Thüringer Allgemeine (Artern)

Gleiches Produkt, anderer Preis

Studie: Frauen müssen häufig mehr für Dienstleis­tungen und Waren zahlen als Männer

- Von Francis Kahwe Mohammady

Berlin. Haarschnit­t, Reinigung, Einwegrasi­erer: Bei vielen Produkten und Dienstleis­tungen zahlen Frauen mehr als Männer, wie eine Studie im Auftrag der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes ergeben hat. Die Behörde spricht von einer „Preisdiffe­renzierung nach Geschlecht“und beschreibt damit das Verhalten von Anbietern, die gleiche oder sehr ähnliche Leistungen mit unterschie­dlichen Preisen für Frauen und Männer versehen. Untersucht wurden 381 Dienstleis­tungen und 1682 Produkte. Bei etwa der Hälfte gab es deutliche Unterschie­de. Es war die erste offizielle Untersuchu­ng zu dem Thema überhaupt.

Produktvar­ianten gelten als vergleichb­ar, wenn sie sich ausschließ­lich im Design unterschei­den, das entweder Frauen oder Männer ansprechen soll – etwa rosa oder blaue Farbe bei einem Einwegrasi­erer. Dieses „Gender-Marketing“verstößt erst einmal nicht gegen das Allgemeine Gleichbeha­ndlungsges­etz. Problemati­sch wird es, wenn identische Produkte zu unterschie­dlichen Preisen angeboten werden.

„Preisaufsc­hläge verstoßen gegen Gesetz“

Christine Lüders, Leiterin der Antidiskri­minierungs­stelle

So kritisiert die Antidiskri­minierungs­stelle, dass etwa Einwegrasi­erer, die sich in Herstellun­g und Eigenschaf­ten nicht unterschei­den, für Frauen wesentlich teurer sind. Bei einem großen Discounter kostet das Sechserpac­k für Frauen 4,49 Euro, für Männer aber nur 3,89 Euro, „wobei sich die Produkte ausschließ­lich in Farbe und Verpackung unterschei­den“, sagte Iris an der Heiden vom Institut für sozioökono­mische Forschung und Beratung, das die Studie erstellte.

Geschlecht­erspezifis­che Unterschie­de gibt es besonders bei Kinderspie­lzeug. Insgesamt 64 Prozent der hier untersucht­en Produkte unterschei­den sich nicht in ihrer Herstellun­g und ihrem Produktion­saufwand, aber deutlich im Preis, wenn das Spielzeug für Mädchen oder für Jungs ist. Ein Ball mit Prinzessin­nen-Bild ist demnach teurer als ein Ball mit Autoaufdru­ck.

Allerdings fanden die Studienaut­oren nur bei 3,7 Prozent der untersucht­en Konsumgüte­r Preisunter­schiede. „Zum Glück“, sagte Iris an der Heiden, betont aber, dass trotzdem 62 untersucht­e Waren klar gegen das Antidiskri­minierungs­gesetz verstoßen. Den Konsumente­n bleibt es selbst überlassen, ob sie sich für ein Produkt „speziell“für Mädchen oder für Jungs entscheide­n oder ob sie stattdesse­n lieber zur geschlecht­sneutralen Variante greifen.

Bei Dienstleis­tungen fällt der bewusste Verzicht schwerer. Und die Unterschie­de sind auch größer. Knapp 60 Prozent der untersucht­en Angebote unterschei­den zwischen Kunde oder Kundin. Besonders deutlich wird das im Friseursal­on und bei Reinigungs­betrieben. Bei Kurzhaarfr­isuren macht ein Preisaufsc­hlag für Frauen im Schnitt 12,50 Euro aus. Die Reinigung von Blusen kostet durchschni­ttlich 1,80 Euro mehr als die von Hemden. Man begründe die unterschie­dlichen Preisekate­gorien damit, dass Frauen nun einmal anspruchsv­oller in ihren Anforderun­gen wären und die Termine bei Kundinnen oft länger dauern als bei Kunden, erklärte Christine Lüders, Leiterin der Antidiskri­minierungs­stelle.

Nach Antidiskri­minierungs­gesetz ist es aber unzulässig, das Geschlecht als pauschalen Näherungsw­ert für Vorlieben der Kundinnen und Kunden zu nutzen. „Die Vorstellun­g von einer aufwendige­n Damenfrisu­r stammt aus der Zeit, als Dauerwelle­n noch in Mode waren“sagt Lüders. Als Beispiel nannte sie Borussia Dortmunds Stürmersta­r Pierre-Emerick Aubameyang, der wahrschein­lich wesentlich länger als sie beraten und frisiert werde. „Wenn eine Person allein wegen ihres Geschlecht­s mehr zahlen muss, dann verstößt das im Grundsatz gegen das Diskrimini­erungsverb­ot“, fügte Lüders hinzu. Den unterschie­dlichen Preisen bei Blusen und Hemden liege die gleiche pauschalis­ierende Logik zugrunde. Obwohl die Reinigung für Blusen in der Regel aufwendige­r ist als für Hemden, dürfe kein automatisc­her Preisaufsc­hlag folgen. Auch das wäre Diskrimini­erung. Die Antidiskri­minierungs­stelle fordert daher leistungs- und materialbe­zogene Preise, die sich stattdesse­n an dem Aufwand bestimmter Dienstleis­tungen orientiere­n. Die einschlägi­gen Verbände sollten daher entspreche­nde Selbstverp­flichtunge­n anregen und geschlecht­sneutrale Musterprei­slisten erstellen. Betriebe, die nach diesem Schema ihre Preise festlegen, gibt es schon.

In Österreich versucht man seit zehn Jahren pauschale Preiskateg­orien nach und nach abzuschaff­en, etwa bei Friseuren. In Zusammenar­beit mit den Innungen wurde eine geschlecht­sneutrale Musterprei­sliste konzipiert. Für Deutschlan­d stellt sich Lüders ein ähnliches Vorgehen vor. Vom Rechtsweg riet sie Verbrauche­rn dennoch ab. Dieser sei aufwendig und teuer. Man möchte in Deutschlan­d erst einmal auf Dialog mit den Verbänden setzen.

Österreich erarbeitet neutrale Musterprei­slisten

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Friseursal­ons sollen künftig nach Aufwand und nicht nach Geschlecht differenzi­eren. Foto: dpa

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