Noch ein Brötchen, bitte!
Was ist nur mit dem Weizen passiert, dass er mittlerweile als chronisches Gift bezeichnet wird? Zehntausend Jahre war er das gesunde Grundnahrungsmittel schlechthin, seit fünfzig Jahren ist das anders. Mit Schuld daran trägt die Schneller-Größer-Billiger-Backmaschinerie, die sich das Getreide so umzüchten ließ, dass man für die Herstellung von der Ähre bis zum fertigen Brot nur mehr zwei Stunden benötigt. Früher enthielt Weizen fünf Prozent des Klebereiweißes Gluten, heute über fünfzig. Früher wurden zeitintensiv Sauerteige angesetzt, heute … Na, das können Sie sich vorstellen. Dabei ist es gerade die lange Teigruhe, die unser Brot gesünder werden lässt, sodass es selbst Allergiker vertragen.
In den besonders gesund klingenden Fitness- und Eiweißbrötchen wird Gluten sogar noch als Pülverchen hinzugefügt. So ein Gebäckstück ist dann eigentlich nur noch ein Häufchen Zucker mit Abfallprotein. Im Gluten ist ein Opiat enthalten, Gliadin, verantwortlich auch für den Heißhunger. Und wir schauen ratlos auf unsere kleinen Wampen, Bierbauch genannt, treffender Weizenbauch … und greifen doch wieder zu den in Plastik verpackten Bahnhofs-Sandwiches, dick mit industrieller Mayonnaise beschmiert, belegt mit Salami und Käse aus einer anderen Fabrik.
Am Mittelmeer bricht man sich einen Kanten vom knusprigen Brotlaib, tunkt es in köstliches Öl, dazu gibt es ein Scheibchen Schinken, ein mariniertes Fischlein oder eine Tomate. Es wird nur mit Weizen gebacken. Die Uhren ticken langsamer. Deshalb machen wir ja auch dort Urlaub.
Ich prophezeie eine Entwicklung. Reine Roggenbrote und Dinkelbrötchen sind ja gerade ungeheuer angesagt. Was meinen Sie, wie lange es dauert, bis auch das „schnell“, „groß“und „billig“geht? Gott sei Dank kenne ich meinen Bäcker gut. Was wäre ein Sonntagsfrühstück ohne Brötchen?