kann durch Impfen reduziert werden“, so die Experten. Aus den Befragungen wissen die Forscher, dass sich Ältere gern aus Broschüren, bei Medizinern, Familie und Freunden sowie über Zeitungen, Funkmedien und das Internet informieren.
Aus ihren Erkenntnissen entwickelten die Forscher die Kampagne „Impfen 60+“. Am Montag wird sie in Erfurt erstmals öffentlich vorgestellt. Ein Bestandteil wird das völlig neu gestaltete, von jeglicher Pharmaindustrie unabhängige Internetportal „Thüringen-impft.de“, das umfassend über Impfen informiert und mit falschen Mythen aufräumt.
„Die individuelle Impfentscheidung hat immer auch einen gesellschaftlichen Nutzen. Jeder Geimpfte trägt dazu bei, dass sich eine Krankheit weniger in der Gesellschaft ausbreiten kann. Sind genügend Menschen geimpft, schützt das auch NichtGeimpfte wie chronisch Kranke oder Säuglinge“, wirbt Cornelia Betsch. Hoffnung für bessere Impfquoten schöpfen die Forscher nicht zuletzt aus der Erkenntnis, dass die Impfbereitschaft wächst, wenn über den Effekt des Gemeinschaftsschutzes aufgeklärt wird. „Vor allem ältere Thüringer, die häufig auch Omas und Opas sind, berichte, dass ihnen wichtig ist, durch ihre eigene Impfung auch ihre Kinder und Enkel zu schützen“, erläutert Cornelia Betsch. Wie beim alten Musketier-Prinzip gilt letztlich auch hier: Einer für alle, alle für einen.
Einer für alle, alle für einen
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Auf das überarbeitete Impfportal kann ab Montag unter www.thueringenimpft.de zugegriffen werden.