Gleiches Produkt, anderer Preis
Studie: Frauen müssen häufig mehr für Dienstleistungen und Waren zahlen als Männer
Berlin. Haarschnitt, Reinigung, Einwegrasierer: Bei vielen Produkten und Dienstleistungen zahlen Frauen mehr als Männer, wie eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergeben hat. Die Behörde spricht von einer „Preisdifferenzierung nach Geschlecht“und beschreibt damit das Verhalten von Anbietern, die gleiche oder sehr ähnliche Leistungen mit unterschiedlichen Preisen für Frauen und Männer versehen. Untersucht wurden 381 Dienstleistungen und 1682 Produkte. Bei etwa der Hälfte gab es deutliche Unterschiede. Es war die erste offizielle Untersuchung zu dem Thema überhaupt.
Produktvarianten gelten als vergleichbar, wenn sie sich ausschließlich im Design unterscheiden, das entweder Frauen oder Männer ansprechen soll – etwa rosa oder blaue Farbe bei einem Einwegrasierer. Dieses „Gender-Marketing“verstößt erst einmal nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Problematisch wird es, wenn identische Produkte zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden.
„Preisaufschläge verstoßen gegen Gesetz“
Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle
So kritisiert die Antidiskriminierungsstelle, dass etwa Einwegrasierer, die sich in Herstellung und Eigenschaften nicht unterscheiden, für Frauen wesentlich teurer sind. Bei einem großen Discounter kostet das Sechserpack für Frauen 4,49 Euro, für Männer aber nur 3,89 Euro, „wobei sich die Produkte ausschließlich in Farbe und Verpackung unterscheiden“, sagte Iris an der Heiden vom Institut für sozioökonomische Forschung und Beratung, das die Studie erstellte.
Geschlechterspezifische Unterschiede gibt es besonders bei Kinderspielzeug. Insgesamt 64 Prozent der hier untersuchten Produkte unterscheiden sich nicht in ihrer Herstellung und ihrem Produktionsaufwand, aber deutlich im Preis, wenn das Spielzeug für Mädchen oder für Jungs ist. Ein Ball mit Prinzessinnen-Bild ist demnach teurer als ein Ball mit Autoaufdruck.
Allerdings fanden die Studienautoren nur bei 3,7 Prozent der untersuchten Konsumgüter Preisunterschiede. „Zum Glück“, sagte Iris an der Heiden, betont aber, dass trotzdem 62 untersuchte Waren klar gegen das Antidiskriminierungsgesetz verstoßen. Den Konsumenten bleibt es selbst überlassen, ob sie sich für ein Produkt „speziell“für Mädchen oder für Jungs entscheiden oder ob sie stattdessen lieber zur geschlechtsneutralen Variante greifen.
Bei Dienstleistungen fällt der bewusste Verzicht schwerer. Und die Unterschiede sind auch größer. Knapp 60 Prozent der untersuchten Angebote unterscheiden zwischen Kunde oder Kundin. Besonders deutlich wird das im Friseursalon und bei Reinigungsbetrieben. Bei Kurzhaarfrisuren macht ein Preisaufschlag für Frauen im Schnitt 12,50 Euro aus. Die Reinigung von Blusen kostet durchschnittlich 1,80 Euro mehr als die von Hemden. Man begründe die unterschiedlichen Preisekategorien damit, dass Frauen nun einmal anspruchsvoller in ihren Anforderungen wären und die Termine bei Kundinnen oft länger dauern als bei Kunden, erklärte Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle.
Nach Antidiskriminierungsgesetz ist es aber unzulässig, das Geschlecht als pauschalen Näherungswert für Vorlieben der Kundinnen und Kunden zu nutzen. „Die Vorstellung von einer aufwendigen Damenfrisur stammt aus der Zeit, als Dauerwellen noch in Mode waren“sagt Lüders. Als Beispiel nannte sie Borussia Dortmunds Stürmerstar Pierre-Emerick Aubameyang, der wahrscheinlich wesentlich länger als sie beraten und frisiert werde. „Wenn eine Person allein wegen ihres Geschlechts mehr zahlen muss, dann verstößt das im Grundsatz gegen das Diskriminierungsverbot“, fügte Lüders hinzu. Den unterschiedlichen Preisen bei Blusen und Hemden liege die gleiche pauschalisierende Logik zugrunde. Obwohl die Reinigung für Blusen in der Regel aufwendiger ist als für Hemden, dürfe kein automatischer Preisaufschlag folgen. Auch das wäre Diskriminierung. Die Antidiskriminierungsstelle fordert daher leistungs- und materialbezogene Preise, die sich stattdessen an dem Aufwand bestimmter Dienstleistungen orientieren. Die einschlägigen Verbände sollten daher entsprechende Selbstverpflichtungen anregen und geschlechtsneutrale Musterpreislisten erstellen. Betriebe, die nach diesem Schema ihre Preise festlegen, gibt es schon.
In Österreich versucht man seit zehn Jahren pauschale Preiskategorien nach und nach abzuschaffen, etwa bei Friseuren. In Zusammenarbeit mit den Innungen wurde eine geschlechtsneutrale Musterpreisliste konzipiert. Für Deutschland stellt sich Lüders ein ähnliches Vorgehen vor. Vom Rechtsweg riet sie Verbrauchern dennoch ab. Dieser sei aufwendig und teuer. Man möchte in Deutschland erst einmal auf Dialog mit den Verbänden setzen.
Österreich erarbeitet neutrale Musterpreislisten