Jagd auf alles Jüdische im evangelischen Glauben
Ausstellung und Symposium beschäftigen sich mit dem kirchlichen „Entjudungsinstitut“im Eisenach der Nazi-Zeit
Eisenach. Die Weihnachtsgeschichte, Händels Oratorium „Judas Maccabaeus“oder Sprüche des Alten Testaments in der Eisenacher Georgenkirche: All dies sollte nach dem Willen eines im Mai 1939 in Eisenach gegründeten Instituts von jeglichen jüdischen Einflüssen befreit werden. „Der Grundgedanke dahinter: Das Christentum wird durch das Jüdische verunreinigt“, sagt der Leiter und Kurator der Stiftung Lutherhaus Eisenach, Jochen Birkenmeier, über das Ansinnen des „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“.
80 Jahre nach der Gründung durch einige evangelische Landeskirchen soll am Lutherhaus ab Herbst 2019 eine Ausstellung über das sogenannte „Entjudungsinstitut“informieren. Es war auch innerhalb der evangelischen Kirche in der NS-Zeit sehr umstritten. Im Frühjahr ist ein wissenschaftliches Symposium geplant.
Auch in der Musik und der Architektur machte das Institut Jagd auf alles Jüdische. Georg Friedrich Händels Oratorium „Judas Maccabaeus“hieß in der Neufassung „Der Feldherr“, alle Personen wurden umbenannt. Hebräische Buchstaben wurden aus Kirchen entfernt. In der Eisenacher Georgenkirche verschwanden an der Empore Sprüche aus dem Alten Testament. Es gab auch Pfarrer, die sich dem Ansinnen widersetzten oder es ignorierten. Wenige Monate nach der Gründung brach der Zweite Weltkrieg aus.
Mitarbeitermangel durch Einberufungen und Papiermangel schränkten Arbeit und Wirkung schnell ein, meint Birkenmeier. Die Auseinandersetzung mit der Wirkung des Instituts und die geschichtliche Aufarbeitung dauern jedoch bis in die Gegenwart an. „Das ‚Entjudungsinstitut‘ löst bis heute starke Emotionen aus“, betont Birkenmeier. Die evangelische Kirche habe der DDRStaatsführung kein Instrument in die Hand geben wollen. Seit 1990 gebe es eine große Bereitschaft in Kirche, Forschung und Gesellschaft, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Dazu gehöre auch die widersprüchliche Rolle von Institutsgründer Walter Gundermann, der nach 1945 Katecheten ausbildete.
Für Birkenmeier sind die Ausstellung und das Symposium um Antijudaismus in der Religion deshalb ein Beitrag zur Demokratiebildung und zudem ein aktuelles Thema. Eine der uralten Quellen sei die Judenfeindlichkeit von Reformator Martin Luther (1483–1546). Sie habe dazu beigetragen, dass über die Jahrhunderte immer neue antisemitische Verschwörungstheorien entwickelt wurden. (dpa)