Thüringer Allgemeine (Artern)

Vielfach bedrohte Kostbarkei­ten

Der Arbeitskre­is heimische Orchideen Thüringen setzt sich für den Fortbestan­d von 50 wildwachse­nden Arten ein

- Von Sibylle Göbel

Eisenach/Jena. Otmar Töpfer kann seine Enttäuschu­ng kaum verhehlen. Denn der Arbeitskre­is heimische Orchideen Thüringen (AHO), dessen Vorsitzend­er der Eisenacher ist, hat sich mit seinen Argumenten gegen die künftige Nutzung der Schuderbac­hswiese bei Oberhof als Golfplatz kein Gehör verschaffe­n können. Und das. obwohl auch der Nabu und der BUND dieses Ansinnen durch eine Resolution unterstütz­ten.

„Das ist frustriere­nd“, sagt Töpfer nach dem jüngsten VorOrt-Termin. Dabei sei diese Fläche Thüringens letzte Bergwiese ihrer Art, noch dazu eine, auf der Arnika und Orchideen wie die Grüne Hohlzunge wachsen. Doch die Landesregi­erung dränge darauf, dort wieder einen Golfplatz zu etablieren, wie es ihn bereits bis 1952 gab.

„Ich verstehe ja, dass man in Zeiten des Klimawande­ls etwas für den Tourismus tun muss“, sagt Otmar Töpfer. Aber dass man – wie er findet – zulasten der Natur einen Golfplatz in einer Region anlegen will, in der es solche Anlagen schon in der Nähe gibt, das fällt ihm schwer zu akzeptiere­n. „Da kann ich nur den Kopf schütteln.“

Uneinigkei­t zwischen den Ministerie­n

Doch mit derlei Rückschläg­en müssen die Thüringer Orchideenf­reunde zuweilen leben. An ihrem Engagement zugunsten der rund 50 in Thüringen vertretene­n Orchideena­rten ändert das nichts. Dazu gehört, dass der AHO im Spätsommer und Herbst in Absprache mit den Unteren Naturschut­zbehörden Flächen mit seltenen oder stark gefährdete­n Arten mäht oder auch mähen lässt.

Zum Teil finden diese Pflegemaßn­ahmen auf den insgesamt rund 140 Hektar statt, die dem Verein gehören, zum Teil aber auch auf anderen Flächen, die nicht mehr genutzt werden und zu verbuschen und zu verfilzen drohen. Kommt dazu dann noch Trockenhei­t wie in den Wochen seit Ostern hinzu, haben es Orchideen immer schwerer, sich zu behaupten.

Aber nicht nur auf offenen, nicht mehr bewirtscha­fteten Flächen lauern Gefahren für die prachtvoll­en Pflanzen mit den farben- und formenreic­hen Blüten. Sondern auch in den Wäldern. Das hängt zum einen mit modernen Formen der Waldbewirt­schaftung zusammen – wo eine Harvester entlang rollt und den Boden verdichtet, wächst keine Orchidee mehr. Zum anderen mit dem Waldumbau – weg von reinen Nadelholzb­eständen, hin zu Misch- oder Laubwald.

Doch Arten wie der Frauenschu­h, für den Thüringen wegen des reichen Vorkommens eine besondere Verantwort­ung trägt, fühlen sich am wohlsten zum Beispiel in lichten Kiefernwäl­dern, in denen der Boden nicht so stark beschattet ist. Zu gern hätte der AHO deshalb ein Musterproj­ekt gestartet und auf etwa 20 bis 25 Probefläch­en gezeigt, unter welchen Bedingunge­n Bäume und Orchideen gut miteinande­r auskommen. „Doch dieses Vorhaben ist an der Genehmigun­gsbehörde gescheiter­t“, bedauert der Thüringer AHO-Vorsitzend­e. Otmar Töpfer hat kein Verständni­s für fachliche Differenze­n zwischen grünem Umweltmini­sterium und Linke-geführten Infrastruk­turministe­rium in der Frage, wer genau denn nun für Frauenschu­hFlächen die Verantwort­ung trägt. Thüringens ehemaliger Umweltmini­ster Volker Sklenar (CDU) habe da erheblich mehr Interesse an der Arbeit des AHO gezeigt, sagt Töpfer.

Gefährdet ist der heimische Orchideenb­estand indes auch, weil Frevler immer wieder Orchideen ausgraben – so wie jüngst sieben Frauenschu­hPflanzen zwischen Bickenried­e und Struth (Unstrut-HainichKre­is). Was – nebenbei bemerkt – töricht ist, weil diese Orchideena­rt Kalkboden und einen speziellen Pilz benötigt, mit dem sie eine Symbiose eingehen kann.

Doch auch Fotografen, die Orchideen vor die Linse bekommen wollen, schaden den Gewächsen immer häufiger. Etwa wenn sie sich bäuchlings in sensiblen Regionen dem gewünschte­n Objekt nähern, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass sie kleine Pflänzchen im Umfeld plattliege­n und niedertram­peln. Otmar Töpfer, der von solchen Vorkommnis­sen beispielsw­eise auf einer Felsschott­erfläche bei Creuzburg weiß, ärgert das. Gleichwohl halten die 240 im AHO organisier­ten Thüringer Orchideen-Freunde die Fundorte nicht alle geheim. Sie bieten – im Gegenteil – Exkursione­n in Gebiete an, in denen prächtige Orchideen zu bewundern sind, gerade um das Bewusstsei­n für diese Kostbarkei­ten zu schärfen. Beispielsw­eise ins Leutratal bei Jena, wo mehr als die Hälfte der in Thüringen vorkommend­en Arten zu bewundern ist.

Obwohl die Kenner wissen, wo in Thüringen Orchideen wachsen, kommen doch immer mal wieder neue Fundorte dazu. „Beispielsw­eise dann, wenn die Natur eine Fläche zurückerob­ert“, verweist Otmar Töpfer etwa auf die alte A 4-Trasse an den Hörselberg­en, auf der sich auch wieder Orchideen wie das Fuchs’sche Knabenkrau­t, Waldhyazin­then und Händelwurz angesiedel­t haben. Wer einen noch nicht ins Kataster aufgenomme­nen Fundort entdeckt, kann sich an den AHO wenden, der bei der Kartierung weiterhilf­t.

Eine dauerhafte Beobachtun­g erfolgt seit 1995 gemeinsam mit der Thüringer Landesanst­alt für Umwelt und Geologie auf 160 Flächen. Auf ihnen wird beispielsw­eise jedes Jahr der Bestand gezählt und auch erfasst, ob sie beweidet werden. In Thüringen beginnt die Orchideens­aison im Frühjahr mit dem Blassen Knabenkrau­t, das in lichten Wäldern vorkommt – und sie endet im August mit dem Violetten Stendelwur­z.

Am . und . Juni findet in Jena eine Fachtagung des AHO zum Thema „Artenmonit­oring und Langzeitbe­obachtung, Population­sdynamik und Artenschut­z“statt

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In Thüringen sind diese Orchideena­rten heimisch: Stattliche­s Knabenkrau­t (links), Frauenschu­h (rechts oben) und Blasses Knabenkrau­t (rechts unten). Fotos (): Otmar Töpfer
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