Vermisste in letzter Minute gerettet
80-Jährige wird von Bauarbeiter in Nähe der Sulzer Siedlung gefunden. Familie bedankt sich bei dem Retter
Erfurt. „Diese Tage waren der Horror.“Roland Koch stehen die Tränen in den Augen, als er von der Zeit berichtet, als seine Schwiegermutter Helga Papst verschwunden war. Umso mehr ist es ihm ein Anliegen, den Retter, der so umsichtig half, in der Öffentlichkeit zu würdigen.
Steffen Zemke fand die 80Jährige auf einem Baugebiet in der Sulzer Siedlung. Da war sie bereits seit fünf Tagen und Nächten unterwegs.
Doch was war passiert? Wie jeden Morgen unter der Woche hätte Helga Papst auch am 13. September zum Frühstück in der Tagespflege kommen müssen. Doch sie erschien nicht. Helga Papst leidet an Demenz, die Pfleger riefen sofort Roland Koch an, gemeinsam gingen sie in die Wohnung in der Seniorenresidenz. „Schuhe, Jacke und Tasche waren weg“, erinnert sich der Schwiegersohn. Sie suchten im Haus, im Keller, fragten Nachbarn. „Nach anderthalb Stunden riefen wir die Polizei an, die Beamten nahmen zwei Stunden lang alle wichtigen Informationen auf und forderte eine Fährtenhund an.“
Roland Koch gab dem Hundeführer eine Hose seiner Schwiegermutter, damit dieser die Spur verfolgen konnte. Schon nach einigen Stunden kam die Rückmeldung, dass sich die Spur an der Straßenbahnendhaltestelle Roter Berg verloren habe – also etwa 300 Meter von der Wohnung der Vermissten entfernt.
Nun begann die Zeit des Bangens, Suchens, des Wartens und Hoffens. Der Enkel postete die Suche auf Facebook, doch niemand konnte sagen, wo Helga Papst war. Ein Tag nach dem anderen verging, von der 80-Jährigen gab es keine Spur.
Es war Montag, als der 49-jährige Steffen Zemke in seiner Mittagspause sich die Beine vertreten wollte. Er war auf einer Baustelle in der Sulzer Siedlung eingesetzt. „Ich schaute so nach rechts und dachte, das ist doch ein Mensch, der da liegt.“Er ging hin, sprach die Frau an. „Sie reagierte, hob die Hand und sagte: ,Ich friere.‘ Da wusste ich, sie lebt und habe sofort Polizei und Rettungsdienst verständigt.“Helga Papst wurde ins Klinikum gebracht. „Die Rettungsdienstmitarbeiter meinten, noch eine Nacht hätte sie draußen nicht überlebt.“
Das Bild, wie die ältere Dame da lag, hat sich ihm eingeprägt. In den vergangenen Tagen dachte er oft darüber nach, sprach mit seiner Frau. Der Bauarbeiter aus Schloßvippach weiß, dass er richtig gehandelt hat – und er würde wieder helfen.
„Für uns ist er ein Lebensretter“, sagt Roland Koch. Er erhielt gegen 14 Uhr den Anruf von der Polizei, dass seine Schwiegermutter gefunden worden war – in ihrer Handtasche war der Ausweis, so dass die Identität geklärt und ein Verbrechen ausgeschlossen wurde.
Mit Frau Angelika fuhr er in die Klinik. Helga Papst erkannte sie – einer der wenigen Momente, in denen die Demenz nicht beherrschend war. „Ich nenne sie immer mein kleines Radieschen und so habe ich sie auch begrüßt,“sagt Koch. Warum sie fortgelaufen ist, wollte er von ihr wissen. Sie wollte spazierengehen, habe sie geantwortet. Immerhin, sie hatte die neue Steppjacke angezogen, die ihr ihre Tochter erst eine Woche zuvor gekauft hatte. Diese ist gefüttert, so dass sie ein wenig Wärme geben konnte. Die Temperaturen in den Nächten waren bereits im einstelligen Bereich. „Die Oma ist zäh“, sagt Roland Koch. Gestern waren er und seine Frau wieder in der Klinik – schließlich gab es etwas zu feiern: Helga Papst wurde 81 Jahre alt. „Sie hat nun zwei Geburtstage: den 18. und den 22. September.“