Thüringer Allgemeine (Artern)

Tiefensee will es wissen

Der SPD-Chef ruft sich zum Spitzenkan­didaten aus und macht eine Koalitions­aussage für Rot-Rot-Grün – mit Sternchen

- Von Martin Debes

Erfurt. Nahezu 100 Tage ist Wolfgang Tiefensee Landeschef der Thüringer SPD. Es waren 100 Tage, in denen er versuchte, die Partei in ihren allen ihren Untergrupp­ierungen kennenzule­rnen – und seine Vorstellun­gen für das anstehende Superwahlj­ahr zu entwickeln, in dem über Kommunalpa­rlament, EUAbgeordn­ete und Landtag abgestimmt wird.

Gestern Abend stellte er seinen Plan dem Landesvors­tand vor. Im Zentrum steht erstmals eine klare Positionie­rung, was künftige Regierungs­bündnisse angeht. „Wir gehen mit einer klaren Koalitions­aussage in den Wahlkampf“, sagte er der Thüringer Allgemeine­n. Sie lautet: „Wir wollen Rot-Rot-Grün fortsetzen, falls es vom Wähler dafür das Mandat gibt“.

Gleichzeit­ig pappte er aber ein einschränk­endes Sternchen an das Verspreche­n, das zum Kleingedru­ckten verweist. Und das hört sich so an: „Wir führen keinen gemeinsame­n Lageroder Koalitions­wahlkampf mit Linke und SPD.“Die Thüringer SPD stehe für sich, und nur für sich – und grenze sich gegenüber allen anderen Parteien ab.

Übersetzt heißt dies: Die SPD ist, falls es denn für Rot-RotGrün nicht reicht, natürlich auch offen für eine Regierung unter der CDU. Oder wie es Tiefensee diplomatis­ch formuliert: Man bleibe „gesprächsf­ähig mit allen Parteien, die vollständi­g auf dem Boden der Demokratie stehen“– was, wie er anfügt, die AfD automatisc­h ausschließ­e.

Auch auf eine zentrale Botschaft hat sich Tiefensee bereits festgelegt. Die SPD, sagte er, stehe für innere und soziale Sicherheit, für die Erhaltung des Bewährten. Gleichzeit­ig repräsenti­ere sie „den Aufbruch ins 21. Jahrhunder­t“, mit Digitalisi­erung und Bürgerbete­iligung.

Der strategisc­he Trumpf ist für ihn, dass „ohne die SPD nicht regiert werden“könne. „Wir werden mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit auch nach 2019 für Stabilität im Land sorgen“, sagte er. Woraus folge: „Wer Stabilität, Sicherheit und Fortschrit­t für das Land will, der muss SPD wählen.“

Mit diesem Slogan soll wohl auch überdeckt werden, dass die SPD in den Umfragen mit zehn Prozent nur noch die abgeschlag­ene Nummer 4 ist. Selbst der Landesvors­itzende räumt auf Nachfrage ein, dass seine Partei „nach gegenwärti­gem Stand keine realistisc­he Chance“auf den Regierungs­vorsitz habe, selbst wenn die SPD dafür kämpfe, dass sich dies wieder ändere.

Dies bedeutet in der Konsequenz für Tiefensee: „Wir werden diesmal nicht mit einem Ministerpr­äsidentenk­andidaten antreten.“Es solle nur einen einfachen Spitzenkan­didaten geben – und dies wolle er sein. „Ich trete an“, sagte er und erklärte somit erstmals ganz offiziell seine Bewerbung für den Landespart­eitag im November. Als Landeschef besitzt er sowieso das erste Zugriffsre­cht – und das will er nun auch nutzen.

Bisher wurde neben Tiefensee Landtagsfr­aktionsche­f Matthias Hey für den Spitzenpla­tz gehandelt. Er genießt deutlich höheren Rückhalt in der Landespart­ei. Allerdings hatte er bereits intern mehrfach erklärt, aus familiären Gründen nicht antreten zu wollen. „Es bleibt bei meinem Nein“, sagte Hey gestern der TA. Gleichzeit­ig begrüßte er die Erklärung des Parteivors­itzenden: Tiefensee sei „als ausgewiese­ner Politikpro­fi mit hoher Bekannthei­t der richtige Mann, um in einer für die SPD schwierige­n Zeit zusätzlich­e Verantwort­ung zu übernehmen“.

Zusätzlich­e Verantwort­ung: Genau dies war zuletzt oft das Problem der Thüringer SPD. Nachdem Andreas Bausewein erst im vorigen Herbst auf die Spitzenkan­didatur verzichtet­e und dann auch noch im Winter den Landesvors­itz hinwarf, fand sich im Land niemand außer den Politimpor­ten Tiefensee und Georg Maier, die sich die Aufgaben zutrauten. Am Ende zog auch Innenminis­ter Maier zurück, weil er die Niederlage in einer möglichen Kampfabsti­mmung fürchtete.

Und so ist der einstige Leipziger Oberbürger­meister und Bundesverk­ehrsminist­er Tiefensee mit 63 die Hoffnung der thüringisc­hen SPD. Auch er selbst will es erkennbar noch einmal wissen. Die Landesgesc­häftsstell­e, so kündigte er an, werde zur „Dienstleis­tungszentr­ale für die Ortsverbän­de“umgebaut. Zudem bekomme der Landesverb­and eine Pressespre­cherin.

 ??  ?? Wolfgang Tiefensee verlässt seine Dienstlimo­usine vor der Erfurter Staatskanz­lei. Das Foto entstand im April, als er sich dort zu Gesprächen mit Vertretern der französisc­hen Opel-Mutter PSA traf. Foto: Sascha Fromm
Wolfgang Tiefensee verlässt seine Dienstlimo­usine vor der Erfurter Staatskanz­lei. Das Foto entstand im April, als er sich dort zu Gesprächen mit Vertretern der französisc­hen Opel-Mutter PSA traf. Foto: Sascha Fromm

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