Der gelbe Nebel
Spätestens wenn draußen Frühlingsdüfte wallen, der Flieder blüht, muss man sich als Frau dem Unvermeidlichen stellen: Der Erweckung des Balkons aus dem Winterschlaf. Man überredet den Mann, endlich den eingetopften Weihnachtsbaum zu zerstückeln und zu entsorgen, weil er es allen Hoffnungen zum Trotz doch nicht über den Winter geschafft hat. Dann begibt man sich für die nächsten zwei Stunden in Kriechstellung, klaubt Tannenadeln und welke Blätter und was die Natur sonst noch anwehte aus den Dielenritzen, kämpft sich zentimeterweise mit Bürste und Wasser durch Staub, Spinnenweben, bis der Orthopäde ruft. Zwei Drittel des Samstages gehen für die Putzoffensive drauf. Früher gab es für so etwas Haushaltstage, es war nicht alles schlecht.
Man schickt den Mann in den Keller nach den eingelagerten Sitzpolstern, er soll sich auch einbringen dürfen. Schwingt sich ins Auto und fährt zum nächsten Gartenmarkt, rüstet sich mit dem Allergrünsten, Allerduftigsten aus. Am Ende des Tages das Resümee: So frisch, so blitzend, sind diese neun Quadratmeter nur einmal im Jahr.
In der Nacht regnet es. „Der gelbe Nebel“hieß ein Lieblingsbuch aus Kindertagen. Etwa so muss das aussehen. Gelber Staub, wohin man blickt, in jeder Ritze, auf jedem Blättchen aus dem Gartenmarkt.
Es liegt, liest der recherchierende Mann aus dem Internet vor, am Mastjahr, Birken und Fichten produzieren ungewöhnlich viele Pollen. Dazu der ungewöhnlich warme April.
Ist das der Klimawandel? Die Natur schlägt zurück. Man kann als Frau nicht jeden
Kampf gewinnen.