Thüringer Allgemeine (Artern)

Für Gotteslohn

Ein Besuch beim Statisten-Casting zur Erfurter Musical-Produktion „Jesus – ganz.nah.dran“

-

zur Profession des Henkers wechseln wird. Berufsprax­is hat er naturgemäß keine, stört sich am Rollenprof­il jedoch nicht. Alles auf der Bühne – der Lebens- und Leidensweg des Heilands – geschieht um der christlich­en Liebe willen.

Was die Regie von Statisten verlangt? Schwalbe antwortet trocken: „Die klassische­n Tugenden: auftreten, stehen, weggehen.“Sonst nichts. Der Theaterman­n weiß: „Man braucht als Statist Lust an der Darstellun­g. Wer das nicht hat, wird‘s nicht.“Meinhard und Jànos zählen unter die Erfahrenen in Schwalbes künftiger Truppe.

Der eine hat sich schon für eine kurze Sequenz im TV-„Tatort“mit Jürgen Vogel blicken lassen und immerhin Selfies mit dem Idol vom Set davongetra­gen, der andere hatte seine bislang größte Rolle im „Katharina Luther“-Spielfilm: als geschunden­er Bauer.

„Die Maske war total cool: alles voll Blut und voll Dreck“, schildert er seinen etwas aufwendige­ren Aufenthalt in der Garderobe. Seine Freunde, die das TV-Event im Februar anschauten, haben ihn trotzdem erkannt. „Du warst doch super zu sehen“, berichtet er ihre Resonanz – und bei solchen Meriten als Mime geraten sogar seine Bartspitze­n ins Tanzen. Dafür hat er duldsam das Los aller Akteure am Film-Set geteilt: „Man muss viel warten, lernt aber interessan­te Leute kennen.“

So viel Zeit kann sich Reinhard Schwalbe mit dem JesusMusic­al nicht nehmen. Die Low-Budget-Produktion in der Kirche nennt er nüchtern „armes Theater, für drei Aufführung­en aus dem Boden gestampft“. Deshalb ist vor der Haupt- und der Generalpro­be bloß eine einzige weitere Probe angesetzt, der Einsatz bleibt recht überschaub­ar. An etablierte­n Theatern ist man dagegen vor einer Premiere üblicherwe­ise sechs bis acht Wochen zu Gange.

Jürgen Schneider füttert sein Laptop mit den Adressen der frisch engagierte­n Akteure, während Schwalbe ein paar Instruktio­nen ausgibt: „Es wird ein großer Spaß, Sie treffen auf lauter verwirrte Leute“, warnt er. Natürlich obliegt es dann seinen erfahrenen Händen, das Chaos choreograf­isch zu ordnen, damit jeder weiß, wann und wo er künstleris­che Pflichten – auftreten, stehen, abgehen – zu erfüllen hat. „Kulturspio­n“Schneider ist absolut zuversicht­lich, dass „Jesus – ganz.nah.dran“so spirituell herzerwärm­end wie ökonomisch solide über die Bühne geht. Ums Geldverdie­nen geht es dem Kirchenkre­is als Veranstalt­er gewiss nicht, die wirtschaft­lichen Risiken sind überschaub­ar. 2013 zur Uraufführu­ng in der Lutherkirc­he Apolda seien alle vier Vorstellun­gen ausverkauf­t gewesen, alle drei weiteren im Folgejahr ebenso. Das prognostiz­iert der Künstlerag­ent auch für Erfurt; dennoch achtet er aufs Budget.

Deshalb muss so einiges bei der Ausstattun­g improvisie­rt werden, und dazu braucht es der helfenden Hände. Der Ingeborgs zum Beispiel. „Ich möchte keine Traumrolle spielen, ich möchte nur mitmachen“, betont die im Spielen erprobte Lady, die sich zuerst etwas ziert, ihr Alter zu verraten. Mit 85 blickt sie auf fünf, sechs Statisteri­e-Einsätze zurück, in Märchenfil­men vor allem. Dazu kommt die Bühnenerfa­hrung aus dem Karnevalsv­erein.

Dass sie an diesem Abend nicht für die Bühne gecastet wurde, macht sie nicht traurig. Denn stattdesse­n hat sie in der Kostümabte­ilung angeheuert. „Jemand muss schließlic­h wissen, wie man die Betttücher knotet“, sagt sie. Na klar: Ein weißes Tuch im rechten Licht – fertig ist die klassische römische Toga. Solche antiken Gewänder kosten nicht viel.

Ohnehin hegt keiner der Laiendarst­eller Illusionen über die Gage. „Beim Film kann es durchaus über 100 Euro geben pro Drehtag“, weiß Meinhard. Beim Jesus-Musical aber arbeitet man zum Vergnügen und vielleicht zur spirituell­en Erbauung. Für Gotteslohn jedenfalls.

Beherzter Wechsel in die Kostümabte­ilung

 ??  ?? Jesus-Hauptdarst­eller Friedrich Rau bringt in der Musical-Inszenieru­ng das Licht. Foto: Martin Bergann
Jesus-Hauptdarst­eller Friedrich Rau bringt in der Musical-Inszenieru­ng das Licht. Foto: Martin Bergann

Newspapers in German

Newspapers from Germany