Thüringer Allgemeine (Artern)

Per Hightech-Gondel zur Zugspitze

Erstes Date am seelischen Tiefpunkt Auf Deutschlan­ds höchstem Berg entsteht Seilbahn der Superlativ­e: 600 Fahrgäste können pro Stunde zum Gipfel

- Von Jonas Erlenkämpe­r

Seine Frau Ayda Field hat den Popsänger nach eigenen Worten an seinem Tiefpunkt kennengele­rnt. Er habe sogar am Tag des ersten Treffens mit Field mit einer Drogendeal­erin geschlafen, berichtet der 43-Jährige laut Auszügen aus der Biografie „Reveal: Robbie Williams“. 2007 machte er einen Entzug. Garmisch-Partenkirc­hen. Sie hängen an Seilen oder balanciere­n auf Gerüsten. Unter ihnen der Abgrund, rundherum schneebede­ckte Berge und grüne Wiesen. Doch die knapp 60 Arbeiter auf Deutschlan­ds höchster Baustelle haben keinen Blick für dieses Bilderbuch­Bayern. Sie müssen sich konzentrie­ren, jeder Fehler kann tödliche Folgen haben. Sie arbeiten unter enormem Zeitdruck: Bis Weihnachte­n müssen sie fertig sein. Wer mitten im Gebirge eine Seilbahn baut, benötigt starke Nerven.

Es ist ein Projekt der Superlativ­e, das Deutschlan­ds höchsten Berg verändern wird: Oberhalb von Garmisch-Partenkirc­hen entsteht eine gigantisch­e Seilbahn hinauf zur Zugspitze. 4500 Meter Strecke und 2000 Höhenmeter wird sie überwinden, nur zehn Minuten soll die Fahrt dauern. „Alle, die an diesem Projekt beteiligt sind, werden sich ihr ganzes Leben daran erinnern“, schwärmt Verena Lothes von der Bayerische­n Zugspitzba­hn Bergbahn AG, die mit dem Neubau mehr Touristen als je zuvor auf den Gipfel transporti­eren will. Per Helikopter haben sie einen riesigen gelben Baukran neben dem Gipfelkreu­z installier­t. Dann, vor ein paar Wochen, rammten die Bauarbeite­r eine kolossale Stahlstütz­e in den Boden. Sie ist der einzige Zwischenma­st der Seilbahn, 127 Meter hoch und 420 Tonnen schwer – die höchste Stahlstütz­e der Welt. 18 Lastwagen waren notwendig, um alle Bauteile ins Gebirge zu schaffen. Allein die Schrauben bildeten eine komplette Lkw-Ladung.

Bis zum vergangene­n Frühjahr gab es bereits ein Transportm­ittel auf dieser Strecke. Doch nach mehr als 50 Betriebsja­hren war die Eibseebahn nicht mehr auf der Höhe der Zeit. „Die Bahn wurde 1963 eröffnet, sie entsprach einfach nicht mehr den heutigen Komfortanf­orderungen“, sagt Lothes. An schönen Tagen mussten die Touristen zwei Stunden warten, bis ein Platz frei wurde. Mit dem Neubau soll alles schneller gehen und moderner, schöner, bequemer werden: Das bereits bestehende Gipfelgebä­ude wird zu einem Glas- und Stahlpalas­t mit Panoramare­staurant erweitert. Die Fenstersch­eiben der Gondeln werden beheizt sein, damit sie nicht beschlagen und den Fahrgästen die Sicht nehmen. Bislang konnten pro Stunde 240 Tagestouri­sten auf den Gipfel fahren, bald fast 600. „Im ersten Jahr rechnen wir mit einem Besucherpl­us von zehn Prozent“, sagt Lothes.

In Garmisch-Partenkirc­hen verbinden sie mit dem Großprojek­t immense Hoffnungen. 50 Millionen Euro kostet die Bahn – sie soll den traditione­llen Winterspor­tort zukunftsfä­hig machen. Denn die Alpen leiden unter den Vorboten des Klimawande­ls. Ohne teure Beschneiun­gsanlagen wäre Skifahren auf vielen Pisten gar nicht mehr möglich. Eine Studie des Deutschen Alpenverei­ns kommt zu dem Schluss, dass in bis zu 50 Prozent der bayerische­n Skiorte Winterspor­t in den nächsten 15 bis 25 Jahren unmöglich sein wird.

Thomas Bucher vom Alpenverei­n spricht von einem „Wettlauf gegen den Klimawande­l“: Mit immer neuen Investitio­nen in Schneekano­nen, Lifte und Gipfelattr­aktionen versucht die Tourismusb­ranche, trotz steigender Temperatur­en weiterhin Gäste anzulocken. Bucher ist sicher: „Es gibt Regionen, in denen Skipisten keine Zukunft haben. Dort müssen die Gemeinden etwas anderes bieten, um vom Tourismus leben zu können.“

Das Ende des Winterspor­ts naht

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In schwierige­r Lage – auf der fast  Meter hohen Zugspitze – bauen Arbeiter eine neue Gipfelattr­aktion. Foto: Betz
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Robbie Williams (43)

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