Abriss auf Steuerzahlerkosten
In diesem Jahr wurden durch die Kreisbehörde sieben Ersatzvornahmen geleistet. Eigentümer können Abrisskosten oft nicht tragen
Heidrun Kluge (62), Rentnerin aus Sondershausen:
Ich hatte schon immer vor, mich dem Hainleite-Wanderclub anzuschließen. Meine zweite Wanderung war das bisher. Da ich mich jetzt im Ruhestand befinde, kann ich meinem Hobby nun öfters nachgehen. Es ist eine gesellige Gemeinschaft, darum fühle ich mich sehr wohl. Außerdem tut die frische Luft gut, hinzu kommt, dass Wandern gesund ist.
Foto: Henning Most Kyffhäuserkreis. Ein Abrissbagger hat diese Woche in Bad Frankenhausen ganze Arbeit geleistet. In der Brauhausgasse knabberte er sich vom Dach Stück für Stück durch das Mauerwerk eines alten Hauses nach unten. Das leer stehende Gebäude direkt an der Straße war zu einer Gefahr geworden. Da sich keiner der Eigentümer kümmerte, verfügte die Kreisverwaltung Ersatzvornahme.
„Am 1. April 1993 gab es einen großen Brand. Die Bewohnerin kam damals dabei ums Leben. Seither war das Haus nicht mehr bewohnt“, erzählt Nachbarin Annerose Eschert (66), die gestern Vormittag an der Abrissstelle steht und zusammen mit ihrem Mann Karl-Heinz (70) die Arbeiten mit der Kamera genau dokumentiert. Beide Gebäude teilen sich die Giebelwand, und die Escherts sorgen sich um ihr Haus, wenn plötzlich die Nachbarwand fehlt. Als es an den Keller des Gebäudes ging, sei es ihnen schon mulmig geworden, berichtet Annerose Eschert. Erbaut als Stadtmauerhäuser um 1480, verfügen die Gebäude über Kellergewölbe. „Wenn der Untergrund nachgegeben hätte, wäre unser Haus womöglich abgerutscht“, sagt sie.
Das einsturzgefährdete Haus in der Brauhausgasse ist nicht die einzige Ersatzvornahme, die der Kreis in diesem Jahr realisieren ließ. In Wiehe veranlasste die Bauverwaltung den Abriss des ersten Obergeschosses eines Wohnhauses am Markt, in dem am 1. April ein Feuer große Teile des historischen Gebäudes vernichtet hatte.
Die häufigsten Gründe für Ersatzvornahmen stellen Gebäude dar, von denen eine Gefahr im Verzug ausgeht. „Bei einer Ersatzvornahme handelt es sich um den teilweisen oder vollständigen Abbruch baulicher Anlagen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Aufgrund der schlechten baulichen Substanz ist ein Einschreiten unumgänglich“, sagt Sören Hauskeller, der Chef des Bauverwaltungsamtes des Kreises.
Insgesamt ordnete der Kreis im abgelaufenen Jahr sieben Ersatzvornahmen an. Mit vier befanden sich die meisten im Bereich der Kreisstadt Sondershausen. So wurde im Auftrag der Kreisverwaltung zur Gefahrenabwehr eine Abrissfirma in der Kalten Gasse im Ortsteil Großberndten tätig. Im Ortsteil Hohenebra wurde das Wohnhaus An den Linden 22 abgetragen, in der Kreisstadt selbst ein Nebengebäude der Breitscheid-Straße 48. Auch zu einem Nebengebäude in der Clara-Zetkin-Straße im Ortsteil Toba der Gemeinde Helbedündorf rückte der Abrissbagger zur Gefahrenabwehr an.
Doch auch wegen illegaler Errichtung eines Wochenendhauses in der Erfurter Straße in Sondershausen schritt die Bauverwaltung ein. „Eine Legalisierung durch ein Baugenehmigungsverfahren beziehungsweise eine gerichtliche Entscheidung konnte nicht erzielt werden, so dass schlussendlich die Beseitigung durch unsere Behörde vollzogen werden musste“, so der Chef der Bauverwaltung.
Die Abrisskosten übernimmt zunächst der Kreis. 45 000 Euro wurden dafür in den Kreishaushalt eingestellt, wobei sich die tatsächlichen Summe inzwischen schon auf 49 200 Euro beläuft. „Per Leistungsbescheid werden die Kosten dann auf den Eigentümer umgelegt, soweit dies möglich ist“, erklärt Hauskeller. Dies gehe bis hin zu Vollstreckungsmaßnahmen. Doch auch das klappt nicht immer. „Im Haushaltsjahr 2017 konnten bislang 15 000 Euro beigetrieben werden“, sagt Hauskeller. An dieser Stelle kommt dann der Steuerzahler ins Spiel.
Dabei sind die häufigsten Gründe für Ersatzvornahmen nicht immer die finanzielle Unfähigkeit eines Eigentümers, seinen Besitz soweit abzusichern, dass er keine öffentliche Bedrohung mehr darstellt. Gelegentlich führen auch Streitigkeiten in einer Erbengemeinschaft zum Einschreiten der Kreisbehörde. „Vermehrt treten solche Fälle auf, wo aufgrund von Uneinigkeit keine abschließende Lösung für solche Grundstücke gefunden wird. Dies geht so weit, dass diese Objekte nahezu unbrauchbar werden“, berichtet Hauskeller. Erschwerend komme hinzu, dass viele Eigentümer unauffindbar seien und die Behörde viel Zeit mit der Ermittlung verbringen müsse. „Eine Besonderheit stellen dabei auch so genannte herrenlose Grundstücke dar. Dies sind Grundstücke, an denen das Eigentum mittels Grundbucheintragung bewusst aufgegeben wurde, um sich so der Verpflichtung zu entziehen“, so Hauskeller.
Auch im Falle der Brauhausgasse in Bad Frankenhausen gingen Uneinigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft voraus. Zum Leidwesen der Escherts, die jetzt mit einer frei liegenden Giebelwand dastehen und nicht mal dicke Dämmung aufbringen können. Denn die würde auf das Nachbargrundstück reichen.