Was gegen die Angst vor dem Arzt hilft
Jenaer Psychologen nähern sich dem Phänomen Iatrophobie wissenschaftlich. Immer häufiger werden VR-Brillen eingesetzt
Jena. Herzrasen, Unwohlsein, Schwindelgefühl: Viele Menschen haben Bammel vor einer Operation. Für einige aber ist ein bevorstehender Behandlungstermin der blanke Horror. Allein die Vorstellung einer Klinik oder eines Zahnarztstuhles löst bei den Betroffenen Panikattacken aus. „Deshalb verzichten diese Angstpatienten häufig auf notwendige Arztbesuche – und dadurch werden nicht selten Krankheiten verschleppt und Symptome unnötig schlimmer“, erklärt Jenny Rosendahl vom Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena.
Die Thüringer Wissenschaftler haben deshalb untersucht, welche nicht medikamentösen Interventionen gegen die Angstschübe helfen. Insgesamt wurden Tausende Studien zu diesem Thema gesichtet und ausgewertet. „Am Ende kamen wir zum Ergebnis, dass die Hypnose am wirksamsten gegen die Angst hilft“, erklärt Rosendahl weiter.
Aber auch mit Entspannungsund Atemübungen sowie Musikangeboten vor und während des Eingriffs können die Mediziner beachtliche Effekte erzielen. „Jede Maßnahme hat die psychischen Belastungen zumindest verringert“, so die Psychologin. Wenn der Patient beispielsweise abgelenkt wird, hat er weniger Zeit, sich auf seine Angst zu konzentrieren.
Immer häufiger kämen deshalb auch sogenannte VirtualReality-Brillen zum Einsatz. „Ein Film während der OP kann ein kleines Wunder bewirken.“Mittlerweile sei die Technik ausgereift – und in der Anschaffung nicht mehr so teuer.
Aus all den Gründen seien auch die persönlichen Gespräche mit Schwestern oder ausführliche Infos durch den Arzt eine wichtige Stütze für die Betroffenen. „Um so bedauerlicher ist es, dass das Pflegepersonal immer weniger Zeit hat.“
Rund zwei Millionen Deutsche leiden einer Studie zufolge unter der Angst vorm Arzt – Iatrophobie genannt. Und regelmäßig hat diese ihren Ursprung in der Vergangenheit des Patienten: „Meist wird das Gefühl durch schlechte Erfahrungen mit Ärzten oder in Kliniken, eine falsche Diagnose oder schmerzhafte Behandlungen ausgelöst“, erläutert Rosendahl. Hinzu käme eine natürliche Angst vor dem Tod. „Der Arzt kann die Anspannung mildern, wenn er mit dem Patienten darüber spricht, über welche Möglichkeiten er selbst verfügt, um die Heilung voranzutreiben.“
Die Diagnose Iatrophobie kann jeden treffen: „In ihrer Angst sind alle Menschen gleich – auffällig ist, dass Frauen häufiger über solche Gefühl reden.“
Vor allem Zahnärzte kennen das Problem, dass Patienten aus Angst nicht kommen. Schätzungen zufolge bleiben vier Prozent der Deutschen dem Dentisten fern. Nicht wenige haben einfach nur Angst vor der Betäubungsspritze. Die Folgen aber sind weitreichend: In dieser Zeit müssen die Betroffenen nicht nur starke Schmerzen aushalten, in vielen Fällen ziehen sie sich vor lauter Scham auch aus ihrem Freundeskreis zurück.
Die Studie aus Thüringen ist ein Plädoyer für den verstärkten Einsatz der begleitenden Therapieformen. Zumal die Risiken und Nebenwirkungen für alle Seiten gering sind. Ein bisschen Musik, ein spannender Film, der durch die VR-Brille flimmert – und schon wird die Angst des Patienten gemildert. Und auch für die Hypnose kann man den Aufwand in Grenzen halten, wenn die beruhigenden Worte per CD eingespielt wird. Rund 6000 Zahnärzte in ganz Deutschland bieten den Service bereits an.