Thüringer Allgemeine (Artern)

Flüchtling­sstreit in Union eskaliert: Zerbricht die Koalition in Berlin?

CDU-Abgeordnet­er Hauptmann spricht von „kritischer Situation“. SPD-Landeschef Tiefensee stellt Bündnis infrage

- Von Martin Debes

Erfurt/Berlin. Die Frage, ob abgelehnte und nicht registrier­te Flüchtling­e bereits an der Grenze abgewiesen werden sollen, spaltet die Union. Nachdem die CSU der CDU gestern ein Ultimatum stellte, wird ein Bruch der Koalition nicht mehr ausgeschlo­ssen.

„Die Situation ist kritisch“, sagte der Thüringer Bundestags­abgeordnet­e Mark Hauptmann, der die Gruppe der Jungen Abgeordnet­en in der Unionsfrak­tion leitet. Er forderte beide Seiten auf, aufeinande­r zuzugehen.

Gleichzeit­ig stellte er sich aber deutlich auf die Seite der CSU. Die Strategie der bayerische­n Schwesterp­artei, die anderen EU-Staaten wie Italien und Österreich stärker unter Druck zu setzen, sei richtig. „Wir müssen schon jetzt ganz klar sagen: Kommt es nicht bis zum EU-Gipfel in zwei Wochen zu bilaterale­n Rückführun­gsabkommen mit anderen Ländern, müssen wir offensicht­lich illegale Flüchtling­e an der Grenze abweisen“, sagte er der Thüringer Allgemeine­n.

Merkel will aber keine nationale Vorfestleg­ung, um unbelastet auf EU-Ebene verhandeln zu können. Dies wird auch vom Thüringer CDU-Abgeordnet­en Tankred Schipanski unterstütz­t. „Ich halte es nicht für sinnvoll, der Kanzlerin Konditione­n aufzuzwing­en, welche die Verhandlun­gsposition Deutschlan­ds schwächen.“Die Flüchtling­sfrage könne nur gemeinsam mit unseren europäisch­en Partnern gefunden werden.

Der gestrige Tag verlief im politische­n Berlin dramatisch. Die Sitzung des Bundestage­s musste wegen getrennter Sondersitz­ungen der Fraktionsg­ruppen von CDU und CSU für vier Stunden unterbroch­en werden.

In der CDU schaffte es Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die Mehrheit der Abgeordnet­en hinter sich zu bringen. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt stellte wiederum im Anschluss eine Art Ultimatum. Die Abweisung von Flüchtling­en sei dringend nötig, um wieder Ordnung an den Grenzen zu schaffen, sagte er. Die endgültige Entscheidu­ng werde der Parteivors­tand am Montag in München treffen – womit er Merkel automatisc­h eine Frist setzte.

CDU-Landeschef Mike Mohring rügte beide Seiten: „Dieser Streit schadet uns allen“, sagte er der TA. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) habe inhaltlich recht, wenn er bestimmte Migranten gar nicht erst ins Land lassen wolle. Dies sei auch in der CDU Mehrheitsm­einung. „Gleichzeit­ig müssen wir aber der Kanzlerin die Zeit geben, das mit den Nachbarlän­dern zu verhandeln“, sagte Mohring.

Vom Koalitions­partner SPD kam scharfe Kritik. Theaterstü­cke im Dienste von Landtagswa­hlen seien dem Ernst der Lage nicht angemessen, sagte Bundeschef­in Andreas Nahles unter Verweis auf die im September anstehende­n Wahlen in Bayern. Ähnlich äußerte sich SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee. „Das Problem ist die CSU, die ihren Landtagswa­hlkampf auf Kosten der gemeinsame­n Bundesregi­erung macht“, sagte er. „Diese Situation bestärkt mich in meiner Meinung, dass wir zur Hälfte der Regierungs­zeit entscheide­n sollten, ob die Koalition tatsächlic­h bis zum Ende der Wahlperiod­e fortgesetz­t wird.“

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