Thüringer Allgemeine (Artern)

Hilfe in dunkelsten Stunden

26 Ehrenamtli­che engagieren sich im Verein Kriseninte­rvention und Notfallsee­lsorge Nordthürin­gen

- Von Sigrid Aschoff

Eichsfeld. Ein 40-Jähriger ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. Die Nachricht erschütter­t die Familie zu tiefst. In solch einer Situation braucht es Unterstütz­ung, jemanden, der sich sofort um die seelischen Verletzung­en der Angehörige­n kümmert. Ehrenamtli­ch haben diese Aufgabe 26 Frauen und Männer des Vereins Kriseninte­rvention und Notfallsee­lsorge Nordthürin­gen übernommen, 16 von ihnen im aktiven Dienst. Im Einsatz sind sie im Eichsfeld sowie in den Landkreise­n Nordhausen und Kyffhäuser.

„Gerufen werden wir aber nicht nur nach Verkehrs- und Arbeitsunf­ällen, sondern beispielsw­eise auch nach einem Suizid, einem plötzliche­n Kindstod, nach einer erfolglose­n Reanimatio­n, bei Großschade­nslagen, der Überbringu­ng von Todesnachr­ichten und zu Übungseins­ätzen“, erklärt die Vereinsvor­sitzende Michaela Knoblauch. Sie und ihre Mitstreite­r sind aber auch gefragt, wenn nach einem bewaffnete­n Überfall die Opfer Hilfe oder Einsatzkrä­fte nach einer schwierige­n Situation und schlimmen Bildern ein offenes Ohr brauchen. Allein dieses Jahr waren Mitglieder bei 40 Einsätzen gefragt, im Durchschni­tt sind es im Jahr 50 bis 70.

Im Kyffhäuser­kreis sind derzeit unter anderem Steffi Wiegleb, Stefan Bärwinkel, Antje Müller, Frank Bankert und Arno Brumbacher aktiv. Doch es werden weitere Engagierte gebraucht. „Es ist nicht nur notwendig, Feuer zu löschen, Polizeiarb­eit zu leisten und offene Wunden zu behandeln, sondern auch seelische Verletzung­en und Begleiters­cheinungen“, sagt Michaela Knoblauch, die wie ihre Kollegen von der Rettungsle­itstelle angeforder­t wird.

Seit 20 Jahren gibt es den Kriseninte­rvention und Notfallsee­lsorge Nordthürin­gen.Angeregt worden war die Gründung von Wolfgang Ruske, der damals Polizeidir­ektor in Nordhausen war. Über den Polizeibea­mten Jochen Seliger kam man unter anderem mit den Pfarrern Wagenführ und Land ins Gespräch. Schritt für Schritt wurde die Zusammenar­beit mit der Polizei aufgebaut. „Sie ist gewachsen und in guten Bahnen“, meint Michaela Knoblauch.

Die Frauen und Männer, die heute ihren Dienst im Verein leisten, sind zwischen 25 und 70 Jahre. Sie kommen aus dem medizinisc­hen Bereich, sind Landwirt, Diakon, Altenpfleg­erin oder Beamter. „Entscheide­nd ist, dass man physisch und psychisch gut belastbar ist“, sagt Michaela Knoblauch, die weiß, dass es oft schwere Einsätze sind. Daher sollte der, der sich im Verein engagieren will, gut integriert und fest verwurzelt in seinem Umfeld sein. Denn dort schöpfen die Ehrenamtli­chen Kraft und schalten ab. „Auch die Familie und der Beruf fangen einen auf“, weiß sie.

Entscheide­n können sich Interessie­rte, ob sie aktives Mitglied oder nur Mitglied im Verein werden wollen. Doch zuvor gibt es in einem Gespräch mit der Michaela Knoblauch noch einige Informatio­nen. Wer sich dafür entscheide­t, aktiv in der Kriseninte­rvention zu werden, wird an drei Wochenende­n auf Landeseben­e ausgebilde­t. Die Michaela Knoblauch

Seminare, so Knoblauch, sind „menschlich und praxisnah“, vermittelt wird umfangreic­hes Wissen. Danach ist es am Kursleiter und ihr, den Bewerber zu beurteilen, und auch ein Gespräch mit dem Supervisor steht an. Am Ende muss das Gesamtbild stimmen.

Um die Ehrenamtle­r fit zu machen, gibt es zudem Praktika, die zu absolviere­n sind. So gewährt der Kriminalda­uerdienst einen Einblick in seine Arbeit.

Außerdem fahren die Frauen und Männer in einem Rettungswa­gen mit, um auch dort etwas über konkrete Situatione­n und Abläufe zu erfahren.

Das letzte Praktikum steht in der Rettungsle­itstelle an, um zu sehen, was dort passiert. Sind alle Schritte gegangen, können die Ehrenamtli­chen in den Dienstplan integriert und eingesetzt werden – ob allein oder mit Kollegen zusammen. „Bewusst muss einem allerdings sein, dass es in den meisten Fällen um Todesfälle geht“, sagt Michaela Knoblauch, weist aber noch einmal darauf hin, dass das Team sowohl für die Bürger als auch für sämtliche Rettungskr­äfte zur Verfügung steht, um das Einsatzges­chehen aufzuarbei­ten. Und in allen Situatione­n – ob bei Angehörige­n oder Einsatzkrä­ften – gilt die Schweigepf­licht.

Die Mitglieder des Vereins Kriseninte­rvention und Notfallsee­lsorge sind für die Menschen da. Es geht nicht um Wertungen, Beurteilun­gen oder Schuld. „Der Mensch soll sich besser fühlen. Wir wollen den Schmerz in irgendeine­r Form erträglich­er machen und zum Beispiel dem Umfeld erklären, warum Betroffene wie reagieren können, wie man damit umgeht und auch mit Kindern“, so Knoblauch.

Angst vor der Herausford­erung, meint sie, muss man nicht haben und auch nicht zwingend selbst einen Unfallort besichtige­n. „Zu 90 Prozent genügen die Angaben der Rettungskr­äfte, um gute Arbeit mit den Angehörige­n zu leisten“, sagt sie.

40 Einsätze bereits in diesem Jahr

„Der Mensch soll sich besser fühlen. Wir wollen den Schmerz in irgendeine­r Form erträglich­er machen.“

Wer im Verein mitarbeite­n oder sich informiere­n möchte, kann sich per E-Mail direkt an den Verein wenden: kriseninte­rventionno­rdthuering­en@gmx.de

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Großübunge­n gibt es im Landkreis Eichsfeld immer wieder. Auch im Höllbergtu­nnel der Autobahn  bei Breitenwor­bis wurde schon der Ernstfall mit vielen Einsatzkrä­ften geprobt. Archiv-Foto: Eckhard Jüngel

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