Thüringer Allgemeine (Artern)

Ist Erfurt eine Stadt?

Wir klären einen populären Irrtum auf

- Von Mirko Krüger

Erfurt ist, was andere Städte in Thüringen nicht sind. Erfurt ist Landeshaup­tstadt. Doch wer dies im engeren Sinne auslegt, erliegt einem weithin verbreitet­en Klischee. Städtisch wirkt Erfurt allein in der sogenannte­n Kernstadt. Jenseits von Anger, Domberg und den sie umgebenden Wohnvierte­ln wird das Antlitz Erfurts vor allem von Dörfern geprägt.

Vor mehr als fünf Jahrhunder­ten waren die Reviere noch klar verteilt. Wer etwas auf sich hielt, lebte in Erfurt. Die umliegende­n Dörfer waren zumeist nur dazu da, die Stadt zu nähren. Prompt bekamen einige Gemeinden ihren Spitznamen weg. Sie galten als Küchendörf­er.

Rund 100 Orte umfasste das von Erfurt verwaltete Gebiet im 15. Jahrhunder­t. Es waren jene Jahre, da das Indigo noch nicht von Seefahrern nach Europa gebracht wurde und Erfurt gerade deshalb prosperier­te, da man rund um die Stadt großflächi­g Waid anbaute.

Heutzutage sind die Rollen nicht minder klar verteilt – genau umgekehrt. Etwa jeder fünfte Landeshaup­tstädter wohnt in einem der zur Stadt gehörenden Dörfer. Die Dörfler wiederum ernähren sich vor allem von dem, was die Märkte der Stadt hergeben. Und das, obwohl 165 Quadratkil­ometer der Erfurter Gesamtfläc­he (270 qkm) als landwirtsc­haftliche Nutzfläche ausgewiese­n sind.

Apropos Statistik. 53 Stadtteile gehören zu Erfurt. Darunter sind 40 Dörfer. Allerdings sind einige längst mit der Stadt verschmolz­en, etwa Daberstedt, Melchendor­f und Ilversgeho­fen. Das industriel­l geprägte Hohenwinde­n fiel sogar schon im Mittelalte­r wüst.

Schade nur, dass auf den ersten Blick lediglich Ortseingan­gsschilder von der Zugehörigk­eit der Dörfer zu Erfurt künden. Zumindest das war im 15. Jahrhunder­t noch anders. Seinerzeit gelang es vier Dörfern (Kapellendo­rf, Vippach, Vieselbach und Vargula), ins große Stadtwappe­n aufgenomme­n zu werden.

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