Mathe-Prüfung auf der Krebsstation
Die 17-jährige Anne aus Erfurt kämpft zum zweiten Mal gegen den Blutkrebs. Auch im Krankenhaus geht die Schule für sie weiter
Erfurt. Note: 1. Diagnose: Blutkrebs. Das Leben ist verrückt. Höhen und Tiefen liegen oft verdammt eng beisammen und stellen die Frage: „Warum ich?“.
Als Anne Wolter aus Erfurt vor einem Jahr mit ihren Freundinnen ein Thema für eine Projektarbeit suchte, kamen sie auf die Idee, über die DKMS, die Deutsche Knochenmark-Spende, zu schreiben. Denn wenn die Chemotherapie nicht anschlägt, braucht der Betroffene eine Knochenmarkspende. „Alle 15 Minuten erkrankt auf der Welt ein Mensch an Blutkrebs. Da es viel zu wenig Spender gibt, kann es sehr lange dauern, bis für den Patienten ein passender Spender gefunden wird“, schreiben die vier Schülerinnen der IGS Erfurt. Jetzt braucht Anne selbst eine Knochenmarkspende.
Dabei hatte das fröhliche Mädchen mit den schwarzen, langen Locken die tückische Krankheit gerade besiegt. Im März 2015 hatte die damals 14Jährige die Diagnose bekommen: Blutkrebs. „Ich hatte plötzlich eine blaue Ferse, aber die konnte ja auch von den Schlittschuhen kommen“, hatte die Eisschnellläuferin im Leistungssport damals gedacht. „Ich war lange erkältet, aber das konnte ja an der Luft in der Eishalle liegen“, war eine andere Überlegung. Doch eine Blutuntersuchung bei einer Lungenentzündung brachte Gewissheit. Und veränderte schlagartig den Alltag, das Leben der Familie.
„Meine erste Frage war, ob ich sterben muss“, erinnert sich Anne. „Aber Papa hat ‚nein‘ gesagt und ‚wir schaffen das‘“.
Und sie haben es gemeinsam geschafft. „Man bekommt dadurch einen ganz anderen Blick auf das Leben“, hat die Schülerin an sich beobachtet. „Sieht die Dinge nicht mehr so eng, kann besser zwischen unwichtigen und elementaren Dingen unterscheiden, was im Leben wirklich zählt. Freundschaft zum Beispiel. Eine Klassenkameradin hat mich jeden Tag im Krankenhaus besucht, meine angeblich beste Freundin war nicht einmal da. Das tut am Anfang schon weh.“
Umso größer war die Freude und Erleichterung, als Anne als geheilt entlassen wurde. Glück gehabt. Das Leben ging weiter. Dann stand die Projektarbeit an. Die Schülerinnen wollten über das Thema Knochenmarkspende informieren, interviewten eine junge Patientin und deren Spender, sprachen mit Ärzten.
Es lief gut. Doch kaum waren die Mappe und der Film fertig, im Mai dieses Jahres, kam der Blutkrebs zurück. Noch wuchtiger als vorher, denn nun braucht Anne selbst eine Knochenmarkspende. Bei ihren Eltern und ihrer Schwester ist die Übereinstimmung der Marker zu gering. Aber Anne ist nicht nur eine Frohnatur, sondern auch eine Kämpferin. Statt sich von der Krankheit beherrschen zu lassen, gibt sie den Rhythmus vor. Aufgeben kann sie schon als Sportlerin nicht. Die Projektarbeit Anne und ihre Schwester Anika sind auch im Krankenhaus unzertrennlich und muntern mit ihrer ansteckenden Fröhlichkeit nicht nur die Eltern, sondern auch die Ärzte und Schwestern auf. Nach der ersten überstandenen Krebs-Erkrankung war die zweite Diagnose für die Familie ein Schock: „Als ob ein Kartenhaus zusammenfällt“, sagt Anika. Fotos (): Ingo Glase
die Chemotherapie dann in Jena fortgesetzt – „wie ein Neustart beim Computer. Der Körper wird heruntergefahren, auf null gesetzt – und mit den neuen Stammzellen wieder hochgefahren“, vergleicht Annes Vater trocken, doch man spürt, wie es in ihm arbeitet. Denn trotz der guten Aussichten ist die Familie immer angespannt, immer im Alarm-Modus. „Es darf nichts passieren – keine Infektion, keine Verletzung, keine Erkrankung.“Vormittags ist er bei Anne, am Nachmittag seine Frau. Beim ersten Mal hatte sie durch die Krankheit ihrer Tochter die Arbeit verloren, nun erfahren sie durch ihre Arbeitgeber viel Unterstützung.
Manche machen in dieser Situation keine Pläne mehr, Anne
und ihre Familie mehr als vorher. „Wir schieben nichts mehr auf“, verrät Annes Vater. „Was wir können, machen wir.“
Zu den großen Wünschen seiner Tochter gehört eine Reise nach New York, das Schwimmen mit Delfinen und eine Tour mit dem Wohnmobil nach Norwegen: „Ich möchte so gern die Polarlichter sehen“, verrät Anne. Doch das muss noch etwas warten, vor Weihnachten wird Anne nicht nach Hause kommen. Dort wartet Lilly schon ganz ungeduldig, ihr Labrador. Den hat sie nach der ersten Runde bekommen, damit sie etwas zum Festhalten hat. Ausgerechnet. Denn zu Tieren sollten Blutkrebspatienten Abstand halten, der Infektionsgefahr wegen.
Das Leben ist eben verrückt.
verteidigt sie im Krankenhaus, vor Lehrern und Ärzten. Sie bekommt die Note 1.
Drei Wochen nach der neuen, alten Diagnose schreibt Anne im Helios-Klinikum die mehrstündigen, schriftlichen Prüfungen in Deutsch, Mathematik und Englisch. In Deutsch ist sie nach der Hälfte der Zeit fertig und bekommt eine 2. Englisch wird mit 3 bewertet, „Mathe ist nicht so gut gelaufen, aber ich habe bestanden“, hat sie am Mittwoch erfahren. Allein das zählt, Anne will noch Abitur machen. Heute beginnt die nächste, sechswöchige Chemo-Therapie, in der kommenden Woche steht zudem die mündliche BiologiePrüfung an. Mögliche Themen sind Genetik und Evolution.
Nach einer kurzen Pause wird