Junge Erwachsene mit Suchtproblemen nicht allein lassen
Urteil nach Tötungsversuch Fachtagung am Mühlhäuser Hainich-Klinikum berät über spezielle Präventions- und Therapieangebote für Gruppe der 18- bis 25-Jährigen
Meiningen. Nach einem Messerangriff auf eine Frau muss ein 27 Jahre alter Mann für vier Jahre und zehn Monate in Haft. Das Landgericht Meiningen verurteilte ihn unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, wie ein Gerichtssprecher gestern mitteilte. Die Staatsanwaltschaft hatte den Mann aus dem Irak eigentlich wegen versuchten Mordes angeklagt. Ein Tötungsvorsatz sei ihm aber nicht nachzuweisen gewesen, sagte der Sprecher.
Der Iraker soll die 19-Jährige Frau – ebenfalls aus dem Irak – aus Ärger über ihre Weigerung, ihn zu heiraten, im vergangenen Dezember in ihrer Wohnung in Hildburghausen aufgesucht und mit einem Rasiermesser attackiert haben. (dpa) Mühlhausen. Sie sind zwischen 18 und 25 Jahren alt und haben oft schon eine längere Suchtoder Drogenkarriere hinter sich. „Bei Präventions- und Behandlungsangeboten fallen diese jungen Erwachsenen häufig durch das Raster“, sagt Katharina Schoett, Chefärztin für Suchtmedizin am Ökumenischen Hainich-Klinikum in Mühlhausen. Über diese Gruppe sei wenig bekannt, werde unter Fachleuten wenig geredet, oft suchten die Betroffenen erst Hilfe, wenn die Probleme akut seien oder juristische Konsequenzen drohten. Unter dem Motto „So jung und schon so süchtig...“berieten gestern 200 Suchtexperten, darunter Vertreter von Beratungsstellen, Kliniken und Jugendämtern, beim Suchttag des Klinikums über Therapieansätze.
Drei Viertel der rund 1000 Suchtpatienten in Mühlhausen pro Jahr sind unter 35, jeder vierte ist unter 25. Zu Alkohol, Nikotin und chemischen Substanzen wie Chrystal Meth komme die exzessive Nutzung von Medien wie Handy, Internet oder Computerspielen. So werde Konflikten ausgewichen oder ein Ventil für Emotionen gesucht, die anders nicht kontrollierbar wären. Folgen seien Gedächtnis- und Lernstörungen sowie Depressionen. Die Zahl jugendlicher Abhängiger steige, nur jeder Zehnte bekomme eine adäquate Therapie.
„Patienten, die zu uns kommen, sind aufgelöster, fahriger, unkonzentrierter, unruhiger und getriebener. Sie sind überlastet mit Konsumprodukten und digitalen Informationen, unfähig und unwillig, sich mit sich zu beschäftigen, sich mit kleinen Dingen zufrieden zu geben und eigene Beiträge einzubringen“, konstatierte der Mühlhäuser Klinikpsychologe René Ehrenberg. Bedeutungsund Ziellosigkeit würden durch auffallend-schrille Lebensformen kompensiert, unterschiedlichste Suchtmittel dienten dazu, die innere Leere aufzufüllen. Hohes Anspruchsdenken gehe einher mit immer mehr und beliebigerem Drogenkonsum. Kommunikationsund Koordinationsfähigkeiten der Betroffenen nähmen ab. „Je früher chemische Substanzen konsumiert werden, desto gravierender und unumkehrbarer die Schädigung“, so Ehrenberg.
Nach Meinung von Heike Hinz, Klinikchefin in Richelsdorf, Hessen, gehört risikoreiches Verhalten zum Erwachsenwerden dazu. Junge Leute dürften sich ausprobieren und dabei auch Fehler machen. Kritisch sehen die Experten, dass durch die Freigabe von medizinischem Cannabis der Eindruck entstehe, die Droge sei ungefährlich. Jugendliche Gehirne würden durch den Konsum nachhaltig geschädigt.
Chefärztin Schoett plädiert für besondere Behandlungsräume für junge Süchtige. „Sie sind anders und sollten nicht mit den 30 bis 40-Jährigen behandelt werden. Oft war es gerade diese Elterngeneration, durch die die jungen Erwachsenen erstmals mit Alkohol, Nikotin oder Drogen in Kontakt kamen“, so Schoett.