„Die digitale Revolution kostet viel Geld“
Beim Land, aber vor allem bei den Kommunen müssen für Informationstechnik Millionen Euro investiert werden
Erfurt. Wenn sich Thüringer Beamte vor einigen Jahren mit Kollegen aus anderen Bundesländern trafen, wurden sie für den mangelhaften Ausbau der Informationstechnologie in den Verwaltungen beinahe mitleidig belächelt. „Auf diesem Gebiet war Thüringen bekannt für die Vorsteinzeit“, erinnert sich der Vizepräsident des Rechnungshofs, Michael Gerstenberger.
Mittlerweile versucht das Land, die Versäumnisse der vergangenen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, aufzuholen. Aber nicht nur in den großen Behörden des Freistaats liegt einiges im Argen, vor allem auch auf kommunaler Ebene gibt es dringenden Handlungsbedarf. Das belegt eine Prüfung, die der Rechnungshof in fünf Landkreisen, fünf großen Städten und fünf Verwaltungsgemeinschaften durchgeführt hat. Die aus Sicht Gerstenbergers repräsentative Erhebung zeige, sagt er, dass 80 Prozent der Kommunen die IT-Anforderungen an eine moderne Verwaltung nicht erfüllen könnten. Ihnen fehlen Technik und Personal.
Ein Hindernis für einen einheitlichen Aufbau vergleichbarer und kompatibler Informationssysteme war in der Vergangenheit das Pochen von Bürgermeistern und Landräten auf die kommunale Selbstverwaltung. Doch inzwischen ist der Leidensdruck ebenso wie die Einsicht größer geworden.
„Auf kommunaler Ebene brauchen wir dringend ein anderes Schrittmaß, damit wir nicht abgehängt werden“, ist Gerstenberger fest überzeugt. Wenn Städte, Gemeinden und Landkreise an einem Strang ziehen würden, könne man sich Gedanken über Zweckverbände machen, bei denen IT-Aufgaben gebündelt werden. Auch ein kommunales Rechenzentrum oder eine Arbeitsgemeinschaft oder eine kommunale GmbH seien denkbar, gibt der Rechnungshofvize im Gespräch mit dieser Zeitung einige Beispiele.
Der Geschäftsführer des Gemeindeund Städtebundes, Ralf Rusch, kennt die Lage vor Ort. „Wir brauchen dringend eine Lösung, sonst werden wir von dieser Problematik überrollt“, sagt er.
Aber oftmals gelte in den Kommunen das Motto: Dringendes erschlägt Wichtiges. Da habe die Ausstattung der Feuerwehr oder die Gewässerunterhaltung nachvollziehbarerweise Vorrang vor IT-Investitionen. Das Thema sei bislang stiefmütterlich behandelt worden, gesteht Rusch. „Aber wir nehmen das sehr ernst und gehen es jetzt gemeinsamen an. Nur ohne Geld vom Land wird es nicht funktionieren.“Ruschs Kollege vom Landkreistag sieht das genauso. „Der Ausbau des E-Government und die Digitalisierung müssen zu 100 Prozent vom Land bezahlt werden“, sagt der Geschäftsführer des Landkreistages, Thomas Budde. Im Kommunalen Finanzausgleich sei dafür kein Geld vorgesehen. Neben den Ausgaben für die Einführung seien erhebliche Kosten für das Betreiben der ITNetzstrukturen und für IT-Fachkräfte erforderlich. „Die digitale Revolution kostet viel Geld“, ist Budde überzeugt. Das müsse allen Beteiligten klar sein — vor allem auch dem Land.
In der rot-rot-grünen Koalition wähnt man sich diesbezüglich auf einem guten Weg. Zuständig dafür ist Hartmut Schubert. Der Sozialdemokrat ist Finanzstaatssekretär und zugleich CIO (Chief Informationen Officer), also der Leiter der Informationstechnik des Freistaats. Schubert führt viele Gespräche, hält engen Kontakt zu den Spitzenverbänden. Ziel sei es, die Kommunen beim Auf- und Ausbau ihrer E-Governmentangebote zu unterstützen, sagt er. Denn laut Onlinezugangsgesetz des Bundes seien Länder und Kommunen angehalten, bis Ende 2022 sämtliche Antragsverfahren zu digitalisieren. Infolge dessen gebe es die Unsicherheit bei den Kommunen, wie das zu bewerkstelligen ist.
Hier hat Schubert eingehakt und bietet Gemeinden und Kreisen IT-Basisdienste kostenlos an. Es besteht die Möglichkeit, den Online-Zugang zu Verwaltungsverfahren über eine zentrale Plattform zu realisieren. Zudem gibt es einen Beirat für kommunales E-Government, der als Austauschforum dient. Erst jüngst hat das Gremium einige Knackpunkte diskutiert.
Es ging unter anderem um die Zusammenarbeit bei der IT-Sicherheit, die Elektronische Akte oder die internetbasierte KfzZulassung.
120 Millionen Euro gibt Thüringen allein 2018 für Informationsund Kommunikationstechnik aus. Nur sechs Millionen Euro davon sind für kommunale Investitionen vorgesehen. Ob das Geld reicht, darf bezweifelt werden. Gerstenberger rechnet in den nächsten Jahren mit Beträgen im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich.
Ein anderes Schrittmaß auf kommunaler Ebene