Ist Erfurt eine Stadt?
Wir klären einen populären Irrtum auf
Erfurt ist, was andere Städte in Thüringen nicht sind. Erfurt ist Landeshauptstadt. Doch wer dies im engeren Sinne auslegt, erliegt einem weithin verbreiteten Klischee. Städtisch wirkt Erfurt allein in der sogenannten Kernstadt. Jenseits von Anger, Domberg und den sie umgebenden Wohnvierteln wird das Antlitz Erfurts vor allem von Dörfern geprägt.
Vor mehr als fünf Jahrhunderten waren die Reviere noch klar verteilt. Wer etwas auf sich hielt, lebte in Erfurt. Die umliegenden Dörfer waren zumeist nur dazu da, die Stadt zu nähren. Prompt bekamen einige Gemeinden ihren Spitznamen weg. Sie galten als Küchendörfer.
Rund 100 Orte umfasste das von Erfurt verwaltete Gebiet im 15. Jahrhundert. Es waren jene Jahre, da das Indigo noch nicht von Seefahrern nach Europa gebracht wurde und Erfurt gerade deshalb prosperierte, da man rund um die Stadt großflächig Waid anbaute.
Heutzutage sind die Rollen nicht minder klar verteilt – genau umgekehrt. Etwa jeder fünfte Landeshauptstädter wohnt in einem der zur Stadt gehörenden Dörfer. Die Dörfler wiederum ernähren sich vor allem von dem, was die Märkte der Stadt hergeben. Und das, obwohl 165 Quadratkilometer der Erfurter Gesamtfläche (270 qkm) als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen sind.
Apropos Statistik. 53 Stadtteile gehören zu Erfurt. Darunter sind 40 Dörfer. Allerdings sind einige längst mit der Stadt verschmolzen, etwa Daberstedt, Melchendorf und Ilversgehofen. Das industriell geprägte Hohenwinden fiel sogar schon im Mittelalter wüst.
Schade nur, dass auf den ersten Blick lediglich Ortseingangsschilder von der Zugehörigkeit der Dörfer zu Erfurt künden. Zumindest das war im 15. Jahrhundert noch anders. Seinerzeit gelang es vier Dörfern (Kapellendorf, Vippach, Vieselbach und Vargula), ins große Stadtwappen aufgenommen zu werden.