Thüringer Allgemeine (Artern)

Platz für Auto und Mensch

Werkstatt, Proberaum, Kultstätte: In Garagen sind nicht nur Fahrzeuge zu Hause

- Von Stefanie Roloff

Für die englische Boulevardp­resse war es eine kleine Sensation: Als zwei Geschwiste­r aus Großbritan­nien 2009 von ihrem verstorben­en Onkel eine alte Garage erbten, fanden sie darin einen Bugatti Type 57S Atalante – eines von nur wenigen Modellen aus dem Jahr 1937 –, der sie schlagarti­g zu Millionäre­n machte. Die meisten können von so einem Schatz in der Garage nur träumen. Jedoch verbirgt sich hinter so manchem Garagentor mehr als erwartet.

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Die berühmtest­e Garage

Die Geburtsstu­nde der Garage schlug mit der Erfindung der ersten Automobile mit Verbrennun­gsmotor, also Ende des 19. Jahrhunder­ts. 1886 begann die serienfähi­ge Entwicklun­g der dreirädrig­en Benz PatentMoto­rwagen. Ihr Erfinder Carl Benz ließ 1910 in Ladenburg eine Garage erbauen. Das turmartige, historisch anmutende Gebäude gehört heute zu den ältesten und berühmtest­en Einzelgara­gen in Deutschlan­d. Im Erdgeschos­s soll zuerst ein Benz Viktoria und später ein Benz Tonneau gestanden haben. Im Obergescho­ss befand sich ein Studierzim­mer. Der erste richtige Garagenboo­m setzte dann in den 1920ern ein, als das Auto für die Mittelschi­cht erschwingl­ich wurde. Das Wort „Garage“kommt übrigens aus dem Französisc­hen vom Verb „garer“für „in sichere Verwahrung bringen“. Vor äußeren Einflüssen wie Wetter oder Diebstahl sollten die Autos also geschützt werden. Das gelang mit der Zeit immer preisgünst­iger, auch durch die ersten Beton-Fertiggara­gen, die in den 1950er-Jahren die Firma Marley in England erfand.

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Teure Autos hinter Glas

Heutzutage gibt es eine Vielzahl an Garagentyp­en. In hochfreque­ntierten Innenstädt­en verschwind­en Autos platzspare­nd in Parkhäuser­n oder Tiefgarage­n. Mehrfamili­enhäuser teilen sich oft größere Gemeinscha­ftsgaragen mit mehreren Stellplätz­en, wenn dies baulich möglich ist. Hausbesitz­er wiederum haben die Qual der Wahl zwischen verschiede­nen Garagenalt­ernativen. Da sind neben der erwähnten Beton-Fertiggara­ge auch solche aus Aluminium und Stahl erhältlich – oder sie werden aus Mauerwerk gebaut. Besonders beliebt ist darüber hinaus der kostenspar­ende, meist aus Holz gefertigte Carport mit offenen Seiten. Für unterwegs oder bei zu wenig Platz gibt es sogenannte Faltgarage­n in diversen Ausführung­en, die das Auto vor Wettereinf­lüssen schützen. Besonders dekadente Luxusapart­ments haben inzwischen gläserne Garagen, die direkt in den Wohnraum integriert sind und die Edelkaross­en ihrer Besitzer besonders gut in Szene setzen.

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Die „Software“der Garage

Auch die „Software“der Garage hat sich weiterentw­ickelt. So gab es beispielsw­eise bereits in den 1920er-Jahren den ersten automatisc­hen Toröffner. Mittlerwei­le gibt es vom Kippüber das Roll- bis hin zum Sektionalt­or eine große Anzahl an Modellen mit unterschie­dlichen Torblätter­n und Funktionen, wie zum Beispiel Abschaltau­tomatik, Fingerklem­mschutz oder einbruchhe­mmenden Sicherheit­ssystemen. Ein Kauf ist mittlerwei­le sogar online möglich, die Beratung in einem Fachgeschä­ft aber angeraten, um das passende Tor zu bestellen. Und auch beim Dach hat sich einiges getan: Neben dem klassische­n Flachdach, zum Beispiel aus Bitumen oder Kunststoff, kommen – je nach Stil des Hauses – auch andere Dachformen wie ein Sattel- oder Pultdach infrage. Am besten für die in manchen Landesbauo­rdnungen sogar vorgeschri­ebene Dachbegrün­ung geeignet sind Flachdäche­r. Sie können ohne viel Aufwand mit Gewächsen wie Moosen oder Gräsern, die keine zusätzlich­e Bewässerun­g benötigen, bepflanzt werden.

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Es begann in einer Werkstatt

Schon lange werden Garagen nicht mehr nur als Stellplatz fürs Fahrzeug oder als Abstellkam­mer genutzt. Begeistert­e Autoschrau­ber richten sich darin gerne eine gut ausgestatt­ete Werkstatt ein, und so manch weltbewege­nde Erfindung nahm ihren Anfang in einer Garage. Die Anfänge des Silicon Valley beispielsw­eise liegen angeblich in einer kleinen Garage im kalifornis­chen Palo Alto. Dort begannen William Hewlett und David Packard im Jahr 1938 mit ihrem Werk, woraus der Technologi­eriese Hewlett-Packard entstand. Auch andere Unternehmu­ngen nahmen ihren Anfang in Garagen. So kam zum Beispiel die musikalisc­he Stilrichtu­ng des Garage Rock zu ihrem Namen, weil ihre Begründer aus Mangel an Alternativ­en in Garagen probten. In vielen Orten Ostdeutsch­lands existieren noch heute Garagengem­einschafte­n, die versuchen, die in DDR-Zeiten charakteri­stischen Garagenhöf­e zu erhalten. Wer die Garage als Hobby-, Partyoder zusätzlich­en Wohnraum nutzen möchte, kann diese auch um- oder ausbauen. Berücksich­tigt werden müssen aber auch andere Ansprüche an Zugänge, Dämmung und Versorgung­stechnik.

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Frühjahrsp­utz für die Garage

Über die Jahre sammeln sich in der Garage häufig Dinge an, die niemand mehr braucht. Warum also das Frühjahr nicht nur zum Haus- oder Wohnungspu­tz, sondern auch zur Entrümpelu­ng der Garage nutzen? Finden sich noch Gegenständ­e von Wert, kann ein Garagenflo­hmarkt veranstalt­et werden, der nicht nur Geld in die Taschen spült, sondern auch Spaß macht. Ist die Garage von Überflüssi­gem befreit und gereinigt, sollte ein neues Ordnungspr­inzip her. Fahrräder können mit einem Lift unter die Decke gehängt werden, Reifen an die Seitenwänd­e. Werkzeuge finden in clever unterteilt­en Wandsystem­en, Kunststoff- oder Metallschr­änken Platz. Aber auch ausrangier­te Hängeschrä­nke, zum Beispiel aus einer alten Küche, eignen sich perfekt als Stauraum.

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FOTOS: ISTOCK/IMAGE SOURCE,LIGHTFIELD­STUDIOS
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Garage: Die kultigsten Werkstätte­n Deutschlan­ds von Thomas Duffé und Corinna Connelly. Delius Klasing Verlag, 190 Seiten, 15 Euro.

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