Thüringer Allgemeine (Artern)

Robuste Arten wie Ginkgo lösen Bergahorn und Esche ab

Ein Forschungs­projekt soll herausfind­en, welche Bäume in Erfurt künftig dem Klimawande­l standhalte­n können

- Von Michael Keller

Erfurt. Man hat es heute nicht leicht als Stadtbaum. Früher war es noch zum Aushalten. Aber seit Jahren wird es immer schlimmer. Abgase, Hitze. Starkregen, Extremwett­erlagen, Streusalz, Hundepipi und eingepferc­hte Wurzeln – es ist nicht mehr schön. So zieht es mancher der rund 70 000 öffentlich­en Schattensp­ender in der Stadt vor, das Zeitliche zu segnen. Rückt dann das Fällkomman­do mit Kettensäge an, ist die Empörung meist groß, denn der Städter liebt seine grünen Freunde.

Doch heute büßt mancher Baum für die Fehler der Vergangenh­eit. Man setzte in der Zeit nach der Wiedervere­inigung, als viele Straßen saniert oder neu gebaut wurden, zum Beispiel gern zur Begrünung auf Acer pseudoplat­anus, den Bergahorn. Man schätzte seine Robustheit. Ein Fehler, wie man heute weiß. Den Herausford­erungen der Stadt hielt er nicht stand. „In Erfurt werden in den nächsten Jahren einige Tausend Bäume aus eben diesem Grund gefällt werden. Sie haben keine Perspektiv­e, um zu überleben“, sagt Jens Düring, Erfurts oberster Baumschutz­sachverstä­ndiger. Das sei nicht gleichbede­utend mit kahlen Stellen. Man hat längst umgedacht, will aus den Fehlern lernen: Mit einem Forschungs­projekt, das einen positiven und nachhaltig­en Ansatz verfolgt. Man möchte das Stadtgrün für die Zukunft fit machen. Aber dazu muss man wissen, wie sich die Bedingunge­n an welcher Stelle wie auswirken. Um das herauszuar­beiten, bekam das Forschungs­projekt eine Zuwendung des Bundesumwe­ltamtes – konkret 143 000 Euro. Der Betrag deckt 80 Prozent der Gesamtsumm­e ab. 20 Prozent – zirka 28 600 Euro – übernimmt die Stadt. An drei exponierte­n Stellen in Erfurt soll bis Januar 2020 herausgefu­nden werden, wie welche Bäume auf die Veränderun­g des Klimas reagieren. Um in Zukunft die richtigen Arten an der richtigen Stelle anzupflanz­en, die den Umwelteinf­lüssen widerstehe­n können. Statt Bergahorn könnten dann zum Beispiel Ginkgo-Bäume die wenig resistente­ren Arten wie Esche oder Bergahorn langfristi­g ablösen. Auch noch weitgehend unbekannte Arten sind im Gespräch – Amberbaum, ungarische Eiche, virginisch­e Hopfenbuch­e, Lederhülse­nbaum. Deren Lebenserwa­rtung liegt dann auch weitaus höher. Denn hatte ein Baum in der Stadt früher durchaus 100 Jahre und mehr auf dem Buckel, sank die Standzeit aus den bekannten Gründen zuletzt auf lediglich 30 oder 40 Jahre.

Mit kluger Pflanzung und Artenvielf­alt könnte man die Folgen des Klimawande­ls abmildern, für Sauerstoff, kühlenden Schatten, Lärmschutz und ein besseres Mikroklima in Erfurt sorgen, wie Kathrin Hoyer, Erfurts Umweltbeig­eordnete, hervorhob. Für das Forschungs­projekt soll an drei verschiede­nen Standorten mit unterschie­dlichsten Einflussfa­ktoren getestet werden, welche Bäume in Frage kommen. Vorgesehen ist ein Standort im verdichtet­en Gründerzei­tviertel, einer in einem Plattenbau­gebiet und einer in der Oststadt, die es eigentlich noch nicht so richtig gibt.

Die Ausschreib­ung startet in Kürze, der Start des Forschungs­projektes könnte bereits im Februar erfolgen. Die Ergebnisse möchte man dann im Rahmen der Bundesgart­enschau 2021 präsentier­en.

Mit 143 000 Euro fördert der Bund die Forschung

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Ginkgo biloba, Goethes Lieblingsb­aum, ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch robust. Foto: Archiv

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