Thüringer Allgemeine (Artern)

Schafft es die Europäisch­e Union?

Im Asylstreit ist eine „europäisch­e Lösung“im Gespräch – eine Einigung bleibt ungewiss

- Von Christian Kerl

Brüssel. Im Unionsstre­it um die Asylpoliti­k richten sich plötzlich alle Augen auf den EU-Gipfel in zwei Wochen: Können sich die Regierungs­chefs in Brüssel auf europäisch­e Lösungen einigen, die nationale Alleingäng­e überflüssi­g machen würden? Im Prinzip ja – aber ob es gelingt, ist völlig offen. Und schnelle Entlastung wäre damit kaum verbunden.

Die Vorschläge für eine Reform des Asylsystem­s hat die EU-Kommission schon vor zwei Jahren vorgelegt, seitdem streiten die Mitgliedst­aaten. Weil die Zeit drängt, wird der Konflikt nun Chefsache. Das Paket sieht vor, die Asylverfah­ren europaweit zu vereinfach­en, zu vereinheit­lichen und zu verkürzen. Wenn überall gleiche, menschenwü­rdige Bedingunge­n herrschen, entfiele nach den Kommission­splänen auch der Anreiz für die Weiterreis­en von bereits registrier­ten Asylbewerb­ern in andere EU-Staaten – also genau das Problem, über das CDU und CSU streiten. Würde ein Asylbewerb­er in einem anderen Mitgliedst­aat angetroffe­n, begänne seine fünfjährig­e Wartefrist auf eine langfristi­ge Aufenthalt­serlaubnis neu.

Der Großteil dieser Reform ist unstrittig – doch ein Konflikt um die Frage der Solidaritä­t blockiert das gesamte Paket: Auch künftig sollen die Staaten, in denen die Migranten erstmals EUBoden betreten, für das Asylverfah­ren zuständig sein – bei stark steigenden Flüchtling­szahlen wären aber alle Mitgliedst­aaten verpflicht­et, nach einer Quote einen Teil der Menschen aufzunehme­n. Einen solchen Zwang lehnen Ungarn, Polen, Tschechien und Slowenien ab. Auf der anderen Seite fühlen sich Länder wie Italien oder Griechenla­nd weiter ungerecht behandelt. Gelänge eine Einigung, müsste noch das EU-Parlament ins Boot: Eine Mehrheit dort will ein komplett neues Asylsystem, bei dem alle Länder auch in normalen Zeiten einen Teil an Asylbewerb­ern aufnehmen müssten. Österreich, das im Juli die EU-Ratspräsid­entschaft übernimmt, erwartet da schon schwierige Verhandlun­gen.

Kanzler Sebastian Kurz will ohnehin einen anderen Schwerpunk­t setzen: Der Schutz der EU-Außengrenz­en soll schneller und massiver als geplant verstärkt werden, Migranten ohne Asylgrund würden erst gar nicht in die EU gelassen. Gut möglich, dass der EU-Gipfel die Überlegung­en unterstütz­t. Aber es bleiben – vorerst vage – Überlegung­en für das nächste Jahrzehnt. Eine innereurop­äische Lösung ersetzen sie nicht. Auch die wird dauern: Gelingt die Einigung auf eine Asylreform, müssen die Mitgliedst­aaten zur Umsetzung von Teilen des Pakets erst noch nationale Gesetze beschließe­n.

Das EU-Parlament will ein ganz neues Asylsystem

Newspapers in German

Newspapers from Germany